Abschiebungs-Dilemma

Die absurden Gegensätze in unserem Asylsystem

Österreich
20.02.2019 06:00

Oft gelten Verbrecher als „unabschiebbar“, aber dafür werden gut integrierte Familien außer Landes gebracht. Die „Krone“ hat sich mehrere Fälle aus verschiedenen Bundesländern angesehen, die die absurden Gegensätze im Asylsystem verdeutlichen.

Würden die Österreicher bei Abschiebungen mitentscheiden können, wäre die Lage ziemlich klar. Einwanderer, die sich durch Gewalttaten strafbar gemacht haben, würden umgehend das Land verlassen müssen. Integrationswillige, die positiv auffallen, würden bleiben dürfen. Aber es ist nur schwer zu vermitteln, wie es dazu kommen konnte, dass der türkische Messerattentäter von Dornbirn (Vbg.) oder der vermutlich 19-jährige Syrer, der Mitte Jänner ein erst 16 Jahre altes Mädchen erwürgte und in einem Laubhaufen in Wiener Neustadt (NÖ) verscharrte, als „unabschiebbar“ galten.

Während gegen den Türken bereits seit 2009 eigentlich ein Aufenthaltsverbot galt, fiel der syrische Asylwerber schon vor dem Mord mehrfach durch Körperverletzung, sexuelle Belästigung, Diebstahl und Drogendelikte negativ auf. Passiert ist in beiden Fällen allerdings gar nichts, wodurch in weiterer Folge die Gräueltaten ermöglicht wurden.

Straftäter dürfen bleiben, Integrierte werden ausgewiesen
Andere Fälle lassen ebenso fassungslos zurück. Österreichweit kämpften Einheimische in den vergangenen Jahren um den Verbleib von ihnen ans Herz gewachsenen Asylsuchender. Geht es um solche Personen, können viele die gnadenlose Härte der Justiz kaum verstehen. Betrifft es hier doch integrierte Jugendliche, die in heimischen Vereinen und Schulen durch Freunde Anschluss fanden und die Sprache in Windeseile erlernten. Oder Familien, die ihren Kindern die heimische Kultur vermitteln und eine gute Zukunft bieten wollen.

Fakt ist: In der Asylpolitik läuft einiges schief. Denn viel zu häufig werden die Falschen außer Landes gebracht, während einige Straftäter als Gefährder im Land bleiben dürfen.

Lamin Bojang (29) ist Stürmer des SV Donau in Klagenfurt. Dem Publikumsliebling drohte vor drei Jahren die Abschiebung nach Gambia. Der Bescheid war ausgestellt, ein Schock für alle Mitspieler. Doch der Klub startete eine Unterschriftenaktion. Tatsächlich: Lamin durfte bleiben. Heute hat er einen fixen Job und den Führerschein. Nun zittert ein weiterer Gambier um seinen Verbleib in Österreich. Auch dieses „Match“ will der SV Donau gewinnen.

Qamar Abbas (26), Gastronomielehrling, kam 2012 nach Vorarlberg. Der Antrag des Pakistani wurde abgewiesen, im Oktober 2018 folgte die Schubhaft. Parallel lief ein Verfahren zur Frage, ob er aus humanitären Gründen bleiben darf. Nach sechs Jahren wurde Qamar während der Lehre abgeschoben. Der Fall führte zu heftiger Kritik. Auch der Bundespräsident hatte sich eingeschaltet, um den Fall prüfen zu lassen. Aus dem Grund bildeten sich im „Ländle“ Demos für eine menschlichere Asylpolitik.

Shamid R. kam 2013 aus Pakistan nach Österreich, 2015 dann als Koch-Lehrling in die Stadlkirchner Hofstub´n in Dietach (OÖ). Die Wirtin gab dem Asylwerber eine Chance, glaubte, dass er bis zum Ende seiner Lehrzeit nicht abgeschoben werden könne. Der Mann war tüchtig und engagiert, sprach gutes Deutsch. Dann kamen bei vollem Haus zur Mittagszeit zwei Polizisten und holten Shamid ab. Das entsetzte Personal hatte Tränen in den Augen. Nur 58 Stunden später wurde er abgeschoben.

Payman Qalandari (22) ist einer der aktuellsten Fälle. Wie berichtet, wurde der Afghane am Samstag abgeschoben. Und das trotz besten Deutschkenntnissen auf C2-Niveau, großem Freundeskreis und dem Vorvertrag eines Arbeitgebers aus Niederösterreich in der Tasche. Seine Freunde aus dem Bezirk Korneuburg (NÖ) sind am Boden zerstört: „Es trifft in diesem Fall einfach einen völlig falschen Menschen, der sich eine Existenz in Österreich aufbauen wollte“, so Stephan N. zur „Krone“.

Sameullh „Sami“ Sharify verfügt über große Kochtalente. Da kaum eine Branche so um Arbeiter ringt wie die Gastronomie, waren Michaela und Thomas Stegmüller vom Landhotel Reitingblick in Trofaiach (Stmk.) froh, als er vor zwei Jahren anheuerte. Der Afghane kam allein nach Österreich, integrierte sich vorbildlich. Mit seinem Geld richtete er eine Wohnung ein, trotzdem droht die Abschiebung. Für Verärgerung sorgt die Begründung, das Land sei sicher und er könne dort seine Erfahrung nutzen.

Maisam Kohestani (20) floh vor vier Jahren aus Afghanistan, seit Juli 2017 macht er beim Gosauer „Dachsteinkönig“ (OÖ) eine Lehre. Im Oktober bekam er den ersten negativen Asylbescheid, nun den zweiten. Seinem Chef Mario Pabst platzt der Kragen: „Wir suchen verzweifelt Lehrlinge. Ursprünglich hieß es von der Regierung, dass Asylwerber, die eine Lehre machen, nicht abgeschoben werden. Dieses Versprechen wurde gebrochen!“ Sein Unternehmen zahlt Kohestani nun sogar den Anwalt.

Stefan Steinkogler, Peter Grotter und die Bundesländer-Redaktionen, Kronen Zeitung

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