Situation verzwickt

Chance für dritte Piste am Flughafen Wien lebt auf

Wirtschaft
29.06.2017 16:50

Wäre man böse, könnte man sagen, dass ein simpler Rechenfehler des Bundesverwaltungsgerichts die endgültige Entscheidung über den Bau der dritten Piste am Flughafen Wien wieder zurück zum Start bringt. Doch tatsächlich ist die reine Rechtslage verzwickter. "Komplex", sagt der Präsident des Verfassungsgerichtshofs, Gerhart Holzinger, dazu. Denn sämtliche Klimaschutz- und Umwelt-Abkommen - von Kyoto über Paris bis zur niederösterreichischen Landesverfassung - gelten nicht für das Luftfahrtgesetz. Und nur dieses sei anzuwenden.

Schlicht und einfach verrechnet haben soll sich das Bundesverwaltungsgericht bei seiner - negativen - Entscheidung über den Bau der dritten Piste (siehe Grafik unten) haben?

Streng genommen ja! Denn anstelle der sogenannten LTO-Emissionen, die bei der Landung, ("Landing") und dem Abheben ("Take-off") entstehen, wurden die Schadstoffausstöße während des gesamten Fluges ("Cruise-Emissionen") herangezogen. Klartext: Es wurden die gesamten Ausstöße eines Fluges von Wien nach z.b. New York über die gesamte Flugstrecke (!) berechnet. Nur: Was gehen die den Flughafen Wien an? Eigentlich nichts. Genau so - natürlich nicht so salopp formuliert - sah es der Verfassungsgerichtshof.

Grobe Verkennung der Rechtslage
Und er schalt das Bundesverwaltungsgericht der "groben Verkennung der Rechtslage". Präsident Holzinger präzisierte dann: "Die Verkennung der Rechtslage ist dermaßen gehäuft, dass die Entscheidung mit Willkür belastet ist." Und das verletzt die Parteien im Recht auf Gleichheit vor dem Gesetz.

Dieses besagt nun Folgendes: Die "sonstigen öffentlichen Interessen", die z.B. dem Klimaschutz gegenüberstehen, müssen aus dem Luftfahrtgesetz abgeleitet werden können. Dieses regelt, ob ein Flugplatz eine Genehmigung erhält. Flugplätze fallen aber nicht unter das Emissionszertifikationsgesetz, das für Fluglinien sehr wohl relevant ist.

Österreich nicht alleine verantwortlich
Und weil sich Rechenfehler wie bei der Mathe-Schularbeit weiterziehen, saß das Bundesverwaltungsgericht laut VfGH dem falschen Schluss auf, sich auf internationale Umweltschutzabkommen zu berufen. Da drückten die Höchstrichter die Stopptaste: "Für das mögliche Nichterreichen von Klimaschutzzielen, etwa im Jahr 2025, kann Österreich nicht alleine verantwortlich gemacht werden!"

Damit fiel das Hauptargument des negativen Bescheides, der nun "möglichst rasch" repariert werden sollte. Holzinger: "Entweder durch ein Urteil auf Basis der Erkenntnisse des Verfassungsgerichtshofs oder durch neue Überprüfungen."

Apropos Überprüfungen: Die täten dem Luftfahrtgesetz an sich vielleicht auch nicht so schlecht. Denn es stammt vom Dezember 1957 und feiert heuer quasi das 60-Jahr-Jubiläum. Klima- oder Umweltschutzgedanken, z.B. für den Standort, kommen darin tatsächlich nicht vor ...

Ausgewählte Reaktionen auf die VfGH-Entscheidung:

Wolfram Proksch, Anwalt von vier Beschwerdeführern: "Das ist ein schwarzer Tag für den Umwelt- und Anrainerschutz-Gedanken, der leider auf einem völlig veralteten Gesetz basiert, wo Klimagründe noch gar nicht angeführt sind. Die letzte Entscheidung daraus stammt aus dem Jahr 1970! Wir werden die EU-Kommission damit befassen und auch den EGMR, den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg, anrufen. Das muss und wird in den nächsten sechs Monaten passieren."

Julian Jäger, Vorstand Flughafen Wien: "Uns ist Klimaschutz nach wie vor wichtig, daran ändert diese Entscheidung nichts. Und wir bleiben dabei. Wir haben durch verschiedene Maßnahmen die Emissionen um 30 Prozent senken können, aber die angesprochenen CO2-Werte sind schlicht und einfach nicht dem Flughafen zuordenbar." Flughafen-Chef Günther Ofner: "Wir brauchen aus Auslastungsgründen einen Parallelbetrieb zu den anderen Pisten." Beide hoffen, "dass es jetzt eine rasche Entscheidung gibt".

Michael Häupl, Bürgermeister von Wien: "Ich freue mich über diese Entscheidung. Sie bietet Wien und der ganzen Ostregion Österreichs auch in Zukunft Chancen und Entwicklungsmöglichkeiten. Denn gerade eine stark wachsende Stadt braucht modernste Infrastruktur - vor allem auch für den boomenden Tourismus. Alle Partner sind jetzt aufgefordert, verantwortungsvoll zu agieren."

Johanna Mikl-Leitner, Niederösterreichs Landeshauptfrau: "Das ist keine Entscheidung gegen den Klimaschutz, sondern eröffnet Chancen für den Arbeits- und Wirtschaftsstandort. Gerade für ein exportorientiertes Land wie Österreich ist es wichtig, international gut angebunden zu sein. Die dritte Piste ist ein Instrument, das Wachstum für unsere Region und zusätzlich Tausende Arbeitsplätze mit sich bringt."

Gabriela Gödel, Kronen Zeitung
Mitarbeit: Oliver Papacek

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