Kranke Kinder

Familienleben zwischen Spital, Tränen und Infekten

Oberösterreich
30.12.2025 08:00

Herzerkrankungen zählen zu den häufigsten Fehlbildungen bei Kindern. Wie die Diagnose das Leben von Betroffenen auf den Kopf stellt, haben Eltern aus dem Mühlviertel erzählt. Baby Leander wurde schon zweimal operiert. Das Kinderherzzentrum im Kepler Uniklinikum ist dabei die erste Anlaufstelle.

Jedes 100. Kind in Österreich kommt mit einem Herzfehler auf die Welt. Die Diagnose trifft Eltern meist aus heiterem Himmel, verändert das Leben nachhaltig. So auch bei der Familie Kastner aus Bad Kreuzen, wo die dritte Schwangerschaft von Mama Claudia (28) bis zur 27. Woche unauffällig verlaufen war. Dann stellte ihr Gynäkologe bei einer Routinekontrolle fest, „dass etwas nicht passt und unser Kind zu klein ist“, erzählt die 28-Jährige. Zuerst musste die Schwangere nach Amstetten ins Spital, wurde dann ans Linzer Kepler Uniklinikum überwiesen.

Leanders große Geschwister, der fünfjährige Raphael und die zweijährige Leonora, haben sein ...
Leanders große Geschwister, der fünfjährige Raphael und die zweijährige Leonora, haben sein Bettchen erobert.(Bild: Markus Wenzel)

„Ein Schlag ins Gesicht“
„Dort hat man uns erklärt, dass das Herz unseres Babys auffällig ist. Es war wie ein Schlag ins Gesicht, ich habe viel geweint“, erinnert sich Kastner. Beim Ungeborenen wurde eine verdickte, falsch angelegte und undichte Herzklappe sowie eine Aorten-Stenose diagnostiziert. Jede zweite Woche musste die werdende Mutter zur Kontrolle. Eine Operation im Mutterleib war nicht notwendig, doch die Eltern erfuhren, dass ihr Baby kurz nach der Geburt eine Infusion brauchen wird, um den Herzdruck zu senken.

Schwester Leonora (2) zeigt stolz den Herzbären.
Schwester Leonora (2) zeigt stolz den Herzbären.(Bild: Markus Wenzel)

Doch Leander hatte andere Pläne. Er kam am 24. September – nur 20 Minuten nach der ersten Wehe – zuhause auf die Welt. Mit der Rettung wurden Mutter und Baby ins 50 Minuten entfernte Linzer Spital gebracht, wo der Neugeborene nach einem kurzen Zwischenstopp im Kreißsaal auf die Neonatologie kam und dort die Infusion erhielt. Für die Mutter bedeutete das: Stundenlanges Sitzen neben dem Bett, in dem ihr Baby an zahllose Überwachungsgeräte angeschlossen lag.

Zwölfstündige Operation an Leanders Herz
Mit nur acht Tagen wurde Leander mittels Herzkatheter operiert, nach drei Wochen durfte er zum ersten Mal nachhause. Mit der „großen“ Operation sollte noch gewartet werden, bis er etwas älter ist. Doch auch hier kam es anders, als geplant: „Anfang November waren seine Herzwerte so schlecht, dass die Operation vorgezogen wurde“, schildert Papa David (35). Acht Stunden sollte der Eingriff am 4. November dauern, bis zum erlösenden Anruf vergingen aber mehr als zwölf Stunden.

30 Jahre Kinderherzzentrum

Vor 30 Jahren nahm das Kinderherz Zentrum am Linzer Kepler Uniklinikum seinen Betrieb auf. Heute werden hier pro Jahr etwa 350 Herzoperationen durchgeführt und ebenso viele Herzkatheter gelegt. Zudem wurden seit der Gründung auch 270 intrauterine Herzeingriffe vorgenommen, also Herzeingriffe beim ungeborenen Kind im Mutterleib. Dank der medizinischen Fortschritte erreichen mehr als 90 Prozent der Kinder mit angeborenen Herzfehlern das Erwachsenenalter, eine ärztliche Begleitung ist aber oft ein Leben lang notwendig. Betroffene Familien finden unter www.herzkinder.at Unterstützung.

Der erste Anblick des Babys nach der OP – ein Schock: „Er hatte einen offenen Brustkorb, war aufgedunsen und mit Schläuchen und Kabeln übersät“, erzählt die Mutter. Mit der Operation konnte zwar eine Verbesserung der Problematik erzielt werden, jedoch ist die neue Herzklappe weiterhin undicht. Die lange Zeit im Spital setzt den Eltern zu: „Wir waren immer gut versorgt, doch das Muttersein wird einem fallweise abgesprochen. Man fühlt sich wie ein Passagier.“

Sorge um Gesundheit dominiert Familienleben
Anfang Dezember durfte Leander endlich nach Hause – eine neue Herausforderung für die Familie. Zusätzlich zum Stillen wird der Bub über eine Nasensonde mit Muttermilch versorgt und akribisch beobachtet. „Da wir keinen Infekt übersehen dürfen, sind wir viel wachsamer. Das ist zwar ein Stress, aber alles andere tritt in den Hintergrund.“

„Krone“-Interview
„Eltern sind wie ein Medikament“

Kinderkardiologe Gerald Tulzer und Herzchirurg Rudolf Mair sind die Gründerväter des Kinderherz-Zentrums am Kepler Uniklinikum.

„Krone“: Herr Professor Tulzer, was sind die häufigsten Herzfehler bei Kindern
Gerald Tulzer: Generell kann man sagen, dass ein Herzfehler die häufigste Fehlbildung bei Kindern ist – eins von 100 ist betroffen. Am häufigsten kommen Ventrikel vor, das sind Löcher zwischen linker und rechter Herzkammer.

Gerald Tulzer
Gerald Tulzer(Bild: KUK)

Wann bzw. wie werden die Fehlbildungen erkannt?
Der Diagnosezeitpunkt liegt häufig vor der Geburt, oft im Rahmen des Organscreenings zwischen der 18. und 22. Schwangerschaftswoche.

Wie werden die Herzfehler bei Kindern behandelt?
Etwa zwei Drittel der Betroffenen müssen medizinisch behandelt werden. Das kann von medikamentöser Therapie über Herzkatheter-Untersuchungen bis hin zu Operationen am offenen Herzen reichen. Bei einem Drittel reichen Kontrollen, zum Beispiel von kleinen Löchern, die von selbst zuwachsen.

Welche Rolle spielen die Eltern bei der Behandlung?
Sie sind wie ein wichtiges Medikament, aber können zur Belastung werden, wenn sie selber nicht mit der Erkrankung klarkommen. Deshalb muss immer die ganze Familie mit ins Boot geholt werden.

Loading...
00:00 / 00:00
Abspielen
Schließen
Aufklappen
kein Artikelbild
Loading...
Vorige 10 Sekunden
Zum Vorigen Wechseln
Abspielen
Zum Nächsten Wechseln
Nächste 10 Sekunden
00:00
00:00
1.0x Geschwindigkeit
Loading

Liebe Leserin, lieber Leser,

die Kommentarfunktion steht Ihnen ab 6 Uhr wieder wie gewohnt zur Verfügung.

Mit freundlichen Grüßen
das krone.at-Team

User-Beiträge geben nicht notwendigerweise die Meinung des Betreibers/der Redaktion bzw. von Krone Multimedia (KMM) wieder. In diesem Sinne distanziert sich die Redaktion/der Betreiber von den Inhalten in diesem Diskussionsforum. KMM behält sich insbesondere vor, gegen geltendes Recht verstoßende, den guten Sitten oder der Netiquette widersprechende bzw. dem Ansehen von KMM zuwiderlaufende Beiträge zu löschen, diesbezüglichen Schadenersatz gegenüber dem betreffenden User geltend zu machen, die Nutzer-Daten zu Zwecken der Rechtsverfolgung zu verwenden und strafrechtlich relevante Beiträge zur Anzeige zu bringen (siehe auch AGB). Hier können Sie das Community-Team via unserer Melde- und Abhilfestelle kontaktieren.

Kostenlose Spiele
Vorteilswelt