Strasser, der am Mittwoch ebenso vor dem U-Ausschus aussagen musste (siehe Story in der Infobox), hatte 2003 die Errichtung eines neuen, digitalen Polizeifunksystems nach einem bereits erfolgten Zuschlag an das Konsortium Mastertalk (Projekt Adonis) wegen angeblicher technischer Mängel noch einmal ausgeschrieben. Zum Zug kam dann das Konsortium Tetron rund um Motorola, Alcatel und den Lieferanten Telekom Austria.
Obwohl laut Innenministerium Mastertalk nicht ordnungsgemäß lieferte, wurden dem Konsortium von der Republik fast 30 Millionen Euro Schadenersatz gezahlt. Im Raum steht der Verdacht von Geldflüssen. Bei der Neuvergabe des Projekts soll es nämlich zu Zahlungen von bis zu 4,4 Millionen Euro an den Lobbyisten Alfons Mensdorff-Pouilly gekommen sein. Mensdorff weist - ebenso wie Strasser - jegliche Korruptionsvorwürfe zurück.
"Ein unmöglich aufgesetztes Projekt"
Tengg sparte am Mittwoch nicht mit klaren Worten: "Es war ein Projekt, das so unmöglich aufgesetzt war, wie ich noch nie von so etwas gehört habe. Die Auftragserteilung erfolgte in einem vierzeiligen Brief, der Auftrag selber aber umfasste zwei Meter Ordner. Der Vertrag war dadurch gekennzeichnet, dass vieles nicht geregelt war."
Als Beispiel nannte Tengg die Suche nach Funkstandorten. Das Innenministerium hatte keine Funkstandorte genannt, als diese Nennung von Mastertalk urgiert wurde, nannte das Ministerium beispielsweise Grenzstationen - obwohl dem Innenministerium diese Standorte gar nicht mehr gehörten, sondern der Bundesimmobiliengesellschaft. Tengg sprach von "Dummheit und Unfähigkeit".
Für Staunen sorgte Tengg, als er erzählte, dass Strasser schlicht das Geld für das Blaulicht-Projekt gefehlt habe. Strasser hätte sich nur 22 Millionen Euro aus dem Budget gesichert, gekostet hätte Adonis laut Vertrag aber 72 Millionen Euro jährlich. Tengg rechnete vor: Ein Funkgerät sollte 1.000 Euro kosten, 22.000 Stück hätte das Innenministerium gebraucht, das wären 22 Millionen Euro an Ausgaben gewesen. Die weiteren 50.000 Geräte und das Geld dafür sollten von anderen Blaulichtorganisationen und dem Bundesheer kommen. Diese waren aber nicht an Bord bei Adonis, wodurch Strasser nun 50 Millionen Euro jährlich fehlten.
Grasser: "Strasser kriegt von mir keinen Cent"
Als dies offensichtlich wurde, habe das Kabinett Strasser mit "Abmagerungsgesprächen" begonnen. "Von da an wurde es immer schwieriger", so Tengg. Er habe daraufhin auch mit dem damaligen Finanzminister Karl-Heinz Grasser über eine Budget-Erhöhung für Strasser gesprochen, dieser hätte jedoch gemeint: "Was, der (Strasser, Anm.)? Der kriegt von mir keinen Cent."
Irgendwann, als alle Versuche gescheitert sind, aus dieser Situation herauszukommen, hat Tengg nach Eigenangaben dem damaligen Siemens-Chef Alfred Hochleitner - Siemens war mit Raiffeisen Teil des Mastertalk-Konsortiums - gesagt: "Wir dürfen nichts mehr investieren, weil die zahlen nicht mehr." Daraufhin habe es ein Treffen von Hochleiter, dem damaligen Raiffeisen-Chef Christian Konrad und Strasser gegeben. Hier sei endgültig klar geworden, dass sich Strasser zu wenig Budgetmittel gesichert habe, so Tengg. Deshalb sei die wechselseitige Kündigung im Juni 2003 erfolgt.
Ministerium weist Vorwürfe zurück
Das Innenministerium hat die Tenggs Aussagen am Mittwochabend zurückgewiesen. Die Vertragsauflösung sei notwendig gewesen, weil sich herausgestellt habe, "dass Mastertalk die technische Umsetzung nicht bewältigen konnte". Die für "abnahmebereit" erklärte erste Ausbaustufe sei nicht annähernd einsatztauglich gewesen, so das Ministerium in einer Aussendung.
Ebenso habe sich deutlich abgezeichnet, dass eine weitere Umsetzung aus wirtschaftlichen Gründen nicht möglich gewesen wäre: Es sei zu einer Verdreifachung der Kosten innerhalb eines Jahres ab Zuschlagserteilung gekommen. Darüber hinaus sei Mastertalk im ersten Jahr der Umsetzung mit den Planungsarbeiten im Schnitt mehrere Monate im Verzug gewesen.
Hinzugekommen sei die Abkehr der anderen Blaulichtorganisationen vom Projekt. "Eine schnelle Vertragsauflösung war daher im Interesse der Sicherheit und aus budgetären Gründen notwendig", erklärte das Innenministerium.
Blaulichtfunk erst in drei Bundesländern
Derzeit ist der digitale Blaulichtfunk für Polizei, Rettung und andere Einsatzkräfte erst in Wien, Niederösterreich und Tirol aktiv. In der Steiermark ist das System im Aufbau. Das Innenministerium ging zuletzt von einem flächendeckenden Ausbau bis zum Jahr 2018 aus. Strasser verteidigte am Mittwoch vor dem U-Ausschuss den Blaulichtfunk - dass er nur in drei Bundesländern in Betrieb ist, sei nicht die Schuld des Bundes. "Mein Grundprinzip war immer, der Bund ist nicht der Finanzier der Länder", meinte Strasser.
Der frühere Generaldirektor für die öffentliche Sicherheit, Erik Buxbaum, hingegen sagte am Mittwoch vor dem Ausschuss, das Behördenfunknetz würde schon im Vollausbau laufen, wenn der Bund die Vorfinanzierung übernommen und die Länder erst danach an Bord geholt hätte. "Retrospektiv wäre es klüger gewesen, das selber zu finanzieren und die Länder dann ins Boot zu holen. Dann wäre das ganze vermutlich jetzt schon fertig." Aber im Nachhinein sei man natürlich immer klüger.
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