71-facher Mord

A4-Flüchtlingsdrama: Lebenslang für Haupttäter

Österreich
20.06.2019 09:34

Vor einem Jahr waren sie zu jeweils 25 Jahren Haft verurteilt worden. Nun sind die Urteile im A4-Schlepperprozess im ungarischen Berufungsgericht von Szeged gegen jene Mitglieder einer bulgarisch-afghanischen Schlepperorganisation, die für den Tod von 71 Flüchtlingen in einem verriegelten und am Ende in einer Pannebucht auf der A4 bei Parndorf zurückgelassenen Kühllaster (siehe Video oben) verantwortlich sind, drastisch verschärft worden. Die vier Hauptangeklagten wurden zu lebenslanger Haft wegen 71-fachen Mordes bzw. Beihilfe zum Mord unter besonders grausamen Umständen und wegen Schlepperei im Rahmen einer kriminellen Organisation verurteilt.

Die lebenslange Haft für den Erst-, Zweit- und Viertangeklagten soll ohne die Möglichkeit einer vorzeitigen Entlassung vollzogen werden. Diese Höchststrafe in Ungarn bedeutet, dass erst nach 40 Jahren Haft die Möglichkeit einer frühzeitigen Entlassung geprüft wird. Der Drittangeklagte soll die Chance auf vorzeitige Freilassung bereits nach 30 Jahren erhalten. Die zehn anderen Mitglieder der Schlepperorganisation wurden erhielten Haftstrafen zwischen vier und zwölf Jahren. Die Urteile sind rechtskräftig.

Richter: Schlepper nahmen Tod der Menschen in Kauf
Richter Erik Mezölaki betonte in der Urteilsbegründung, die Hauptangeklagten seien sich darüber im Klaren gewesen, dass die Menschen im hermetisch abgeschlossenen Kühl-Lkw ersticken könnten. Sie wussten weiter, dass der Laderaum von innen nicht zu öffnen war. Der Tod der Flüchtlinge habe sich ereignet, da den Schleppern ihr eigenes Untertauchen wichtiger gewesen sei als der Tod der 71 Menschen. Aus diesem Grund stehe außer Frage, dass nur das strengste Urteil hier möglich sei, erklärte der Richter.

Die vier Hauptangeklagten - der 32-jährige Samsooryamal Lahoo, der Kopf der Bande, und die drei Bulgaren Metodi Georgiev, Vencislav Todorov und Stojanov Ivajlo (33, 40 und 28 Jahre), von denen einer als Chef der Schlepperfahrer, einer als „Vorläufer“ und einer als Lenker des Todes-Lkw agiert hatten - versuchten sich während des erstinstanzlichen Prozesses gegenseitig die Schuld zuzuschieben. Der Afghane und die Bulgaren gaben dabei den Tatbestand der Schlepperei zu, betonten jedoch mehrfach, sie wären „keine Mörder“ - auch in ihren Schlussworten vor der mit Spannung erwarteten Urteil des Berufungsgerichts im Süden Ungarns.

„Türen nicht öffnen, auch wenn sie sterben sollten“
Als wesentliche Beweislast gegen die vier Hauptangeklagten gelten Abhörprotokolle der ungarischen Polizei von den Telefonaten, die während der tödlichen Schleppung in der Nacht zum 26. August 2015 zwischen den Bandenmitgliedern geführt worden waren. Aus den Aufnahmen geht nämlich sehr wohl hervor, dass sich alle im Klaren darüber waren, welcher Todeskampf sich im Frachtraum des Kühllasters abgespielt hatte, als die Männer, Frauen und Kinder klopften und voller Verzweiflung versuchten, die verriegelten Türen aufzubekommen bzw. Löcher in die Wände zu schneiden. Zunächst wollte der Lkw-Fahrer anhalten und sich von einem Begleitfahrer Wasser bringen lassen. Doch aus Angst um ihr Leben bzw. wegen der Gefahr, von der Polizei entdeckt zu werden, hielten sie nicht an. Auf mehrmalige besorgte Anrufe bei Lahoo reagierte der Bandenchef mit den Worten: „Die Türen nicht öffen, auch wenn sie sterben sollten. Sie sind Abschaum. Und wenn alle tot sind, leg sie in einem Wald in Deutschland ab.“

Die Verteidiger ersuchten aufgrund aus ihrer Sicht fehlender Beweise für Schlepperei im Rahmen einer kriminellen Organisation und auch wegen der „Versuche“, den auf engstem Raum zusammengepferchten Menschen aus Afghanistan, Irak und Syrien Wasser zu geben, um Strafmilderung. Staatsanwalt Istvan Vörös wiederum forderte für die vier Hauptangeklagten eine lebenslang Haftstrafe ohne Möglichkeit einer vorzeitigen Entlassung. Nur dem Begleitfahrer sollte die Möglichkeit nicht grundsätzlich verwehrt werden, unter Auflagen später einmal freizukommen.

Haftstrafen von einigen Verurteilten enden in wenigen Tagen
Von den 14 verurteilten Bandenmitgliedern befinden sich zwei weiterhin auf der Flucht. Jene Männer, deren Haftstrafen vier Jahre betragen, werden in Kürze ihre Freiheit wieder erlangen, da sie seit 2015 im Gefängnis sitzen.

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