Kaczynski-Absturz
Polnische Ermittler schießen sich auf Fluglotsen ein
Im Bild eine Satellitenaufnahme der Absturzstelle am Militärflughafen von Smolensk vom 12. April 2010, darunter als Referenz ein Google-Maps-Archivbild des gesamten Flughafengeländes.
"Piloten in die Irre geführt"
Inzwischen steht zwar fest, dass die Piloten alle Warnungen der russischen Fluglotsen vor einer Landung ignorierten, was auch polnische Experten nach einer ersten Analyse der Flugschreiber erklärten. Allerdings könnte es beim Landeanflug zu Missverständnissen zwischen den Piloten und den Fluglotsen gekommen sein. "Wir können die Hypothese nicht ausschließen, dass die Piloten in die Irre geführt wurden", zitierte die Zeitung "Dziennik Gazeta Prawna" anonym einen der polnischen Ermittler.
Auch russische Medien berichten, dass es Verständigungsschwierigkeiten zwischen den Piloten und dem Flughafen gab. So zitierte das Internetportal "Lifenews" den Fluglotsen Pawel Plusnin mit den Worten, die polnische Besatzung habe Schwierigkeiten mit der russischen Sprache gehabt. "Sie konnten einige Zahlen nicht verstehen", so der Lotse.
Dies könnte aber auch dem Smolensker Militärflughafen zum Vorwurf gemacht werden, dessen Beschäftigte offenbar nicht - wie international üblich - Englisch sprechen. Ein anderer Lotse gab an, die Konversation zwischen Boden und Cockpit sei auf Russisch "und teilweise in gebrochenem Englisch" geführt worden.
Dritter Flugschreiber geborgen
Eine technische Panne als Grund für den Absturz des Flugzeugs haben die russischen Ermittler am Dienstag definitiv ausgeschlossen. Die Triebwerke hätten bis zum Aufprall der Tupolew TU-154 einwandfrei gearbeitet, erklärte die Leiterin des Internationalen Luftfahrtkomitees in Moskau, Tatjana Anodina. Sie gab weiters bekannt, dass am Absturzort ein weiterer Flugschreiber geborgen wurde. Die Aufzeichnungen würden jetzt gemeinsam mit den polnischen Behörden ausgewertet.
Russlands Chefermittler Alexander Bastrykin sagte, die Untersuchungen würden noch mindestens drei Tage in Anspruch nehmen. Noch immer finde man in dem abgesperrten weitläufigen Waldstück persönliche Gegenstände der fast 100 Absturzopfer.
Geheimdienst befürchtet Spionage
Der polnische Geheimdienst plant indes laut einem Bericht der Zeitung "Rzeczpospolita" zu untersuchen, ob die russische Seite am Ort der Tragödie wichtige Dokumente an sich nahm. "Wir wissen noch nicht, welche Informationen die Passagiere mit an Bord nahmen und ob darunter auch geheime Informationen waren", sagte ein Agent des Inlandsgeheimdienst ABW der Zeitung. Es könne passiert sein, dass auch NATO-Unterlagen nun in die Hände des russischen Geheimdienstes gelangt seien, so "Rzeczpospolita".
Polens Verteidigungsminister Bogdan Klich sagte gegenüber Radio Zet, am Samstag seien von der polnischen Regierung sofort alle Blackberrys und Handys der Flugpassagiere gesperrt worden, um den Zugang zu Informationen zu versperren. Geheime Dokumente seien nicht an Bord der Maschine gewesen, so Klich. Klich versprach weiters, dass Polen neue Flugzeuge für die Regierung anschaffen werde bzw. eine Regierungsflotte in Zukunft entweder gemietet oder gechartert werden soll. Ab sofort werde nur mehr gechartert.
Trüben Schwierigkeiten die neue Ruhe?
Beobachter sind sich einig, dass der Verlauf der Ermittlungen Einfluss darauf haben wird, ob sich die gemeinsame Trauer so positiv auf die polnisch-russischen Beziehungen auswirkt wie angenommen. Der russische Premier Wladimir Putin sicherte jedenfalls zu, die Tragödie werde "objektiv und umfassend" aufgeklärt.
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