Houston in Wien

Whitneys skurrile Show vor dankbaren Fans

Wien
20.05.2010 14:23
War das wirklich Whitney Houston, die da auf der Bühne der Wiener Stadthalle stand? Diese Frage dürften sich zahlreiche Zuschauer gestellt haben, die am Mittwochabend die Show der Sängerin verfolgten. Denn die Künstlerin erinnerte optisch kaum an den Star vergangener Jahre. Und auch die jüngst von ihren Konzerten berichteten Sangesdesaster blieben in Wien - zum Glück - aus. Skurril war das Konzert trotzdem.

Durchaus mit Spannung verfolgte das Publikum in der bestuhlten, nicht ausverkauften Stadthalle das Konzert des ehemaligen Megastars. Nach angeblichen Stimmausfällen, Rülpsern und wirren Redeeinlagen bei zurückliegenden Konzerten waren die Besucher auf das Schlimmste gefasst. Doch das kam nicht. Die 46-Jährige stolperte zwar mehrmals (im ersten Song sogar buchstäblich und später über technische Probleme), aber sie fiel nicht.

Houston begann die Show mit zwei Stücken vom aktuellen Album "I Look To You" und ließ sich von einer für einen R&B- bzw. Soul-Act ungewöhnlich lärmenden Band begleiten. Dass die drei Backgroundsängerinnen stark in den Vordergrund gemischt waren (und streckenweise das Ruder übernahmen), war bezeichnend für den Abend. Der Star, der gerade wegen seiner hohen, glockenklaren Stimme 170 Millionen Tonträger verkauft hat, schaffte es nicht mehr, in wirklich hohe Tonlagen vorzudringen. Wann immer die Stimme nach oben gehen sollte (etwa im Refrain von "I Will Always Love You"), setzte die 46-Jährige aus, und die Damen von der Band "liehen" ihr - kaum bemerkbar - die Stimme. Whitney kann zwar immer noch singen, und das gar nicht so schlecht, aber der Glanz vergangener Tage ist dahin.

Mitunter war es wie bei einem Hörbuch
Die phasenweise deutlich sichtbar erschöpfte Houston hatte zwischendurch immer wieder Gelegenheiten, um sich zu erholen: Unzählige "I Love You Too"-Ausrufe in Richtung des teilweise fanatisch kreischenden Publikums, viele lange Ansagen und mehrere Umkleidepause - gefüllt mit belanglosen Darbietungen der Nebendarsteller (also der Band und der überflüssigen, weil nichts zum Gesamtkonzept beitragenden Tänzer) verkürzten die ohnehin nicht gerade üppige Spielzeit. Mitunter hatte man das Gefühl, dass man der Aufnahme eines Hörbuchs beiwohnte: Wenn Houston etwa mitten in einem Song eine ausschweifende Lobesrede über Michael Jackson hielt. Manchmal jedoch konnte die Sängerin durchaus mit Selbstironie punkten, wenn sie etwa über ihre für jedermann sichtbaren Schweißausbrüche referierte.

Die Songs selbst waren weder schlechter noch besser als früher. Im Vergleich zu wandlungsfähigen Konkurrentinnen wie Christina Aguilera wirkt Houstons Musik extrem bieder. Wie auch ihre Platten nicht zeitlos geblieben sind, ist die Tournee über weite Strecken eine Revue gealterter Sounds.

Oldieparty mit "I Wanna Dance With Somebody"
Das Dilemma liegt im Material: Ein nicht enden wollender Standard-Gospel, gebettet zwischen "I Will Always Love You", ist nun mal - wenn auch von den Fans als solcher gefeiert - kein Höhepunkt. Mit einem uninspirierten, runtergeholzten "I Wanna Dance With Somebody" war man dann endgültig in einer Oldieparty angelangt.

Das Publikum feierte seinen Star am Ende trotzdem mit stehenden Ovationen. Doch ließ sich der Verdacht nicht abschütteln, dass das weniger an einer mitreißenden Vorstellung lag, sondern vielmehr daran, dass die Erwartungen nach den Skandalberichten aus England und Deutschland derart niedrig geschraubt waren, dass selbst ein solider, wenig spektakulärer Auftritt für Begeisterungsstürme ausreichte.

Support Daniel Benjamin als Lichtblick
Was kreatives Songwriting, Spontaneität und eine geschulte Stimme ausmachen können, hatten die Whitney-Fans immerhin im Vorprogramm zu sehen bekommen. Denn da spielte Daniel Benjamin, ein junger Singer/Songwriter aus Deutschland. Zwar nur eine halbe Stunde lang und auch mit schlecht abgemischtem Sound. Doch der Minimalist zeigte, dass Weniger manchmal wirklich mehr sein kann. Aber eben nur dann, wenn nicht bereits alles Talent aufgebraucht ist.

von Tobias Pusch und APA
Fotos: Andreas Graf

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