EMRK aufweichen?

Moser vs. Kickl, Runde 2: Zwist um den Rechtsstaat

Österreich
23.01.2019 16:23

Es ist das zweite Mal in diesem Jahr, dass sich Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) und Justizminister Josef Moser (ÖVP) in die Haare geraten. Zuletzt hatte Kickl seinem Regierungskollegen angesichts der blauen Reformwünsche bei der Asyl-Betreuung Verzögerungstaktik und Blockade vorgeworfen, nun geht es um nichts weniger als die Menschenrechte. Kickl hatte am Dienstag an der Menschenrechtskonvention (EMRK) gerüttelt und gemeint, „dass das Recht der Politik zu folgen hat und nicht die Politik dem Recht“. Moser konterte, die EMRK habe sich bewährt, und erinnerte Kickl an das rechtsstaatliche Prinzip in der Verfassung.

Angesprochen darauf, dass Ausgangssperren für Asylwerber und die rasche Abschiebung von Flüchtlingen an rechtsstaatliche Grenzen stoßen könnten -, etwa die Menschenrechtskonvention oder EU-Recht - hatte Kickl im ORF-„Report“ gemeint, man müsse darauf achten, nicht über die eigenen Gesetze zu stolpern. Vielfach seien das „irgendwelche seltsamen rechtlichen Konstruktionen, teilweise viele, viele Jahre alt und aus ganz anderen Situationen heraus entstanden“.

Moser: „In Rechtsstaat steht Recht an oberster Stelle“
Moser wies diese Aussage am Mittwoch zurück: „In einem Rechtsstaat steht das Recht an oberster Stelle.“ In der österreichischen Verfassung sei klar geregelt, dass die gesamte Verwaltung nur auf Basis der Gesetze ausgeübt werden dürfe. „Ich bin mir sicher, dass auch der Bundesminister Kickl sich daran halten wird“, so Moser.

Auch Faßmann auf Distanz: „Würde das so nicht sagen“
Kritisch zu Kickls Aussagen hatte sich zuvor auch Bildungsminister Heinz Faßmann (ÖVP) geäußert. „Ich würde das so nicht sagen“, so Faßmann zu Kickls Forderung, dass das Recht der Politik zu folgen habe: „Die Bundesverfassung hat einen sehr stabilen Charakter, das ist nicht etwas, was man im Rahmen eines schnellen politischen Prozesses verändern soll.“

Hofer: „Gesetzwerdung geschieht im Parlament
FPÖ-Regierungskoordinator Norbert Hofer nahm seinen Parteifreund Kickl gegen die Kritik umgehend in Schutz: Hofer interpretiert die Aussage, wonach das Recht der Politik folgen müsse, dahin gehend, dass Gesetze im Parlament beschlossen werden. „Natürlich folgen Gesetze der Gesetzwerdung und die Gesetzwerdung geschieht im Parlament - und so ist das auch zu verstehen“, so Hofer. Ziel von Wahlen sei es schließlich, dass Persönlichkeiten in gesetzgebende Körperschaften einziehen, um Gesetze zu beschließen und zu ändern.

SPÖ: „Politik darf sich niemals über Rechtsstaat stellen“
Die Opposition zeigte sich am Mittwoch empört über Kickl. Der stellvertretende SPÖ-Klubchef Jörg Leichtfried betonte: „Der Rechtsstaat ist die tragende Säule unserer Demokratie. Die Politik darf sich niemals über den Rechtsstaat stellen.“ Kickl habe mit seiner Aussage einen „schweren Anschlag auf den Rechtsstaat Österreich“ ausgeübt, kritisierte Leichtfried und forderte Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) auf, „Kickl endlich aus der Regierung zu entfernen“.

Jetzt: „Welche Staatsform schwebt Kickl vor?“
Jetzt-Klubchef Bruno Rossmann erklärte: „Wenn der Innenminister das rechtsstaatliche Prinzip und damit einen wesentlichen Grundpfeiler unserer Demokratie infrage stellt, frage ich mich ernsthaft, welche Staatsform ihm für unser Land vorschwebt?“ Zwar finde sich die Abschaffung der Europäischen Menschenrechtskonvention bereits im FPÖ-Wahlprogramm von 2017, doch dass Kickl die „Chuzpe“ besitze, es in aller Öffentlichkeit kundzutun, sei eine „Missachtung der Demokratie der Sonderklasse“, so Rossmann.

Van der Bellen: „Aufkündigung des Grundkonsenses der Zweiten Republik“
Am Mittwochnachmittag äußerte sich auch Bundespräsident Alexander Van der Bellen in der Angelegenheit. Ohne Kickl namentlich zu nennen, verurteilte er ein „Rütteln“ an der EMRK scharf. „Das wäre eine Aufkündigung des Grundkonsenses der Zweiten Republik“, so Van der Bellen, der darauf verwies, dass die Menschenrechtskonvention seit 59 Jahren im Verfassungsrang steht (siehe Tweet oben).

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