Österreich droht Ärger

Abkommen mit Moskau Einfallstor für Russen-Klagen

Außenpolitik
18.12.2025 12:51

Wenn die EU russische Vermögen nutzt, um die Ukraine zu finanzieren, drohen Milliardenklagen aus Russland. Als Grundlage dafür könnte auch ein Abkommen dienen, das Österreich vor 35 Jahren mit Moskau schloss – und verabsäumte, zu kündigen.

Rund 200 Milliarden Euro an russischen Vermögenswerten liegen langfristig eingefroren in Europa. Zur Stunde verhandeln die EU-Spitzen in Brüssel, um nach langem Zerren endlich darüber zu entscheiden, ob die Vermögen herangezogen werden, um die Ukraine zu finanzieren.

Mehrere Staaten stemmen sich gegen diesen Plan. Vor allem Belgien als Sitz des Unternehmens Euroclear, bei dem ein Großteil der Gelder lagert, war lange Zeit klar dagegen. Zuletzt zeigte sich der belgische Regierungschef Bart De Wever verhandlungsbereit, fordert aber Schutz vor russischen Gegenmaßnahmen: Denn Belgien befürchtet rechtliche Vergeltung Moskaus – konkret Milliardenklagen vor internationalen Schiedsgerichten.

Schon jetzt Milliardenklagen
Russische Oligarchen und Konzerne klagen bereits gegen das Einfrieren ihrer Vermögenswerte. Ihre Forderungen im Rahmen von Investitionsschiedsverfahren belaufen sich schon jetzt auf rund 53 Milliarden Euro, heißt es in einem Bericht von Attac und anderen NGOs. Als Grundlage dafür nutzen die russischen Kläger jahrzehntealte Investitionsabkommen zwischen EU-Ländern und der Russischen Föderation.

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Diese Abkommen sind mit EU-Recht unvereinbar.

Theresa Kofler, Attac Österreich

Auch Österreich hat im Jahr 1990 ein solches Investitionsschutzabkommen geschlossen, damals noch mit der Sowjetunion. Unterzeichnet wurde es vom damaligen Wirtschaftsminister, einem gewissen Wolfgang Schüssel. Ein Jahr später trat es in Kraft, weitergeführt von Russland als Nachfolgestaat ist es weiterhin gültig – und könnte Einfallstor für Klagen russischer Investoren sein. Auch in Österreich liegen eingefrorene russische Vermögen in Milliardenhöhe.

Beschwerde eingebracht
Attac brachte deswegen bei der EU-Kommission eine Vertragsverletzungsbeschwerde gegen Österreich ein, wie die NGO per Aussendung verkündete. Denn das Abkommen untergrabe die Russland-Sanktionen, die wegen des Angriffskriegs gegen die Ukraine verhängt wurden. Andere europäische NGOs brachten solche Beschwerden auch gegen Deutschland, Frankreich und Schweden ein.

„Klagen oder Klagsdrohungen via Paralleljustiz schränken seit Jahrzehnten politische Handlungsspielräume in der Klima-, Energie- und Sozialpolitik ein – nun betrifft es auch Sanktionen gegen Kriegstreiber. Diese Abkommen sind zudem mit EU-Recht unvereinbar“, erklärt Theresa Kofler von Attac Österreich dazu.

Andere Länder haben deswegen bereits ihre Investitionsabkommen mit Russland gekündigt. Auch Österreich müsse das tun, fordert Attac. Die EU-Kommission müsse die Republik dazu auffordern, den alten Vertrag aufzulösen oder ein Vertragsverletzungsverfahren eröffnen.

Nachverhandlungen verliefen im Sand
Bereits 2009 hatte der Europäische Gerichtshof festgestellt, dass solche Abkommen mit europäischer Sanktionspolitik unvereinbar sind. Neben anderen Ländern wurde auch Österreich verurteilt, diese Unvereinbarkeit nicht beseitigt zu haben. Nach dem Urteil habe man Nachverhandlungen angestrebt, um den unionsrechtlichen Vorgaben Rechnungen zu tragen, heißt es dazu auf „Krone“-Anfrage aus dem Wirtschaftsministerium: „Diese Nachverhandlungen waren mit China etwa erfolgreich, mit Russland konnte damals keine Einigung erzielt werden.“

Damit ist das alte Abkommen weiter gültig, wie auch der Europarechtler Walter Obwexer gegenüber der „Krone“ bestätigt. Er verweist darauf, dass Österreich nach den gescheiterten Nachverhandlungen genug Gelegenheit gehabt habe, den Vertrag zu kündigen. Denn nach der Unterzeichnung 1990 lief eine entsprechende Frist nach 15 Jahren aus.

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Österreich kommt in Schwierigkeiten.

Europarechtsexperte Walter Obwexer

Wenn Russland klag, müssen wir zahlen
„Da kommt Österreich in Schwierigkeiten“, meint Obwexer. Denn das Unionsrecht sieht vor, dass die EU-Mitgliedsländer sich an ihre Verträge mit Drittländern zu halten haben, auch wenn sie EU-Recht widersprechen. Im Vertrag steht, dass Enteignungen unzulässig sind. Falls diese, begründet durch öffentliches Interesse, doch erfolgen, muss Österreich Entschädigungen leisten, und zwar in Höhe der ursprünglichen Investitionen, erklärt der Europarechtler. Wenn Russland klagt, müssen wir also zahlen.

Es hängt somit an den laufenden Verhandlungen zur Ukraine-Finanzierung. Zugleich finden in Brüssel auch Gespräche dazu statt, wie mit den bestehenden Verträgen umzugehen ist. Wie „Politico“ berichtete, dürfte das Ergebnis sein, dass alle EU-Länder angewiesen werden, ihre Investitionsabkommen gleichzeitig aufzukündigen, um sicherzustellen, „dass Belgien nicht allein dem Zorn Moskaus ausgesetzt ist.“

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