
Ein Unfall, eine plötzliche Erkrankung niemand rechnet damit, jedoch kann plötzlich und unerwartet davon jeder betroffen sein. Was geschieht, wenn man selbst nicht mehr entscheidungsfähig ist und gerade einen Hausbau plant bzw. umsetzt oder sonstige Vermögensangelegenheiten anstehen? Doris Braun, Vizepräsidentin der Stmk. Rechtsanwaltskammer, erklärt, warum rechtzeitige Vorsorge ein Akt von Verantwortung und Weitsicht, insbesondere auch ein Akt der Selbstbestimmung ist.
Frau Braun, viele Menschen verdrängen das Thema Vorsorgevollmacht, weil sie es mit Krankheit oder Alter verbinden. Warum sollte man sich dennoch frühzeitig damit befassen?
Braun: Weil diese uns die Möglichkeit gibt, rechtzeitig selbst zu bestimmen, wer im Ernstfall für den Betroffenen Entscheidungen in einzelnen Angelegenheiten oder selbst definierten Arten von Angelegenheiten treffen darf und zwar so, wie es der Verfüger selbst gewollt hätte.
Eine Vorsorgevollmacht regelt nicht nur die Möglichkeit zur Entscheidung für den Betroffenen in medizinischen Fragen, sondern auch ganz praktische Angelegenheiten, wie die Verwaltung des gesamten Immobilienbesitzes bis zum An- und Verkauf von Liegenschaften. Durch die eigene Verfügung wird Sicherheit für nahestehende Personen geschaffen.
Vizepräsidentin der Stmk. Rechtsanwaltskammer
In welchen Situationen ist eine Vorsorgevollmacht besonders hilfreich?
Braun: Es gibt viele Lebenslagen, in denen sie entscheidend sein kann. Wird jemand durch ein gesundheitliches Problem pflegebedürftig und geschäftsunfähig, kann die vorsorgebevollmächtigte Person entsprechende Verträge mit den Pflegekräften schließen und alle damit zusammenhängenden Zahlungen tätigen. Die bevollmächtigte Person entscheidet auch, welche medizinischen Behandlungen für den Betroffenen durchgeführt werden und welche nicht. Dies im Rahmen des vorab Verfügten.
Auch für alle anderen Folgen einer plötzlichen Erkrankung, die zur Geschäftsunfähigkeit führen, kann eine Vollmacht erteilt werden. Dazu gehören zum Beispiel Gespräche mit dem Arbeitgeber über den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses oder die Klärung, ob der Betroffene sich eine eventuell mit Kredit erworbene Immobilie noch leisten kann. Besonders selbstständig erwerbstätige Personen sollten vorsorgen. Eine Vorsorgevollmacht kann auch den Fortbestand eines Unternehmens sichern.
Wie unterscheidet sich eine Vorsorgevollmacht vom Testament?
Braun: Die Vorsorgevollmacht gilt zu Lebzeiten, das Testament regelt den Nachlass. Wenn man sich mit diesem Thema beschäftigt, macht es aber Sinn, sich mit beiden Fragen auseinanderzusetzen. Die weitverbreitete Meinung, dass man ein Testament erst im höheren Alter braucht, ist nämlich aus meiner Sicht falsch. Kommt es bei einer Jungfamilie, die beispielshaft gerade eine Immobilie gekauft hat, zu einem unerwarteten Todesfall, erbt, wenn es kein Testament gibt, der Ehepartner 1/3 und die Kinder 2/3; der Lebensgefährte erbt hingegen gar nichts und die Kinder alles.
Auch was ein Unglücksfall bedeutet, wenn dann kleine Kinder Mehrheits- oder Alleineigentümer einer kreditbelasteten Immobilie werden, sehen wir leider oft in unserem Berufsalltag.
Wie wird eine Vorsorgevollmacht errichtet?
Braun: Sie kann unter anderem von einer Rechtsanwältin oder einem Rechtsanwalt errichtet werden. Selbst kann man eine solche nicht verfassen. Die Vollmacht wird von der Rechtsanwältin oder dem Rechtsanwalt anschließend im Österreichischen Zentralen Vertretungsverzeichnis (ÖZVV) registriert. Die Vorsorgevollmacht kann jederzeit widerrufen werden. Rechtswirksam wird sie jedoch erst, wenn die Entscheidungsunfähigkeit des Betroffenen ärztlich bestätigt ist. Erst danach kann die bevollmächtigte Person im Namen des Vollmachtgebers handeln. Tritt die Entscheidungsfähigkeit wieder ein, tritt die Vorsorgevollmacht wieder außer Kraft. Die Vollmacht selbst bleibt bestehen.
Ihr Rat für Personen, die sich mit diesem Thema schwertun?
Braun: Vorsorge ist kein Zeichen von Angst, sondern von Weitsicht. Sie bedeutet, Verantwortung für sich selbst und jene zu übernehmen, die einem wichtig sind. Eine Vorsorgevollmacht und ein Testament schaffen Klarheit sowie Rechtssicherheit und führen im Leben zu einer gewissen Gelassenheit. Oder, um es schlicht zu sagen: Wer vorsorgt, bestimmt seine Zukunft bzw. die zukünftige Ausrichtung von Vermögenswerten oder von sonstigen bestimmbaren Angelegenheiten innerhalb des vorgegebenen Rahmens mit.