Lohnsteuerbelastung

So bringt uns die kalte Progression zum Frösteln

Wirtschaft
18.02.2017 08:12

Die kalte Progression gehört abgeschafft: Das würde über vier Millionen Beschäftigte, die Lohnsteuer zahlen, freuen. Das, was die Regierung im April beschließen wird, klingt auf den ersten Blick gut. 80 Prozent der Arbeitnehmer sollen künftig automatisch entlastet werden. Der Haken dabei: Vor 2021 werden wir das nicht spüren, weil das Gesetz erst 2019 in Kraft tritt.

Der Effekt sei noch einmal kurz erklärt: Mit jeder Gehaltserhöhung erhält man brutto mehr Lohn. Wenn jedoch die Steuerstufen gleich bleiben, zahlt man immer höhere Lohnsteuern. Ein Beispiel: Wenn jemand im Vorjahr 30.000 Euro brutto im Jahr verdiente, zahlte er davon 2528 Euro Lohnsteuer. Würde sein Lohn bis 2021 jeweils um die Inflationsrate angehoben, würde er nach aktueller Prognose 3227 Euro an Steuern berappen. Unterm Strich hat er dadurch Kaufkraft verloren.

Um das zu verhindern, müsste man die Steuerstufen ebenfalls um die Inflation anheben. "Andere Länder wie die Schweiz oder Schweden machen das bereits, dort gibt es keine kalte Progression mehr", erinnert Franz Schellhorn (Agenda Austria).

Das österreichische Modell ist anders: Erst wenn die kumulierte Inflation über mehrere Jahre fünf Prozent übersteigt, werden die Steuerstufen künftig automatisch angepasst. Auch das gilt fix nur für die zwei unteren Steuerstufen, also von null bis 18.000 Euro bzw. von 11.000 bis 18.000 Euro. Die folgende Grafik zeigt, wie die Tarifstufen bei einer Anpassung um fünf Prozent aussehen würden.

Wer mit seinem Einkommen in eine höhere Kategorie fällt, muss auf ein Zustimmen der Regierung warten, das war ein Wunsch der SPÖ. Schellhorn: "Es ist schon eigenartig, dass ausgerechnet die Arbeitnehmervertreter gegen die Abschaffung der kalten Progression waren, während der Finanzminister dafür war." Da unser Steuersystem "progressiv" ist, profitiert trotzdem jeder, wenn die zwei unteren Stufen angehoben werden. Laut Finanzministerium entlastet der Automatismus somit alle Steuerzahler um rund eine Milliarde Euro.

Staat nimmt durch kalte Progression mehr Geld ein
Doch bis 2021 wird der Staat aus dem Effekt der kalten Progression um fast vier Milliarden Euro mehr einnehmen. Das Argument, dass die letzte Steuerreform (sie trat Anfang 2016 in Kraft) noch bis 2019 "wirkt", steht auf schwachen Beinen. Denn sie sollte die negativen Effekte der vergangenen Jahre ausgleichen. "Ich verstehe nicht, warum die Regierung das Geld nicht gleich rausrückt", argumentiert Schellhorn, "denn man will immer die Kaufkraft der niedrigen Einkommen stärken, das wäre eine gute Gelegenheit."

So blicken wir neidvoll in die Schweiz, wo die Anpassung der Steuerstufen jährlich erfolgt. Und in Schweden werden sie nicht nur an die Inflation, sondern sogar darüber hinaus an die Entwicklung der Reallöhne angepasst.

Videos aus dem Archiv: Regierung präsentierte "größte Steuerreform"


Manfred Schumi, Kronen Zeitung

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