100 Hinweise geprüft

Nachbarn getötet: Polizei gründet “Soko Friedrich”

Österreich
04.11.2017 15:53

Die Landespolizeidirektion Steiermark hat nach den tödlichen Schüssen in Stiwoll am Samstag die "Sonderkommission Friedrich", benannt nach dem Verdächtigen, zusammengestellt. Der mutmaßliche Doppelmörder "ist nach wie vor flüchtig", sagte Landespolizeidirektor Gerald Ortner. Bisher waren bis zu 400 Beamte im Einsatz, es wurde rund 100 Hinweisen nachgegangen, doch der 66-Jährige blieb verschollen. "Wir suchen einen bewaffneten Straftäter, nicht einen Vermissten", so Bundeskriminalamts-Direktor Franz Lang.

In der "Soko Friedrich", die unter der Leitung von Rene Kornberger vom Landeskriminalamt Steiermark steht, arbeiten unter anderem das Bundeskriminalamt (BK) sowie die Direktion für Spezialeinheiten und der Landesverfassungsdienst mit.

Ab sofort "Ermittlungsfahndung"
Laut Landespolizeidirektor Gerald Ortner werden "eine örtliche, überörtliche sowie österreichische und internationale Fahndung" beibehalten, jedoch werde die Strategie nun Lang zufolge "von einer Geländefahndung in eine Ermittlungsfahndung übergeführt".

In Stiwoll im Bezirk Graz-Umgebung wird die Polizei künftig nur nach "laufenden Lagebeurteilungen" präsent sein, "damit wieder Normalität einkehren kann", sagte Ortner. Gefährdete Personen bekommen aber weiterhin Schutz, wurde betont.

Einsatz "komplizierter" als andere
Lang beschrieb die schwierige Suche nach einem bewaffneten Straftäter im Gelände. Es sei zu befürchten, dass der Verdächtige, wenn er einen Polizisten sieht, "sofort von der Waffe Gebrauch machen" werde. Zudem mussten die Beamten mit schwerer Ausrüstung mehrere Hundert Höhenmeter innerhalb kürzester Zeit und bei ständiger Gefahr bewältigen. Die Umstände hätten den Einsatz "komplizierter" als andere gemacht, so Lang.

Auch Profiler am Werk
Zusätzlich zu den Streifen- und Suchtätigkeiten der Polizei werden auch Profiler die Persönlichkeit des Täters noch genauer untersuchen: "Sie werden versuchen, sein Verhalten abzuschätzen und seine Fluchtstrategie zu finden", fasste Lang die Aufgaben zusammen. Die Profiler schauen sich das Leben des Mannes, seine Kontakte und bisherigen Reisebewegungen genau an. Überprüft werden auch seine elektronischen Geräte und eine Vielzahl an Daten. Die Bevölkerung wurde gebeten, weiterhin mit Hinweisen zu unterstützen.

Derzeit werde davon ausgegangen, dass er Personen, die ihn nicht aktiv suchen, nicht gefährden dürfte. Das würde seiner momentanen Strategie - nämlich unbehelligt aus der Gegend herauszukommen - entgegenstehen. Der BK-Chef betonte, dass es in der heutigen Zeit für Flüchtende immer schwieriger bis beinahe unmöglich werde, unterzutauchen. Dafür sorge ein enges nationales und internationales Netzwerk - unter anderem mit Interpol und Technik "auf der Höhe der Zeit".

Tathergang rekonstruiert
Rene Kornberger, Leiter der Sonderkommission, erklärte, dass die Untersuchung des Tathergangs weitgehend abgeschlossen sei. Das Treffen zwischen den drei Töchtern des Verdächtigen und den drei Nachbarn hätte offenbar schon am vergangenen Samstag stattfinden sollen. Der 66-Jährige war an diesem Tag nicht zu Hause. Als er am Abend nach Hause kam, habe er sich erkundigt, wie die Aussprache mit den Nachbarn verlaufen ist. Da habe er erfahren, dass diese sich auf Sonntag verschoben hatte. Während der am Sonntag stattfindenden Besprechung zwischen den Töchtern und den Nachbarn, die sich im Freien abspielte, fielen dann - wie berichtet - gegen 9.45 Uhr die Schüsse.

Ehefrau kooperativ
Die Ehefrau habe sich kooperativ gezeigt und den Beamten bei der Suche geholfen. Zu ihr soll der Verdächtige sehr guten Kontakt gehabt haben - im Gegensatz zu seinen Töchtern, auf die das Anwesen der Familie bereits überschrieben sei. Entgegen kolportierten Meldungen ist der 66-Jährige nicht entmündigt.

Kornberger zufolge habe Friedrich F. Erfahrung mit mehreren Tagen am Stück in der Natur, denn er gilt als Hobby-Filmer und machte Tieraufnahmen im Wald. Er wisse daher, wie er längere Zeit im Freien überleben kann. Meldungen über Einbrüche, bei denen er sich möglicherweise Vorräte geholt haben könnte, liegen bisher nicht vor.

Keine Ausweisdokumente bei sich
Der Soko-Leiter erklärte weiter, dass der Mann für seine Flucht weder seinen Reisepass noch Führerschein oder größere Mengen an Bargeld dabei haben dürfte. Sein Pass, den er vor längerer Zeit neu beantragt hatte, liege noch immer bei der Bezirkshauptmannschaft zur Abholung bereit. Sein Führerschein wurde sichergestellt. Es gibt laut den Ermittlern keine Hinweise für eine länger vorbereitete Flucht, dennoch sei das nicht auszuschließen. Den Profilern zufolge liege anhand seiner Persönlichkeit in den ersten Tagen auf der Flucht eine eher geringe Suizidwahrscheinlichkeit vor: "Aber eine Flucht mit Gewehr verändert einen", sagte Lang.

Sichtung nahe Volksschule?
Erst am Freitag hatte es in Thal bei Graz eine große Suchaktion gegeben. Zeugen wollten den 66-Jährigen nahe der örtlichen Volksschule gesichtet haben. Bisher habe man mehr als 100 Hinweise "abgearbeitet", gab die Polizei am Samstag bekannt. "Wir suchen einen bewaffneten Straftäter, nicht einen Vermissten", stellte die Exekutive klar.

Letztes Geleit
Am Samstagnachmittag fand die Bestattung eines der Opfer (64) des mutmaßlichen Todesschützen am Friedhof von Stiwoll statt. Das zweite Opfer, eine 55-jährige Frau, soll am Dienstag beerdigt werden.

Jener Polizist, der sich am 1. November bei der Spurensuche am Tatort schwer verletzt hatte, befindet sich laut Ortner nach der Operation auf dem Weg der Besserung. Der Beamte war durch eine mit Heu bedeckte Luke gefallen und hatte sich dabei ein Bein gebrochen.

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