Asylstreit

Wie Griechenland jetzt EU und Österreich erpresst

Ausland
19.02.2016 15:04

Die EU steht vor einer weiteren Zerreißprobe: Großbritanniens Premier David Cameron fordert Reformen und Sonderregeln für einen EU-Verbleib seines Landes. Griechenland will nun seine Zustimmung zu einem möglichen Deal mit den Briten von Zusicherungen in der Flüchtlingskrise abhängig machen. Regierungschef Alexis Tsipras fordert die "einstimmige Entscheidung", dass bis zum nächsten Gipfel Anfang März kein Staat einseitig seine Grenzen schließt. Österreich müsse etwa seine Asyl-Obergrenzen aussetzen. Für Bundeskanzler Werner Faymann kommt das nicht infrage.

"Wenn das nicht geschieht, wird die griechische Regierung dem Reformpaket mit Großbritannien nicht zustimmen", hieß es am Freitag aus Regierungskreisen aus Athen. Mit dem Deal soll bekanntlich ein Verbleib Großbritanniens in der EU bei einem vermutlich im Juni stattfindenden Referendum gesichert werden.

EU-Parlamentspräsident Martin Schulz kritisierte die griechische Blockadedrohung: "Ich bin nicht dafür, dass man Grenzen schließt, aber man sollte auch die Frage des Kindergelds in Großbritannien nicht mit der Flüchtlingskrise im Mittelmeer verbinden. Das halte ich nicht für besonders zielführend", sagte Schulz am Freitagabend in Brüssel.

Bundeskanzler Werner Faymann schloss ein Scheitern des EU-Gipfels nicht aus. Die Verteilung von Flüchtlingen sei sehr unterschiedlich, auch bei den Aufnahmezentren fehle vieles. "Es ist noch dringender Bedarf an besserer Koordination", sagte Faymann. Eine Abkehr von den österreichischen Asyl-Obergrenzen schloss er definitiv aus.

Viele Staaten drohen Athen mit Grenzschließung
Athen steht in der EU seit Monaten unter Druck, weil über das Land Hunderttausende Flüchtlinge ungehindert die Balkan-Route Richtung Norden nehmen konnten. Die vier osteuropäischen Visegrad-Staaten Polen, Ungarn, Tschechien und die Slowakei sowie auch Österreich haben Athen inzwischen angedroht, die Grenze des Nicht-EU-Landes Mazedonien zu Griechenland dicht zu machen, sollte es nicht bald Fortschritte geben.

Merkel: "Deutschland wird Grenzen nicht schließen"
Bundeskanzlerin Angela Merkel sicherte Tsipras beim Gipfel zu, dass Deutschland seine Grenzen bis zum 6. März nicht schließen werde. "Wir verlangen von den anderen Mitgliedsstaaten dasselbe."

Am Freitagvormittag hieß es, dass Serbien die Grenze zu Mazedonien gesperrt habe. Das wurde wenig später seitens der Exekutive wieder dementiert. Bereits am Donnerstag hatten die Spitzenpolizisten Österreichs, Sloweniens, Kroatiens, Serbiens und Mazedoniens vereinbart, dass die Flüchtlinge künftig für alle Staaten an der mazedonischen Grenze kontrolliert und registriert werden sollen.

Österreich: Tages-Obergrenze für Flüchtlinge in Kraft
Österreich setzte zudem - die "Krone" berichtete  - eine Tages-Obergrenze für Flüchtlinge in Kraft. Seit Freitagfrüh werden an Österreichs Südgrenze nur noch maximal 80 Asylwerber pro Tag akzeptiert, teilte die Polizei mit. Bis zu 3200 weitere Flüchtlinge dürfen Richtung Deutschland weiterreisen. "Wenn Österreich seine Grenzen dicht macht, wird es einen Dominoeffekt Richtung Griechenland geben", sagte ein Regierungsvertreter in Athen. Die EU-Kommission teilte am Donnerstag jedoch mit, dass die Obergrenzen Österreichs gegen EU-Recht verstößen würden.

Slowakei erwägt Zaunbau an Grenze zu Österreich
Wegen des österreichischen Grenzmanagements befürchtet die Slowakei, zum Zielland für Flüchtlinge zu werden. Ministerpräsident Robert Fico erwägt daher einen Grenzzaun an der österreichischen Grenze, wie er am Rande des EU-Gipfels sagte. "Wenn einige Länder so wie Österreich einseitig Maßnahmen treffen, könnte das zur Folge haben, dass wir unter einen riesigen Migrationsdruck geraten. Deshalb müssen wir ebenfalls einseitige Maßnahmen treffen", so der Ministerpräsident.

Mehrere Länder gegen britische Wünsche
Im Poker mit London wiederum äußerten mehrere EU-Länder ihre Vorbehalte gegen die britischen Wünsche. Die Osteuropäer wollen die von Großbritannien geplante Kappung von Sozialleistungen begrenzen. Frankreich und Belgien wehren sich gegen Londons Wünsche nach einem stärkeren Mitspracherecht bei Entscheidungen der Euro-Länder und Ausnahmen von der europäischen Bankenaufsicht.

Kompromiss zeichnet sich ab
Die Verhandlungen zogen sich am Freitag in die Länge, jedoch sei am Abend ein Vertragsentwurf "auf den Weg gebracht" worden, schrieb Tschechiens Premier Bohuslav Sobotka auf Twitter. Maltas Premierminister Joseph Muscat teilte ebenfalls auf Twitter mit, dass er von einem "guten Kompromiss" ausgehe - auch wenn "Überraschungen in letzter Minute" nicht ausgeschlossen werden könnten.

Auf einen Verbleib Großbritanniens in der EU hoffte auch Frankreichs Präsident Francois Hollande: "Ich mache jedenfalls das, was nötig ist, damit wir das Vereinigte Königreich in Europa halten, aber unter der Bedingung, dass Europa voranschreiten kann", sagte Hollande am Rande des EU-Gipfels. Einen Sonderstatus für den Finanzplatz London lehnte er ab. Zudem könne London kein Vetorecht für Entscheidungen in der Eurozone haben, der Großbritannien nicht angehört.

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