Beckenbauer im Fokus

WM-Affäre: Keine Beweise für deutschen Stimmenkauf

Sport
04.03.2016 16:49

Die Kernfrage um die Fußball-WM 2006 bleibt ungeklärt. Die Wirtschaftsexperten der Kanzlei Freshfields haben bei ihren Untersuchungen zum WM-Zuschlag an Deutschland keine Anhaltspunkte für einen Stimmenkauf durch den deutschen Verband (DFB) finden können. Auszuschließen sei Bestechung im Vergabeverfahren aber nicht, sagte Christian Duve von Freshfields am Freitag in Frankfurt.

Belegt seien Diskussionen im DFB-Führungszirkel, dass im Februar 2000, also sechs Monate vor der Wahl, nur drei der vier erhofften Stimmen der FIFA-Wahlmänner aus Asien als sicher galten. Acht Wahlmänner aus Europa und vier aus Asien hätten dem DFB die nötige Mehrheit von 12:11 Stimmen beschert.

Neue Fragen werfen diesbezüglich die Untersuchungen zur Rolle des damaligen Bewerbungschefs Franz Beckenbauer auf. So sollen Anfang des Jahrtausends - nach dem Zuschlag für Deutschland - Millionenzahlungen über ein Konto Beckenbauers an das Schweizer Anwaltsbüro Gabriel & Müller geflossen sein. Bei den Juristen gingen auch die dubiosen 10 Millionen Schweizer Franken (6,7 Millionen Euro) ein, die der Franzose Robert Louis-Dreyfus dem DFB geliehen hatte.

Bin Hammam und Blatter im Fokus
Von Gabriel & Müller soll der gleiche Betrag an das Konto einer Gesellschaft in Katar geflossen sein, deren einziger Gesellschafter der mittlerweile lebenslang gesperrte Ex-FIFA-Funktionär Mohamed bin Hammam war. Dieser bestreitet laut Freshfields aber, das Geld bekommen zu haben.

Bin Hammam steht unter Verdacht, die finanziellen Zuwendungen an asiatische WM-Wahlmänner des Fußball-Weltverbandes weitergereicht zu haben. Andere ebenso nicht bewiesene Vermutungen besagen, dass das Geld für den Präsidentschaftswahlkampf von FIFA-Boss Joseph Blatter im betreffenden Jahr 2002 verwendet worden sein könnte. Dies wird von den Beschuldigten bestritten.

Beckenbauer nimmt auch aufgrund eines unterschriebenen Vertrags mit dem skandalumwitterten Ex-FIFA-Vizepräsidenten Jack Warner aus Trinidad und Tobago wenige Tage vor der WM-Vergabe eine zentrale Rolle in der Untersuchung ein. Der Vertrag beinhalte "auch ungewöhnliche Leistungen", sagte Duve.

Nicht ersichtlich sei, ob das DFB-Präsidium dem Schriftstück zugestimmt habe. Teilweise seien Leistungen erfüllt worden. So wurden Fahnen und Tickets für den Verband aus der Karibik gedruckt. Warner reiste auf deutsche Verbandskosten nach Deutschland. Diese Leistungen hätten einen "nicht unerheblichen Wert" gehabt, meinte Duve.

Niersbach-Rücktritt im November
Der DFB hatte durch den Skandal um das viel zitierte Sommermärchen großen Schaden genommen, Präsident Wolfgang Niersbach trat im November zurück. Im Kern geht es um eine dubiose Zahlung von umgerechnet 6,7 Millionen Euro, die das WM-Organisationskomitee nach eigenen Angaben über den früheren Adidas-Chef Louis-Dreyfus an die FIFA leistete.

Der Franzose hatte dem DFB 2002 das Geld vorgestreckt, drei Jahre später landete die Summe von einem FIFA-Konto wieder bei ihm. Freshfields kam zur Erkenntnis, dass die Zahlung von den WM-Organisatoren - namentlich den damaligen OK-Mitgliedern Theo Zwanziger und Horst R. Schmidt - bewusst verschleiert wurde.

Der Betrag wurde als Zuschuss für die geplante WM-Gala deklariert. Vom FIFA-Konto floss die Summe dann auf ein Konto von Louis-Dreyfus weiter. Als die WM-Gala im Jänner 2006 abgesagt wurde, habe es vom DFB keine Rückzahlungsforderung gegeben.

Partiell entlastet wird Niersbach, dem laut Freshfields keine Kenntnis der Vorgänge vor 2015 nachzuweisen sind. Die Kanzlei befragte insgesamt 31 Beteiligte. "Wir konnten nicht alle Personen sprechen, die wir sprechen wollten", sagte Duve. So habe sich etwa Blatter mit Rücksicht auf sein aktuelles Ethik-Verfahren nicht äußern wollen. Darüber hinaus seien nicht alle Akten verfügbar gewesen.

FIFA: "Geschädigte Partei"
Die FIFA sieht sich jedenfalls auch nach den Ermittlungsergebnissen als "geschädigte Partei". Die Erkenntnisse der internen Aufarbeitung des DFB sollen in die laufenden Untersuchungen der Korruptionsaffären einfließen, wie der Weltverband mitteilte. Die FIFA begrüßte den Report. Der DFB hätte dafür Informationen erhalten und im Gegenzug hilfreiche Erkenntnisse weitergeleitet. "Dennoch sind noch viele Fragen offen", stellte die FIFA fest.

Die Untersuchung des Skandals kostet den DFB mehr als eine Million Euro. "Das ist natürlich viel Geld, aber die Untersuchung hat auch deshalb ihren Wert, weil es nicht nur um das Ansehen des DFB geht, sondern auch um das Ansehen unserer Mitglieder", erklärte der designierte DFB-Präsident Reinhard Grindel. Zudem gehe es auch "um das Verhältnis zu unseren Sponsoren".

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(Bild: KMM)



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