Aufgebot überboten

Dresden: Massendemo gegen Neonazi-Aufmarsch

Ausland
14.02.2009 20:40
Mit Sternmärschen, Kundgebungen und Gedenkveranstaltungen haben tausende Menschen in Dresden den Jahrestag der Bombardierung der Stadt während des Zweiten Weltkrieges begangen und gegen Rechtsextremismus demonstriert. Rund 12.500 Menschen aus ganz Deutschland nahmen am Samstag an den Umzügen des überparteilichen Bündnisses "Geh Denken" teil und protestierten damit gegen einen Aufmarsch von etwa 5.000 Neonazis in der Stadt.

Gespenstisch ruhig zog sich der Zug der "Jungen Landsmannschaft Ostdeutschland" mit rund 5.000 Teilnehmern durch die Innenstadt, während die Teilnehmer des Bündnisses "Geh Denken" aus Parteien, Gewerkschaften und Kirche lautstark gegen die Vereinnahmung des Gedenktages durch Rechtsextreme protestierten. Das Bündnis hatte im Vorfeld vor "Europas größtem Neonaziaufmarsch" gewarnt. "Ja, wir trauern", sagte DGB-Chef Michael Sommer auf der Abschlusskundgebung vor der Semperoper. "Aber wir teilen unsere Trauer mit den Nazis nicht."

Seit Jahren versuchen Rechtsextreme die Zerstörung Dresdens durch englische und amerikanische Bomber als "Bomben-Holocaust" umzudeuten. Bei den Angriffen am 13. und 14. Februar 1945 waren schätzungsweise mehr als 25.000 Menschen ums Leben gekommen.

"Die braune Soße darf nie wieder eine Chance haben"
Für die Opfer hatte Dresdens Oberbürgermeisterin Helma Orosz (CDU) bereits in der Früh auf dem Altmarkt eine Gedenkinschrift enthüllt. Auf dem Platz waren nach den Angriffen mehr als 6.000 Tote verbrannt. Dabei versprach sie, mit aller Entschlossenheit gegen die Vereinnahmung von Rechts vorzugehen: "Die Neonazis setzen auf Rache, wir setzen unseren Willen zum Frieden dagegen." Dresden wehre sich dagegen, "das Andenken der Opfer zu besudeln".

Man dürfe nicht nur still gedenken, betonte der Ost-Beauftragte der deutschen Bundesregierung, Wolfgang Tiefensee (SPD). "Es gibt in vielen Städten Versuche, von Rechts Präsenz zu zeigen", sagte der frühere Dresdner Bürgermeister. "Sie versuchen, ihre geringen Kräfte zu zentralen Veranstaltungen zu konzentrieren." Dagegen gelte es, selbst auf die Straße zu gehen. Man dürfe nicht "hinter den Gardinen sitzenbleiben".

So zogen viele Dresdner und zahlreiche Demonstranten aus dem gesamten Bundesgebiet friedlich auf verschiedenen Routen an der barocken Kulisse der Dresdner Altstadt vorbei. Mit regenbogenfarbenen "Pace"-Fahnen, zertrümmerten Hakenkreuzen und weißen Rosen als Zeichen des stillen Widerstandes erinnerten sie an die Ereignisse im Februar 1945. "Wir trauern um alle Opfer des Krieges", sagte SPD-Chef Franz Müntefering zum Abschluss. Aber man müsse auch bedenken, warum die Stadt angegriffen worden sei. "Die braune Soße darf in Deutschland nie wieder eine Chance haben", betonte er.

Der Fraktionsvorsitzende der Linkspartei, Gregor Gysi, sprach sich erneut für ein Verbot der NPD aus. Es gebe in diesem Land zu viele Unbelehrbare, denen die Gesellschaft in allen Bereichen gegenübertreten müsse, sagte er. Grünen-Chefin Claudia Roth betonte, von Dresden gehe ein "ganz lautes Signal" in die Welt: "Wir geben die Straßen und Plätze nicht frei für Rechtsextremisten."

Einzelne Zusammenstöße zwischen Rechts und Links
Die Großdemonstration verlief laut Polizeiangaben friedlich. Jedoch kam es am Rande zu Auseinandersetzungen zwischen den Sicherheitskräften und etwa 2.500 Anhängern der linken Szene, die versucht hatten, zum Zug der rechten JLO vorzudringen. Dabei seien Polizisten und Einsatzfahrzeuge massiv mit Flaschen und Steinen angegriffen worden, hieß es. Nach Augenzeugenberichten wurden auch Mülltonnen angezündet. Ein Großaufgebot der Polizei aus dem gesamten Bundesgebiet hatte eine kilometerlange Kette aus Polizisten und Fahrzeugen gebildet, um die verschiedenen Demonstrationszüge voneinander zu trennen.

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