Skisprung-Legende:

ÖSV-Adler in der Krise? „Vielleicht nur Kalkül!“

Ski Nordisch
26.12.2025 14:06

Im Skispringen geht es nun Schlag auf Schlag – zunächst folgt die legendäre Vierschanzentournee, einen Monat später beginnen die Olympischen Spiele. Während die ÖSV-Adler zu Beginn der neuen Saison an alte Erfolge anknüpfen konnten, tun sie sich derzeit schwer. Nur eine Momentaufnahme? Darüber hat „Sportkrone.at“ mit Skisprung-Legende Sven Hannawald gesprochen. Zudem zieht der Deutsche – mittlerweile als ARD-Experte aktiv –  ein generelles Zwischenfazit und wagt einen Ausblick auf die anstehenden Saisonhighlights. 

„Sportkrone.at“: Sven, die aktuelle Skisprungsaison steuert auf ihre Höhepunkte zu. Den Auftakt macht die Vierschanzentournee. Wer ist dein Favorit auf den Gesamtsieg?
Sven Hannawald: Also klar mit Abstand Domen Prevc! Obwohl ich das eigentlich gar nicht so auf dem Schirm hatte. Eigentlich dachte ich, er wird einer der Ersten sein, der ein massives Problem bekommt, wenn der Anzug enger wird. Doch Domen hat mich eines Besseren belehrt. Ob es ihm dann am Ende gelingt, als Gesamtweltcupführender auch die Tournee zu gewinnen – und damit der Erste seit Jahren zu sein, dem das in Gelb gelingt – wird sich zeigen. Es wäre langsam aber wieder Zeit. Er lässt sich auch nicht schnell aus der Ruhe bringen, also er ist mein klarer Favorit. Sein größter Herausforderer ist dann sicher Ryoyu Kobayashi, mit all seiner Erfahrung. Aber auch die Deutschen Felix Hoffmann und Phlilipp Raimund hätten die Grundlagen. Vielleicht können sie überraschen. Immer zu rechnen ist natürlich mit den Österreichern, auch wenn es mir in diesem Jahr schwerfällt, einen konkreten Namen aus dem ÖSV-Team zu nennen.

Die ÖSV-Adler sind äußerst vielversprechend in die neue Saison gestartet. Mittlerweile scheint es aber nicht mehr nach Plan zu laufen. Wie kann man sich diesen – doch plötzlich anmutenden – Leistungseinbruch erklären?
Also aus den ganzen Erfahrungen der vergangenen Jahre würde ich jetzt auch ein taktisches Kalkül dahinter nicht ausschließen. Vor allem auch dadurch, dass ich schon gesehen habe, dass sie Wettkämpfe hatten, wo sie wirklich funktioniert haben und sich eigentlich von der Schanzencharakteristik oder anderen Dingen nicht wirklich viel geändert hat. Es kann natürlich sein, dass andere gerade besser mit den Umständen zurechtkommen und die Österreicher erst mal schauen müssen, was sie jetzt noch ändern können, damit sie wieder vorn mit dabei sind. Das glaube ich aber nicht. Also ich glaube, dass sie schon wissen, worum es geht. Und die Historie der Tournee zeigt, dass mit den ÖSV-Adlern immer zu rechnen ist. Ich kann mich an ein Jahr erinnern, wo sie im Vorfeld nichts auf die Reihe bekommen haben – und am Ende hieß es Tourneesieg für Österreich. Also dieses Team kann sich so clever aufstellen, dass man gewisse Dinge, die gut funktionieren, im Vorfeld noch gar nicht zeigt.

Stefan Kraft hat sich heuer erneut einen Rekord geschnappt. Er ist einer der wenigen Springer, der über viele Jahre hinweg konstant gute Leistungen abliefern kann. Was ist sein Geheimnis?
Stefan Kraft fasziniert mich nach wie vor. Ich ziehe den Hut davor, wie er es geschafft hat, über Jahrzehnte, mit sämtlichen Regeländerungen, sich immer wieder reinzuarbeiten und am Ende derjenige zu sein, der irgendwie immer irgendeine Medaille um den Hals gehängt hat. Das erfordert den größten Respekt. Ich finde das einfach bewundernswert, wie man sich über so viele Jahre motivieren kann, immer wieder Wege zu finden, auch wenn es mal nicht klappt. Er hat ja immerhin auch schlimme Zeiten erlebt. Aber am Ende bringt Stefan Kraft nichts aus der Ruhe. Er kämpft immer bis zum Schluss. Auch der Kampf um die Tourneen endet für ihn erst mit dem letzten Sprung in Bischofshofen. Und das merkst du als Mitstreiter, dass du keine Ruhe haben kannst, dass du dich auf keinen Punktevorsprung ausruhen kannst, weil du weißt, es kann immer sein, dass er irgendwie noch einmal um die Ecke kommt und am Ende vorn steht. 

Es scheint, als ob viele Skispringer sehr dominante Phasen haben und dann plötzlich wieder im großen Feld verschwinden. Gutes Beispiel aus dem vergangenen Jahr ist dein Landsmann Pius Paschke. Warum läuft es bei manchen nach einer starken Phase plötzlich gar nicht mehr?
Es hat im Skispringen häufig mit Regeländerungen zu tun. Dann passt du als Springer einfach aktuell mal rein, oder eben nicht mehr. Pius Paschke hat ja jetzt eigentlich auch die engeren Anzüge, nur ist er zu forsch. Aus meiner Sicht muss er lernen, dieses Sensible mit in seinen Sprung hineinzubekommen. Aber das sind dann halt so die Parameter, warum sich vom körperlichen her eigentlich gar nichts ändert von Springer zu Springer. Nur von der einen auf die andere Saison gab es irgendeine Umstellung, es wird irgendwie etwas anderes gehandelt, und dann musst du erst einmal schauen, wie du das wieder für dich selbst zum Laufen bringst.

Pius Paschke
Pius Paschke(Bild: AP/ASSOCIATED PRESS)

Der Anzugskandal im norwegischen Team hat den Skisprungsport Ende der vergangenen Saison erschüttert. Die Norweger fordern seither vehement, das Thema endlich ruhen zu lassen und man hat den Eindruck, es rückt wieder mehr in den Hintergrund. Du hast dich häufiger kritisch zum Thema geäußert. Glaubst du, dass der Skandal einen nachhaltigen Imageschaden für den Sport verursacht hat?
Den Imageschaden versuche ich auch dadurch zu begleichen, dass ich mich eigentlich zu dem Thema gar nicht mehr wirklich äußern möchte. Das, was ich gesagt habe, steht nach wie vor. Es nervt mich nach wie vor, dass die Akteure einfach tun, als ob nichts gewesen wäre. Das wird sich nicht ändern. Damit habe ich mich jetzt abgefunden. Und dementsprechend muss ich für mich Mittel finden, dass ich dem aus dem Weg gehe. FIS-seitig hat man eine Strafe angesetzt, aber im Sommer abgehalten. Das macht für mich keinen Sinn. Aber wenn ich nun die Akteure sehe, die in den Skandal involviert waren, dann machen die gelegentlich einen guten Sprung, sind in der Ergebnisliste aber nicht da, wo sie vergangene Saison waren. Das ist ok, damit hab ich ein bisschen meinen Frieden gefunden. Zum Start der Tournee möchte ich nicht diesem Thema aber nicht wieder zu viel Platz geben, weil am Ende ist mir die Tournee viel zu wichtig dafür. 

Positive Werbung für den Sport betreiben hingegen zwei Skisprung-Dinos. Simon Ammann und vor allem Noriaki Kasai haben trotz fortgeschrittenem Sportleralters noch immer Lust auf Wettkampf. Traust du einem oder gar beiden Athleten die Qualifikation für die Olympischen Spiele zu?
Also ich würde mich für beide freuen. Sie kommen aus jener Zeit, in der ich noch als Springer aktiv war. Wir hatten da eine schöne gemeinsame Zeit. Noriaki gab es natürlich schon vor meiner Zeit (lacht). Aber die Japaner sind mir da generell sympathisch. Das ist einfach eine Nation, die auch heute noch Respekt und Höflichkeit vorlebt. Deshalb fühle ich mich mit dieser Nation extrem verbunden. Ich würde natürlich hoffen, dass es beiden gelingt, erneut Olympische Spiele erleben zu dürfen. Dass sie mit dem Ausgang oder mit der Vergabe der Medaillen zu 80 Prozent nichts zu tun haben, ist wahrscheinlich auch Ihnen klar. Aber in so einem Alter, wenn Sie da noch springen, ist es fast schon eine Goldmedaille, überhaupt noch mitfahren zu dürfen. Meine Daumen sind gedrückt für beide. Und ich hoffe, dass ich sie am Ende bei Olympia auch kommentieren darf. 

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