Waise und Waffennarr

Das verkorkste Leben des Massenmörders von Florida

Ausland
15.02.2018 10:59

"Es ist Valentinstag und ich habe keine Lust, an einem Valentinstag in die Schule zu gehen", hatte Nicolas de Jesus Cruz Mittwochfrüh zu seinem wohl einzigen Freund gesagt, bei dem er seit dem Tod seiner Adoptivmutter Lynda vor einigen Wochen Unterschlupf gefunden hatte. Dass er trotzdem wild entschlossen war, an diesem Tag zur Stoneman Douglas High School in Florida zu gehen, wo er das drittgrößte Schulmassaker in der Geschichte der USA anrichtete, verriet er nicht.

Der 19 Jahre alte Bursche stammt aus New York und wurde als Kind zusammen mit seinem kleinen Bruder Zachary von dem Ehepaar Lynda und Ross Cruz aus Florida adoptiert. Hier, wo fast immer die Sonne scheint und seine neuen Eltern in einer wohlhabenden Gegend wohnten, sollte er glücklich aufwachsen können. Dennoch galt er als verschlossen und kontaktarm, in seiner Schule nannte man ihn nur das "troubled kid", das Kind mit Problemen.

Erschwerend wirkte nun, dass im vergangenen November seine Adoptivmutter Lynda im Alter von 68 Jahren starb und Nicolas zur Vollwaise wurde. Sein Adoptivvater Ross Cruz war schon vor zehn Jahren gestorben.

Tiere misshandelt, Schüler gemobbt
Nicolas eckte immer wieder an: Mal schlug er ohne Grund das Fenster seines Klassenraums ein, mal wurde gegen ihn ermittelt, weil er eine Mitschülerin gemobbt haben soll. Als er dann auch noch begeistert davon erzählte, er habe Ratten, Frösche und andere Kleintiere mit seinen eigenen Waffen abgeknallt und ein gutes Gefühl dabei gehabt, wandten sich auch die wenigen Freunde, die er hatte, von ihm ab.

Die Schule erteilte ihm damals einen Verweis und verbot ihm, in Zukunft das Gelände mit einem Rucksack zu betreten. Daran hielt er sich zwar, brachte dann aber in seiner Aktentasche Gewehrkugeln und Messer mit in den Unterricht, wie Mitschüler berichteten. Daraufhin wurde er von der Schule verwiesen, kam aber an einer anderen Bildungseinrichtung unter.

Schulkollegen trauten ihm Massaker zu
Obwohl Nicolas weg war, hatten seine ehemaligen Klassenkameraden noch immer Angst vor ihm, wie sie dem TV-Sender WFOR-TV sagten: "Bei einer Diskussion zum Thema Schulmassaker in den USA haben einige tatsächlich gesagt, dass sie sich vorstellen könnten, dass Nicolas zu einem Blutbad fähig wäre." Das notwendige Wissen über Waffen hatte er noch dazu, denn er hatte an der Schule einen Vorbereitungskurs fürs Militär absolviert.

Auf seiner Instagram-Seite - die inzwischen offline ist - zeigte er sich immer wieder mit Waffen, an einer Stelle tauchte sogar der bei islamistischen Terroristen gängige Kampfruf "Allahu akbar" auf. Allerdings machte die Polizei gleich klar, dass sie nicht von einem terroristischen Hintergrund ausgeht.

Helen Pasciolla, die jahrelang in der Nachbarschaft der Familie Cruz lebte, erinnert sich an ein Gespräch mit Lynda: "Sie berichtete, dass der Bursche Probleme hat, in Behandlung ist und Medikamente bekommt." Außerdem soll sich die Adoptivmutter an die Polizei gewandt und die Beamten angefleht haben, doch einmal mit ihrem Sohn zu reden. "Mir war klar, dass er Verhaltensstörungen hatte, aber dass er gewalttätig werden könnte, hatte ich nie für möglich gehalten."

"Er war doch ein guter Bursche"
In dem "Dollar Tree"-Gemischtwarengeschäft, wo er zuletzt als Aushilfskraft an der Kasse arbeitete, zeigte man sich ebenfalls geschockt: "Alle mochten ihn hier. Er war doch ein guter Bursche."

Naheverhältnis zu Rassistenvereinigung
Wie mittlerweile bekannt wurde, soll Cruz der Rassistenvereinigung und Miliz Republic of Florida (ROF) nahegestanden haben. Laut einem Sprecher der Gruppierung habe er an Trainings teilgenommen und mit anderen Mitgliedern gemeinsame Autofahrten organisiert. Ob Cruz selbst ROF-Mitglied war, verriet der Sprecher nicht. Die ROF-Miliz bezeichnet sich als "bewaffnete Kräfte der Übergangsregierung der Republik von Florida" und als weiße Bürgerrechtsbewegung. Die Rassisten kämpfen für einen rein weißen Bundesstaat ohne andere Ethnien, der kein Teil der USA sein soll.

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