"Siegesrausch"

Kiew sucht Entscheidung auf dem Schlachtfeld

Ausland
06.07.2014 16:35
Die ukrainische Armee meldete am Wochenende Erfolge im Kampf gegen die prorussischen Separatisten. Präsident Petro Poroschenko bezeichnete die Rückeroberung mehrerer Orte im Osten des Landes als "Beginn der Wende". Sie sei zwar "kein totaler Sieg", besitze aber "überragende Symbolkraft" im Kampf um die territoriale Einheit der früheren Sowjetrepublik. Der politische Friedensplan scheint nicht mehr aktuell. Im Schatten des Konflikts spielt sich eine Flüchtlingstragödie ab.

Nach verlustreichen Gefechten ist es ein Moment, auf den die ukrainische Armee lange gewartet hat: Soldaten hissen über der zurückeroberten Separatistenhochburg Slawjansk die Staatsflagge. Erschöpft aber stolz posieren Angehörige der Nationalgarde auf dem Flachdach des von Einschüssen übersäten Rathauses. "Ein Moment für die Ewigkeit, wie die rote Fahne 1945 auf dem Reichstag", jubeln regierungsnahe Medien in Kiew. In einer eilig aufgezeichneten Rede an die Nation spricht Präsident Poroschenko vom "Wendepunkt" im Kampf gegen prorussische Aufständische.

Poroschenko: "Kampf gegen Terroristen geht weiter"
Poroschenko wirkt wie im Siegesrausch. Völlig vergessen scheint eine Vereinbarung, die der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier bei einem Krisentreffen in Berlin auf den Weg gebracht hat. Dabei war vor wenigen Tagen abgesprochen worden, dass die Führung in Kiew und die Aufständischen am Verhandlungstisch einen Ausweg suchen - und nicht auf dem Schlachtfeld. Doch für Poroschenko besitzt die Initiative offenbar keine Priorität. "Die Säuberung Slawjansks von den Unmenschen hat überragende symbolische Bedeutung", sagt er mit triumphierendem Unterton. Der Kampf gegen "Terroristen" gehe weiter.

Russland drängt weiter auf Waffenruhe
Aus Moskau folgt prompt scharfe Kritik. Die Führung in Kiew müsse eine politische Lösung suchen, fordert Außenminister Sergej Lawrow. Es sei "zutiefst beunruhigend", dass die jüngst vom ukrainischen Außenminister Pawel Klimkin angekündigten Verhandlungen mit den Separatisten noch nicht stattgefunden hätten. Die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa sei weiter zur Vermittlung solcher Gespräche bereit, sagte Lawrow am Sonntag. Bei dem Telefonat war auch Frankreichs Außenminister Laurent Fabius zugeschaltet.

Politologe: "Putin wird Niederlage nicht hinnehmen"
Bei den bisherigen Gesprächen zwischen Separatisten und Regierungsvertretern in der Ukraine saß stets ein russischer Diplomat mit am Tisch. Jetzt sind die Verhandlungen ausgesetzt - und Moskau ist außen vor. "Präsident Wladimir Putin wird eine Niederlage der Separatisten nicht einfach so hinnehmen", meint der ukrainische Politologe Wladimir Fessenko. Putin habe stets betont, russische Bürger in der Ukraine zu schützen - notfalls mit dem Militär.

Zehntausende in der Ostukraine auf der Flucht
Im Schatten dieses größten Ost-West-Konflikts seit dem Kalten Krieg spielt sich fast unbemerkt eine Flüchtlingstragödie ab. Seit Wochen befinden sich Zehntausende auf der Flucht aus dem umkämpften Donbass-Gebiet. Viele von ihnen finden in anderen Regionen des Landes Unterschlupf. "Zahlreiche Kinder sind etwa in Ferienlagern in der Südukraine untergekommen", berichten Medien in Kiew. Die Regierung habe Notfalltelefone eingerichtet und schalte Spots im Fernsehen. Viel laufe auch über private Initiativen. Aber Alte und Kranke bleiben oft in der Kampfzone zurück.

Ein Großteil der leidgeprüften Bevölkerung flieht ins benachbarte Russland, oft zu Verwandten. Während Behörden in Moskau von mehr als 100.000 Menschen sprechen, schätzen internationale Organisationen die Zahl auf gut die Hälfte. Nach Angaben des Flüchtlingshilfswerks UNHCR sind derzeit etwa 10.000 von ihnen offiziell als Flüchtlinge registriert.

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