Vor 80 Jahren

Visionär feuerte erste “Postraketen” vom Schöckl ab

Wissenschaft
28.01.2011 14:10
In den 1930er-Jahren hat der Grazer Ingenieur Friedrich Schmiedl die weltweit ersten "Postraketen" vom rund 1.500 Meter hohen Schöckl abgefeuert. Damit sollte eine schnelle und unkomplizierte Postbeförderung in entlegene Gebiete ermöglichen werden. Am 2. Februar jährt sich dieses Ereignis zum 80. Mal.

Heute denkt man beim Begriff "Luftpost" an die Beförderung von Briefen per Flugzeug. Dem Grazer Visionär Friedrich Schmiedl erschien ein anderes Transportmittel geeigneter: die Rakete. Laut Angaben seines Grazer Biografen Karl Trobas soll er mehr als 3.000 Starts mit selbst konstruierten und gebauten Raketen durchgeführt und mehrere Hundert Postraketen abgefeuert haben.

Schmiedl war nicht der Einzige, der diese Idee hatte. Der Erste war der Wiener Chemiker Franz von Hoefft, der 1926 in der Zeitschrift "Die Rakete" erstmals diesen Vorschlag präsentierte, weiß Bruno Besser, Experte für Raumfahrtgeschichte am Institut für Weltraumforschung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Graz. "Schmiedl war allerdings der Erste, der es tatsächlich umgesetzt hat", so Besser.

Nach seiner Ausbildung zum Bauingenieur hat der im Jahr 1902 im oberösterreichischen Schwertberg (Bezirk Mauthausen) geborene Schmiedl in den 1920er-Jahren in Graz Vorlesungen in Chemie und Physik besucht und mit ersten "Fotoraketen" Starttests am Grazer Thalerhof unternommen. Damals dachte er daran, von einer Rakete aus Geländeaufnahmen zu machen. "Sein ursprünglichstes Interesse galt der Fernerkundung mittels Raketen, nicht jedoch für militärische Zwecke, sondern um meteorologische Fragen zu beantworten", schildert Besser.

Mitte der 1920er-Jahre wurde der Grazer Hausberg Schöckl zum bevorzugten Startplatz für Schmiedls Raketenversuche. Er unternahm Experimente mit einem Stratosphärenballon, an dem eine Rakete angebracht war, die erst in großer Höhe zünden sollte. Mit an Bord waren selbst entwickelte Geschwindigkeits-Messinstrumente.

Sendung kam mit 10.000 km/h vom Schöckl
Am 2. Februar 1931 war es schließlich so weit: Schmiedl zündete die erste Postrakete der Welt am Schöckl. Dabei wurden die Poststücke mit einer Geschwindigkeit von mehr als 10.000 km/h in Richtung der am Fuße des Berges liegenden Ortschaft St. Radegund geschossen. Die Rakete - wie unzählige folgende - landete schließlich aus einer Höhe von rund 2.500 Metern mit einem bunten Fallschirm, der die Wiederauffindung erleichtern sollte.

International Aufsehen erregt
Schmiedls Raketenstarts erregten damals internationales Aufsehen: "Selbst die 'New York Times' und chinesische Zeitungen berichteten darüber", weiß Otto Hochreiter, Direktor des Grazer Stadtmuseums, in einer schriftlichen Würdigung über Schmiedl. Die Flüge der Postraketen fanden allerdings niemals Anwendung im Alltagsleben, allein schon deshalb, weil ja die österreichische Post das Monopol zur Postzustellung hatte. "Heute würde man von Testflügen sprechen. Es waren Experimente mit dem Zweck, dass die Raketen eines Tages Post in entlegene Täler oder gar von Kontinent zu Kontinent transportieren würden", so der Grazer Raumforschungshistoriker Bruno Besser.

Die Raketenstarts nützte Schmiedl auch, um sich seine weitere Forschung zu finanzieren. Seinen Unterhalt verdiente er sich als Bauingenieur. "Um sich seine Leidenschaft, die Raketenforschung, zu finanzieren, verkaufte er die mitbeförderten Poststücke an Briefmarkensammler", schildert Besser. Schmiedl führte Hunderte von Raketentests durch und einige weitere erfolgreiche Posttransporte, konnte jedoch die österreichischen Behörden nicht von den Vorzügen seiner Entwicklung überzeugen.

In den Folgejahren entwickelte der Technik-Pionier unter anderem Spezialglas für die Raumfahrt oder Vorderantriebe für Schiffe. Die "American Interplanetary Society" ernannte ihm zum "Honorary Member", zum Ehrenmitglied. Mit den Nationalsozialisten wollte er sich nicht arrangieren: Er weigerte sich, seine Erkenntnisse dem Nazi-Regime zur Verfügung zu stellen, vernichtete seine Aufzeichnungen und meldete sich zum Heeresbauamt, um einer Dienstverpflichtung zum Bau von Raketenwaffen zu entgehen.

Stiftung unterstützt Ideen in der Weltraumforschung
Nach 1945 wollten die USA Schmiedl für die Weiterentwicklung der Weltraumforschung gewinnen. Doch er lehnte ab - und nahm seine Forschungen nie wieder auf. 1955 trat er in den steirischen Landesdienst ein. Im Jahr 1994 verstarb er kinderlos und hinterließ der Stadt Graz ein ansehnliches Vermögen, mit dem 1997 eine Stiftung eingerichtet wurde. Diese vergibt seither alle zwei Jahre Forschungspreise und -stipendien für "unkonventionelle und visionäre Ideen im Bereich der Weltraumforschung, Kommunikation und Information".

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