Lewis allmächtig?

Formel-1-Start: Mercedes und das Hamilton-Dilemma

Sport
22.03.2017 10:05

Als WM-Favorit und mit so viel Macht wie nie zuvor startet Lewis Hamilton in seine elfte Saison in der Formel 1. Sein Rennstall Mercedes steht vor dem schwierigen Spagat, das Dasein für ihn so angenehm wie möglich gestalten zu müssen, gleichzeitig aber nicht die Philosophie zu verraten, die das Team über alles stellt. Das turbulente Finale 2016 in Abu Dhabi ist noch nicht vergessen.

Eigentlich könnte Lewis Hamilton ja zufrieden sein mit seiner Situation. Nico Rosberg, der Intimfeind im eigenen Team, der ihm im vergangenen Jahr den WM-Titel abspenstig machte, ist nicht mehr da, bei Mercedes ist er die klare Nummer eins. Er hat mehr Rennen gewonnen (53), mehr Pole Positions (61) und WM-Punkte (2.247) herausgefahren als jeder andere aktive Pilot im Feld. Er geht als glasklarer Favorit der Buchmacher in die neue Saison, die am Sonntag in Melbourne beginnt.

"Wenn es nicht gut läuft, tendiert er dazu, Gefühlen freien Lauf zu lassen"
Doch offenbar ist nicht alles eitel Wonne. Hamiltons angebliches Unbehagen bei Mercedes ist in englischen Medien seit Wochen Thema. Der Rennstall könnte den dreifachen Weltmeister verlieren, wurde zuletzt Damon Hill von mehreren Zeitungen zitiert. "Wenn es nicht gut läuft für Lewis, tendiert er dazu, seinen Gefühlen freien Lauf zu lassen", sagte sein englischer Landsmann und Ex-Champion. Dass Hamilton von sich aus alles hinschmeißt, sei ein mögliches Szenario.

Mindestens einmal war es beinahe schon so weit. Nach dem Crash mit Rosberg beim Spanien-Grand-Prix im Mai 2016 soll Hamilton mehr als nur mit seinem Rücktritt kokettiert haben. Der erbitterte Zweikampf hat nicht nur den Deutschen aufgerieben, sondern auch viel mit dem Briten gemacht. Hamilton fühlte sich oft zu Unrecht gemaßregelt, nicht richtig anerkannt - trotz der Präsenz seines Mentors Niki Lauda. Dass Toto Wolff zu Rosberg den besseren Draht hatte, ist ein offenes Geheimnis.

Eklat in Abu Dhabi
Der ultimative Vorfall im vergangenen Jahr war die Reaktion der Mercedes-Bosse auf sein Bummeln in Abu Dhabi. Hamilton verringerte als Führender entgegen den Kommandos aus der Box das Tempo, um Überholmanöver gegen den hinter ihm fahrenden Rosberg zu provozieren. Wäre Rosberg im letzten Rennen nur Vierter geworden, hätte Hamilton noch den Titel holen können. Wolff sprach nachher von Anarchie und drohte mit Sanktionen, sogar eine vorzeitige Trennung stand im Raum.

"Wir sind ein Konzern, der nach Integritäts- und Compliance-Standards arbeitet. Es gab eine Instruktion, und diese Instruktion wurde nicht befolgt", erklärte der Wiener. Dass beim Rennen im Emirat noch niemand von Rosbergs geplanten Rücktritt wusste, erschwerte die Problematik zusätzlich.

"Wir hätten es uns viel leichter machen können im letzten Rennen. Statt blöd dazustehen, machen wir lieber gar nichts", sagte Wolff. "Damit löst du das Abu-Dhabi-Problem, aber wenn wir im nächsten Jahr wieder losstarten mit dem Nico und dem Lewis, wird sofort dieser Fall auf den Tisch kommen. Da ist der Nico der erste, der dann sagt: Was bedeutet das für unsere Philosophie?"

Fahrer müssen zurückstecken
Philosophie ist ein zentrales Wort für den Auftritt von Mercedes in der Formel 1. Es gibt ein Set von Regeln und Werten, die in schriftlicher Form vorliegen und auf die alle eingeschworen werden. Demnach steht das Team über einzelnen Siegen oder Meisterschaften. Den Fahrern werden zwar keine Stallorder auferlegt, wer aber gegen den größtmöglichen Erfolg des Teams handelt, leichtfertig einen Sieg aufs Spiel setzt, hat mit Konsequenzen zu rechnen.

"Diese Rekorde, die wir geschlagen haben, mit 19 Rennsiegen, sind nur dadurch zustande gekommen, weil die Fahrer immer wieder Eigeninteressen zurückgesteckt haben", betonte Wolff, der nach Abu Dhabi aber zurückruderte und wieder einmal das klärende Gespräch mit Hamilton suchen musste. Denn mit dem Rosberg-Abschied änderte sich das Blatt fundamental.

Hamilton ist nun intern so mächtig wie nie zuvor, und Mercedes von seinen Kapriolen und seinem Egoismus abhängig, wenn man den vierten Titel in vier Jahren einfahren will. Valtteri Bottas, der nicht ohne Hamiltons Segen engagiert wurde, ist seinem Teamkollegen noch nicht ebenbürtig. Das könnte dazu führen, so spekulieren britische Insider, dass Hamilton mehr Freiheiten für sich reklamieren wird, womit weitere Belastungsproben programmiert wären.

Prinzipiell kann sich der 32-Jährige laut eigener Aussage mit einem plötzlichen Rücktritt nach dem Rosberg-Muster anfreunden. "Ich kenne nicht alle Gründe, warum Nico zurückgetreten ist, aber ich kann das Gefühl nachvollziehen, Schluss machen und etwas anderes tun zu wollen", sagte Hamilton im Februar. Die Frage ist, was Mercedes dann machen würde? Sein aktueller Vertrag läuft noch bis 2018.

VIP-Status erhöht seine Machtposition
Tatsache ist, dass der mit Models und Musikstars befreundete Hamilton einige alternative Ideen hat und wohl als einziger der aktiven Szene von einem globalen VIP-Status zehren könnte. Wie zum Beweis zierte sein Kopf im Dezember das Cover des "Time Magazine".

Gerade dieser Status erhöht seine Machtposition noch ein Stück mehr. Denn Hamilton ist die komprimierte Verkörperung dessen, wohin die neuen Formel-1-Eigentümer Liberty Media den Sport an sich führen wollen. Er ist schnell, attraktiv für ein jüngeres Publikum, bespielt die Sozialen Medien wie kein zweiter und ist sogar in den USA bekannt. Auch Liberty Media hat also ein Interesse daran, dass sich Lewis Hamilton wohlfühlt in seiner Haut.

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(Bild: KMM)



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