Bei minus 25 Grad

Stmk: Tourengeher aus Wien im letzten Augenblick gerettet

Österreich
05.02.2012 11:28
Minus 25 Grad, 60 km/h Windgeschwindigkeit: Bei diesen Horror-Wetterverhältnissen, die jedes ungeschützte Hautfleckchen in Sekunden gefrieren lassen, gerieten am Samstagabend zwei Wiener auf dem Schönhaltereck in der Steiermark in Bergnot. Beim Einsatz bestand für 24 Bergretter und zwei Alpinpolizisten Lebensgefahr. Zehn Helfer erlitten Erfrierungen, vier sind im Spital. Einem Tourengeher waren die Augen zugefroren, als man ihn fand. Er und sein Freund wurden wegen fahrlässiger Gemeingefährdung angezeigt.

"Hot route" wird eine besonders lange Tour über mehrere Gipfel bezeichnet. Eine solche Tour unternahmen am Samstag der erfahrene Wiener Alpinist Hubert Rieger (38), der bereits im Himalaya geklettert war, und sein Freund Markus Seidl (39). Und das ausgerechnet am Höhepunkt der sibirischen Kältewelle, die Österreich schon seit Tagen zu einem Eiskasten macht.

"Kurz nach 20 Uhr sind sie am Schönhaltereck unterhalb des Gipfels in dichten Nebel geraten", berichtet Johann Püreschitz von der Alpinpolizei, "sie haben einen Notruf abgesetzt, der nach Niederösterreich gegangen ist und uns erst dann erreicht hat." Zwei Kollegen sowie 24 Mann der Bergrettung Neuberg rückten aus. Ortsstellenleiter Bernhard Ulm: "Wir sind 1.000 Höhenmeter aufgestiegen. Was uns oben am Berg erwartet hat, war der reinste Horror."

Ab der Waldgrenze war jeder in Lebensgefahr
"Im Wald hatte es minus 15 Grad, aber noch haben uns die Bäume geschützt", sagt Alpinpolizist Gerhard Riegelthalner, der von seinem Kollegen Jochen Podbressnik begleitet wurde: "Aber nach der Waldgrenze waren wir dem Wetter ausgeliefert. Es hatte minus 25 Grad bei einer Windgeschwindigkeit von 60 km/h. Wir hatten Neopren-Masken auf und mussten jeden Millimeter Haut schützen. Denn die würde bei dem Wetter sofort gefrieren."

Um 0.30 Uhr – die Einsatzmannschaft befand sich unter dem 1.860 Meter hohen Gipfel – wäre die Suchaktion um ein Haar abgebrochen worden. Den Helfern peitschte der Schnee in die Augen, viele sahen nur noch verschwommen. Plötzlich der Aufschrei eines Bergrettungsmannes: "Da vorne ist ein Licht, da sind sie!"

Alpinisten suchten in einem Schneeloch Schutz
Unter Einsatz ihres Lebens stießen sechs Bergrettungsmänner zu den in Not geratenen Alpinisten vor. Ihre Kameraden mussten umdrehen, weil sie im Sturm Funkgeräte und Handschuhe verloren hatten. "Die Wiener haben in einem kleinen Schneeloch Schutz gesucht", schildert Gerhard Riegelthalner, "einem ist es ganz schlecht gegangen".

Während Hubert Rieger ins Tal abfahren konnte, musste Markus Seidl von zwei Bergrettern eine Stunde lang über 300 Höhenmeter zum Akja geleitet werden. Bergretter Gerhard Holzer: "Die Augen waren zugefroren, der Mann hat nichts mehr gesehen."

Auch zehn Bergretter kamen ins Spital, fünf erwischte es besonders schwer: Paul B. musste in der Augenklinik behandelt werden. Max H., Helmut M. und René R. erlitten Erfrierungen an den Zehen und Fingern. So auch Andi G.: Der Wind hatte seine Tourenski verweht. Der quälende Abstieg dauerte drei Stunden.

"Hätten wahrscheinlich nicht überlebt"
Dennoch dürfte der Einsatz für alle Beteiligten glimpflich ausgehen: Vier der Bergretter, die bei der dramatischen Rettung Erfrierungen erlitten hatten, konnten am Montag bereits in häusliche Pflege entlassen werden. Die beiden Tourengeher befanden sich noch in Mürzzuschlag und Bruck/Mur in stationärer Behandlung - sie hatten Erfrierungen zweiten und dritten Grades an den Extremitäten bzw. im Gesicht erlitten -, dürften aber in den kommenden Tagen die Krankenhäuser verlassen können, so Bernhard Ulm, Ortsstellenleiter des Bergrettungsdienstes Neuberg.

Die beiden Tourengeher hätten die Bedingungen einfach unterschätzt, erklärte Johann Püreschitz von der Alpinpolizei. Immer wieder komme es vor, dass sich auch erfahrene Berggeher keine Gedanken machten und davon ausgingen, dass sie im Notfall ohnehin gerettet würden. In diesem Fall war es jedenfalls äußerst knapp: "Wenn wir abgebrochen hätten, hätten sie wahrscheinlich nicht überlebt."

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