Referendum am Sonntag
Mazedonien: Ein Land an der historischen Schwelle
Aus Mazedonien soll am Sonntag die Republik Nord-Mazedonien werden. Es wäre das Ende eines 20 Jahre alten Grenzstreits. Auch könnte eine Mitgliedschaft bei EU und NATO stehen.
Sie haben ihnen noch kein Denkmal gebaut. Dabei können das die Mazedonier gut. Allein am kleinen „Platz Makedonien“ in der Hauptstadt Skopje stehen rund um die Alexander-Statue - 13 Meter hoch, 35 Tonnen schwer, 9,4 Millionen Euro teuer - zehn weitere große Monumente historischer Mazedonier. Mit der Geschichte ist es hier so eine Sache.
Land steht vor historischer Schwelle
Außenminister Nikolai Dimitrow gab beim Besuch von Europaminister Gernot Blümel zu, dass man an einer „historischen Schwelle“ stehe. Am Sonntag stimmt die Bevölkerung über eine Zustimmung zur Namensänderung für einen möglichen EU- und NATO-Beitritt ab. So der offizielle Wortlaut beim Referendum. Aus der „Früheren jugoslawischen Republik Mazedonien“ soll die „Republik Nord-Mazedonien“ werden. Es könnte das Ende des zwei Jahrzehnte andauernden Streits mit Griechenland sein, das sich an der Namensgleichheit mit der eigenen Provinz stößt.
Mit einem positiven Referendum würde Griechenland sein Veto zurückziehen und für Mazedonien wäre der Weg frei. In die NATO und in die EU. „Es ist ein wichtiger Schritt, diese verschlossene Tür zu öffnen“, sagte Dimitrow. „Der Schlüssel dafür ist in den Händen der Bürger“, schloss er pathetisch.
Knackpunkt ist die Wahlbeteiligung
Insgesamt 1,8 Millionen Einwohner sind offiziell wahlberechtigt, eher sind es aber ein paar Hunderttausend weniger. Die letzte Volkszählung stammt aus dem Jahr 2002, viel hängt von der albanischen Minderheit ab, deren Volksvertreter in einer brüchigen Koalition mit den Sozialdemokraten von Zoran Zaev sind. „Das Referendum wird positiv ausgehen“, sagt Balkan-Expertin Vessela Tcherneva zur „Krone“. „Aber die Wahlbeteiligung wird die Fünzig-Prozent-Marke, die für eine Legitimtät erforderlich ist, nicht erreichen. Das erschwert dann die Ratifizierung im Parlament.“
Die Stimmung im Land ist Pro-EU und Pro-NATO. Minister Blümel sprach am Freitag mit Mitgliedern der oppositionellen VMRO-DPMNE, einer Schwesterpartei der ÖVP. „Auch wir wollen ein positives Ende des Referendums“, machte Blümel klar, was die europäischen Volksparteien sich erwarten, und bekräftigte nochmals die Unterstützung Österreichs - immerhin der größte wirtschaftliche Investor in Mazedonien.
Mutmaßlich dank russischer Hilfe, das kein weiteres NATO-Land am Balkan haben will, bleibt Skepsis. „Viele Mazedonier befürchten, dass die EU nach dem Namenswechsel ihr derzeit starkes Engagement zurückfährt“, sagt Cornelius Granig, Präsident der Österreichisch-Mazedonischen Gesellschaft. „Als negatives Beispiel dient die Ukraine, wo nach der blutigen Maidan-Revolution 2014 ein weitreichender und ambitionierter Wirtschaftsvertrag mit der EU abgeschlossen wurde. Dann ist nichts mehr passiert.“
Griechenland stellt Forderungen
Ein Hauptgrund der Proteste: das Nachgeben gegenüber Griechenland. Viele Bürger haben wenig Verständnis dafür, wie ihr Nachbarland so lange Mazedoniens Bemühungen um eine Annäherung an EU und NATO blockiert hat. Zudem fordert Griechenland die Umbenennung des Flughafens und der Hauptautobahn, die beide nach Alexander dem Großen benannt worden sind. Die Gegner punkten mit der Frage nach dem Wert der mazedonischen Identität.
Außenminister Dimitrow sagt dazu: „Wir wollen nächsten Juni unseren Brief nach Brüssel schicken. Geschichte ist wichtig, aber wir denken an morgen. An Ausbau von Infrastruktur und Gesundheitsversorgung, Bekämpfung der Korrpution und wirtschaftlichen Aufschwung. Nicht daran, wer die größeren Helden besitzt.“ Vielleicht wird man ihm dafür einmal ein Denkmal bauen.
„Österreich ist ein ehrlicher und starker Freund“
Die Wichtigkeit der „Unterstützungs-Besuche“ von EU-Minister Blümel am Westbalkan darf man nicht unterschätzen. Österreich ist einer der wichtigsten Wirtschaftspartner und Stabilität in der Nachbarschaft ist nicht nur Ziel der österreichischen EU-Ratspräsidentschaft, sondern eine Maxime der österreichischen Außenpolitik. Dhurata Hoxha, Amtskollegin Blümels im Kosovo, sagte: „Österreich ist ein ehrlicher und starker Freund.“ Blümel betonte noch einmal die Rolle der beiden Länder bei der Migrationskrise 2015: „Dafür sind wir dankbar.“
Wie sieht es aber mit dem serbisch-kosovarischen Dialog aus? Der angedachte Gebietstausch ist mehr Mysterium als echter Plan: „Aus meiner Sicht wäre das fast unmöglich umzusetzen. Man müsste Bevölkerungen verschieben, dem Ganzen einen völkerrechtlichen Rahmen geben“, sagt Vedran Dzihic vom Institut für Internationale Politik. Noch dazu gibt es für ein weiteres Gespräch keinen Termin zwischen den beiden Ländern. Österreich agiert hier als Vermittler. Beim Treffen mit Serbiens Präsident Aleksandar Vucic bedankte sich dieser für Österreichs Engagement bei der Lösung des Problems zwischen Kosovo und Serbien.
„Krone“-Lokalaugenschein von Clemens Zavarsky
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