Leiharbeit bei Amazon

Trenkwalder nach ARD-Doku im Visier von Ministerium

Wirtschaft
18.02.2013 17:02
Nach einer ARD-Dokumentation über die katastrophalen Arbeitsbedingungen an Amazon-Standorten in Deutschland hat das dortige Arbeitsministerium die deutsche Tochter der Leiharbeitsfirma Trenkwalder, die ihren Hauptsitz in Niederösterreich hat, im Visier. Die Sonderprüfung, die bereits vergangenen Donnerstag eingeleitet wurde, betreffe Trenkwalder, bestätigte eine Sprecherin von Ministerin Ursula von der Leyen am Montagnachmittag.

Von der Leyen hatte in der "Welt am Sonntag" Aufklärung über die Arbeitsbedingungen beim Internet-Versandhändler Amazon gefordert. "Der Verdacht wiegt schwer, deswegen müssen jetzt so schnell wie möglich alle Fakten auf den Tisch", hatte sie in der Zeitung gemeint und der betroffenen Leiharbeitsfirma sogar mit Lizenzentzug gedroht. "Sollte die Sonderprüfung ergeben, dass an den Vorwürfen etwas dran ist, dann steht die Lizenz auf dem Spiel."

Am Montag bestätigte das deutsche Arbeitsministerium, dass von der Leyen damit Trenkwalder gemeint hatte. Was es genau bedeuten würde, wenn Trenkwalder in Deutschland die Lizenz verliert, ließ die Sprecherin offen. Es gelte, was die Ministerin gesagt habe. Die Sonderprüfung wird von der Bundesagentur für Arbeit durchgeführt, Ergebnisse werden noch diese Woche erwartet. Es werde nur eine Firma, also Trenkwalder, geprüft, so das Arbeitsministerium.

Trenkwalder: "Kein Kommentar"
Die in Niederösterreich beheimatete Personalleasing-Firma, die für Amazon Leiharbeiter organisiert hat, wollte sich zu den Vorwürfen bislang nicht selbst äußern. Auf Anfrage hieß es auch am Montag von der Firma wieder, "dass wir zum jetzigen Zeitpunkt zu dem Thema ARD-Reportage über Amazon keinen Kommentar abgeben".

Die am vergangenen Mittwoch ausgestrahlte Sendung "Ausgeliefert - Leiharbeiter bei Amazon" hatte die Lebens- und Arbeitsbedingungen von Leiharbeitern am hessischen Amazon-Standort Bad Hersfeld gezeigt. Für das Weihnachtsgeschäft wurden demnach Leiharbeiter aus dem Ausland in Deutschland in überbelegten Ferienhäusern untergebracht und mussten teils mehrere Stunden warten, bevor sie in Bussen von ihrer Arbeitsstätte zurück in die Unterkunft gekarrt wurden. Sie hätten auch nicht den versprochenen Lohn erhalten, die Sozialbeiträge für die Beschäftigten seien nicht korrekt abgeführt worden.

Amazon kündigt umstrittenem Sicherheitsdienst
Zudem berichteten die Autoren des ARD-Beitrags, die ausländischen Arbeitnehmer seien von dem Sicherheitsdienst Hensel European Security Services (H.E.S.S.) auf Schritt und Tritt kontrolliert worden. Die Firma, die in ihrer Abkürzung den gleichen Namen wie Hitler-Stellvertreter Rudolf Hess trägt, soll demnach Kontakte in die Neonazi-Szene haben. H.E.S.S. erklärte in einer Stellungnahme, es sei ein politisch und weltanschaulich neutrales Unternehmen und weise Verbindungen zum Rechtsextremismus zurück (siehe Infobox).

Dennoch zog Amazon Konsequenzen und kündigte die Zusammenarbeit mit dem umstrittenen Sicherheitsdienst auf. "Amazon hat veranlasst, dass die Zusammenarbeit mit dem kritisierten Sicherheitsdienst mit sofortiger Wirkung beendet wird", erklärte eine Amazon-Sprecherin am Montag und bestätigte damit einen Bericht von Süddeutsche.de.

Betrieb, der Arbeiter unterbrachte, ebenfalls gekündigt
"Als verantwortungsvoller Arbeitgeber von rund 8.000 festangestellten Logistikmitarbeitern hat Amazon eine Null-Toleranz-Grenze für Diskriminierung und Einschüchterung - und wir erwarten das Gleiche von allen Unternehmen, mit denen wir arbeiten." Weitere Fragen zu den Arbeitsbedingungen beantwortete Amazon zunächst nicht.

Neben dem Sicherheitsdienst hat Amazon mittlerweile auch dem mit der Unterbringung der Arbeiter beauftragten Unternehmen gekündigt. "Es ist uns eindeutig nicht gelungen, die Einhaltung unserer hohen Standards auch durch den Dienstleister, der für Unterbringung, Transport und den Einsatz der Sicherheitskräfte verantwortlich war, zu gewährleisten", teilte Amazon am Montagabend mit.

Facebook-Nutzer rufen zu Kaufboykott auf
Indes haben Tauende Facebook-Mitglieder zu einem Kaufboykott bei Amazon aufgerufen. "Stellt eure Mitarbeiter unter fairen Bedingungen ein, und ich bestelle auch wieder was!", forderte ein Facebook-User etwa. Andere Nutzer des sozialen Netzwerks löschten aus Protest gleich ihr Amazon-Konto. Die Facebook-Seite "AmazonNeinDanke" hatte am Montagnachmittag bereits an die 2.500 Unterstützer. Auch die deutsche Gewerkschaft Verdi versucht Druck auf Amazon Deutschland auszuüben. Eine Petition von Verdi Hessen mit dem Titel "Amazon Deutschland: Verbessern Sie die Arbeitsbedingungen Ihrer Leiharbeiter" haben auf der Internetseite change.org bereits 19.000 Personen unterschrieben.

Amazon will Vorfällen nachgehen
Amazon selbst hatte in der "Welt am Sonntag" angekündigt, jedem bekannt gewordenen Vorfall nachzugehen und nach Bedarf für Verbesserungen zu sorgen. Nach Angaben des Versandhändlers verdienen alle Mitarbeiter, die länger als ein Jahr in den Amazon-Logistikzentren in Deutschland arbeiten, mehr als zehn Euro brutto in der Stunde, jene im ersten Jahr mehr als 9,30 Euro brutto.

Die in dem Fernsehbeitrag erwähnten Mitarbeiter aus Spanien, die über Trenkwalder beschäftigt wurden, verdienten nach diesen Angaben bei einer 37,5-Stunden-Woche 1.400 Euro brutto im Monat, in der Nachtschicht bei 32,5 Wochenstunden 1.500 Euro im Monat. Diese Beträge seien auch dann bezahlt worden, wenn von Amazon nicht die volle vertragliche Stundenzahl angefordert wurde, so Amazon.

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