Mindestsicherung

Bundesländer lehnen sich gegen ÖVP-FPÖ-Pläne auf

Österreich
23.11.2017 14:11

Seit vier Wochen verhandeln ÖVP und FPÖ, vor allem bei zwei heiklen Themen formiert sich jetzt immer mehr Widerstand: Mehrere Bundesländer wollen die geplanten radikalen Einschnitte bei der Mindestsicherung sowie mögliche Zusammenlegungen der Sozialversicherungen nicht einfach so hinnehmen. So beharrt zum Beispiel Wien auf die Sozialhilfe.

Lange war die Kritik an diversen Plänen der möglichen türkis-blauen Koalition verhalten, nun protestieren die Landeshauptleute aber offen. Den Anfang macht Vorarlberg mit Markus Wallner (ÖVP), der im Namen der Länderchefs für die Beibehaltung der Gebietskrankenkassen und gegen die Übernahme der Landesspitäler durch den Bund kämpft: "Das ist eine rote Linie. Bei einer Reform der Sozialversicherungsträger muss die Finanz- und Planungssicherheit für die Bundesländer erhalten bleiben. In die Tasche greifen lassen wir uns sicher nicht!"

Bei der geplanten Mindestsicherung, bei der Asylberechtigte nur noch 520 Euro im Monat bekommen sollen und Familien auf maximal 1500 Euro gedeckelt werden, gibt es ebenso Widerstand - vor allem aus Wien, wo der eigenständige Beschluss für einen heftigen Streit im Landtag sorgte.

"Keine Bitte, sondern klare Aufforderung"
Die Landeshauptleute fordern den Bund auf, sich an Vereinbarungen - etwa bei der Kostenerstattung für die Abschaffung des Pflegeregresses - zu halten. Die Länder arbeiten gerade an der Kostenaufstellung und fordern vollen Ersatz: "Das ist keine Bitte, sondern eine klare Aufforderung", sagte Wallner. Geld wollen die Länder endlich auch für ein zweites verpflichtendes Kindergartenjahr, zudem fordern sie generell eine bessere Kompetenzaufteilung mit dem Bund.

Information zur Grafik oben:Bei den türkis-blauen Plänen, die Sozialversicherungen zusammenzulegen, spielen die jüngst von der EU und OECD erhobenen Ausgaben im Gesundheitswesen eine gewichtige Rolle. Österreich liegt dabei mit 3808 Euro pro Kopf an sechster Stelle in der EU und rund 1000 Euro über dem Durchschnitt. Kritik gibt es vor allem an unserer teuren Krankenhaus-Versorgung. Österreich habe die zweithöchste Rate an stationären Aufenthalten in der EU. Würde man mehr Eingriffe ambulant durchführen und das Angebot an niedergelassenen Ärzten stärken, könne man deutliche Einsparungen erzielen. Viel Geld gehe bei uns auch durch ineffiziente und komplexe Strukturen verloren.

Wien: "Ausspielen der Ärmsten gegen die Armen"
Zurück nach Wien, wo sich die FPÖ gemeinsam mit der ÖVP am Donnerstag ganz klar gegen die Stadtregierung stellte: Für Sozialstadträtin Sandra Frauenberger (SPÖ) sind Kürzungen bei der Mindestsicherung ein "Ausspielen der Ärmsten gegen die Armen". Auch eine Deckelung werde es mit der SPÖ weiterhin nicht geben. Die grüne Sozialsprecherin Birgit Hebein durfte eine Frage an Sandra Frauenberger stellen - wenn auch keine besonders kritische: Was würde passieren, wenn Türkis-Blau im Bund alle Kürzungspläne umsetzt? Die Antwort ist hinlänglich bekannt - und die Kosten sind es auch: Alleine heuer wird die Sozialhilfe 693 Millionen Euro verschlingen.

Wiener Modell für Opposition nicht akzeptabel
Das neue Wiener Modell ist für die Opposition nicht akzeptabel. Es schlossen sich FPÖ und ÖVP - wieder einmal - zu einer blau-schwarzen Kurzzeit-Koalition zusammen und verhinderten mit einem Trick das Zustandekommen des neuen Gesetzes - gemeinsam boykottierten sie die zweite Lesung. Wenn auch nicht für sehr lange: Der Landtag wird bei einem rasch einberufenen Termin am Freitag das Gesetz mit rot-grüner Mehrheit dann doch beschließen. Die Stimmung nach dem FPÖVP-Schachzug war Donnerstag doch eher mau: "Viele wollten wohl schon ins verlängerte Wochenende gehen, doch daraus wird jetzt nichts", sagte ein Abgeordneter zur "Krone". Die Mindestsicherung wird also zum großen Zankapfel zwischen Bund und Land.

Michael Pichler, Michael Pommer, Kronen Zeitung

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