Ein Berg-Gespräch mit Österreichs großer Alpinlegende Robert Schauer über Sinn, Stille und die Verantwortung am Berg.
Er war 1978 der erste Österreicher auf dem Mount Everest (fünf Tage, bevor Reinhold Messner und Peter Habeler den Gipfel ohne Flaschensauerstoff erreichten und Geschichte schrieben), ein Pionier des Alpinstils in den höchsten Bergen der Welt, Filmemacher und Gründer des Mountainfilm-Festivals in Graz.
Heute, mit 72 Jahren, steht der Grazer Robert Schauer mit der „Bergkrone“ bei der Seethalerhütte unterhalb des Dachstein-Gipfel – jenem Berg, der einst seine Liebe zum Alpinismus entfacht hat. Doch hinauf will Robert nicht mehr: „Ich muss nicht mehr auf den Gipfel“, sagt er leise – und lächelt.
„Bergkrone“: Robert, Du hast am Everest, Nanga Parbat, Makkalu, Broad Peak und Hidden Peak Alpingeschichte geschrieben. Wenn Du heute in die Berge gehst – suchst Du noch das Abenteuer oder eher Stille?
Robert Schauer: Die Abenteuerzeit ist vorbei. Früher wollten wir immer weiter weg, dorthin, wo kaum jemand war – in die Bergwelt des Karakorums, in den Himalaya. Heute bewundere die Berge von unten – dankbar, dass ich das alles erleben durfte.
Was bedeutet Dir der Hohe Dachstein persönlich?
Der Dachstein war für mich schon als Kind ein magischer Berg. Ich war oft auf der Tauplitz und dem Grimming – aber der Dachstein, mit seinen Wänden, hat mich immer in seinen Bann gezogen. Mit 13 Jahren begann ich zu träumen, dort hinaufzusteigen – sehr zum Schrecken meiner Eltern. Diese ersten Touren waren meine alpine Gehschule.
Du sagst oft: „Der Berg gibt Antworten, die man nicht gesucht hat.“ Welche Antworten hast Du bekommen?
Dass man Pläne haben kann – das Leben aber anders entscheidet. Der Berg entscheidet, ob Du weiterkommst. Oft hat er mir gesagt: Nein, heute bist Du nicht so weit. Das gilt nicht nur für das Bergsteigen, sondern fürs ganze Leben.
Nach so vielen Jahren in der Höhe – was suchst Du noch?
Ich suche Aussichtspunkte, von denen ich nach oben schauen kann. Ich bewundere den Dachstein heute lieber von unten. Ich sehe nicht mehr den Gipfel, sondern das Glück, gesund und dankbar zurückzublicken.
Der Alpinismus hat sich verändert. Was ist vom „reinen Bergsteigen“ geblieben?
Wenig. Ich war Autodidakt, habe mir alles selbst beigebracht – vom Sichern bis zur Seiltechnik, im Grazer Klettergarten. Heute ist vieles organisiert, strukturiert, kommerzialisiert. Für mich war Bergsteigen ein Ausdruck von Freiheit, nicht von Vermarktung.
Du warst ein Pionier des Alpinstils – leicht, selbstverantwortlich, kompromisslos. Hat so ein Stil heute noch Platz?
Kaum. Ich erinnere mich an eine Expedition, bei der wir unter dem Gipfel umdrehen mussten. Ein Sponsor sagte danach: „Ihr wart nicht oben, wir können euch nicht vermarkten.“ Das war bitter – aber richtig. Heute steht der Druck im Vordergrund: Erfolg, Gipfel, Klicks. Manche gehen Risiken ein, nur damit das Foto passt. Das ist gefährlich.
Noch bis Samstag, 15. November, ist Graz das Zentrum des internationalen Bergfilms. Beim 39. Mountainfilm-Festival im Congress Graz und Schubertkino werden über 100 Filme aus aller Welt gezeigt und prämiert – von spektakulären Alpin-Expeditionen bis zu stillen Naturdokumentationen.
Und Robert Schauer zeigt bisher unveröffentlichtes Material seiner legendären Hidden-Peak-Expedition – ein Zeitdokument des österreichischen Alpinismus (Samstag, 16 Uhr, im Stefaniensaal). Infos, Programm und Tickets unter www.mountainfilm.com
Also sehen viele Junge den Berg heute eher als Bühne – für Likes und Anerkennung. Ist das für Dich unverständlich oder Zeitgeist?
Es ist Zeitgeist. Heute zählt, wer das Schnellste, das Spektakulärste liefert. Und wer nicht ständig postet, ist vergessen. Früher war der Antrieb ein innerer – heute oft ein öffentlicher.
Du hast das Mountainfilm Festival Graz gegründet. Was war Deine Vision?
Ich wollte zeigen, was hinter dem Bild steckt. Schon als junger Mensch habe ich fotografiert. In den 70ern dann zu filmen begonnen – am Hidden Peak, am Everest. Damals gab es kaum Bergfilme im Fernsehen. Ich wollte sie auf die Leinwand bringen, ehrlich, echt. So entstand das Festival – als Bühne für jene, die Berggeschichten erzählen. Nächstes Jahr feiern wir 40 Jahre.
Wie viel Wahrheit verträgt ein Bergfilm – und wie viel Inszenierung braucht er, um gesehen zu werden?
Das ist ein schmaler Grat. Wenn es nur um Quoten geht, braucht man Drama, aber ich mag Filme, die ehrlich sind – wo man spürt, dass jemand wirklich dort war, mit Herz, Angst und Zweifel. Authentizität ist das höchste Gut.
Wenn Du heute auf die geschrumpften Dachstein-Gletscher blickst – was fühlst Du?
Melancholie und Erkenntnis, denn die Gletscher schwinden – wie wir alle irgendwann schwinden. Es ist die Natur, in reinster Form. Aber auch traurig, weil Gletscher Leben spenden. Wenn sie weg sind, verschwindet Wasser. Und Wasser ist das wahre Gold der Alpen.
Sind die Berge für kommende Generationen noch das, was sie für Dich waren? Für jene, die sie mit Herz betreten – ja. Aber viele suchen nur mehr den Namen, den Rekord. Der Everest, das Matterhorn, der Mont Blanc, der Großglockner – das sind Marken geworden. Doch wer abseits geht, wer einsame Gipfel sucht, findet sie noch: die Freiheit, die Stille, das Ursprüngliche.
Wenn Du der nächsten Generation der Bergsteiger etwas mitgeben könntest – was wäre es?
Lest, schaut, lernt. Studiert, was vor Euch war. Und geht dann mit Respekt. Der Berg ist kein Fitnessstudio. Er ist ein Lehrer – und manchmal auch Richter.
Du sagtest einmal: „Ich wollte nie den Gipfel. Ich wollte verstehen, warum ich ihn wollte.“ Hast Du die Antwort gefunden?
Ich habe gelernt, dass es nicht ums Oben geht, sondern ums Dazwischen. Ich musste nie beweisen, dass ich es schaffe. Mir war wichtiger, heil heimzukommen.
Gibt es heute noch ein Bergziel, das Dich reizt?
Nein. Ich hatte meine Zeit – und sie war schön. Für mich war der Berg Gegenpol zur städtischen Welt – ein Raum, in dem man sich selbst begegnet. Heute reicht mir der Blick hinauf.
Danke fürs Gespräch.
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