Rote Kissen, auf denen sich Aktivistinnen niederließen – so präsentierte sich am Freitag der Dornbirner Marktplatz. Die Frauen legten symbolisch ihre Arbeit nieder und folgten damit ihren Vorbildern auf Island: Vor 50 Jahren wurde dort von den „Rødstrømpern“ (Rote Strümpfe), einer feministischen Gruppe, ein Streik angeregt. Die „Krone“ war dabei.
Die Veranstaltung in Dornbirn sollte daran erinnern, dass Gleichberechtigung kein Selbstläufer ist. Damals legten 90 Prozent der isländischen Frauen ihre Arbeit nieder – in Büros, Fabriken und auch in den Familien. Das Land stand damals still, die Männer mussten an diesem Tag Kinder hüten, kochen, waschen.
Ein Signal, das Island veränderte: Wenige Jahre später wurde mit Vigdís Finnbogadóttir die weltweit erste Frau zur Präsidentin gewählt. „Dieser Tag war etwas Einmaliges“, sagt Cornelia Caldonazzi, Mitorganisatorin des Streiks in Dornbirn und Sprecherin der „Omas gegen Rechts“. „Er hat gezeigt, was passiert, wenn Frauen kollektiv ihre Arbeit niederlegen – auch die unsichtbare, unbezahlte in den Familien.“
Mehr Engagement wünschenswert
Mehr als 99 Prozent der Vorarlbergerinnen waren in Dornbirn nicht dabei – Caldonazzi würde sich mehr Engagement der Frauen wünschen, für ihre Rechte einzustehen. Von echter Gleichstellung ist Österreich auch 2025 noch entfernt: „Im Global-Gender-Gap-Index sind wir vom 21. auf den 49. Platz abgerutscht. Viele Frauen ruhen sich auf den Lorbeeren vergangener Errungenschaften aus – dem Wahlrecht, der Gleichstellung von Müttern, der Strafbarkeit der Vergewaltigung in der Ehe. Sie stört diese Ungleichbehandlung viel zu wenig.“
Eklatante Gehaltsunterschiede
Tatsächlich sind die Zahlen ernüchternd: Vollzeitarbeitende Frauen verdienen in Österreich im Schnitt um 18,3 Prozent weniger als Männer, in Vorarlberg beträgt der Unterschied sogar fast 23 Prozent. Viele Frauen arbeiten zudem Teilzeit, weil sie den Großteil der Familien- und Pflegearbeit übernehmen und ganztägige, leistbare Kinderbetreuungsangebote weitestgehend fehlen. Das schlägt sich später in der Pension nieder: „Frauen bekommen im Durchschnitt nur 69 Prozent der Pension eines Mannes“, rechnet Caldonazzi vor.
Gewalt in den eigenen vier Wänden
Doch nicht nur beim Geld hakt es: „Gewalt an Frauen ist nach wie vor ein massives Problem“, sagt sie. „Oft wird versucht, sie bestimmten Gruppen zuzuschieben. Doch die Statistik zeigt: Sie passiert meist im familiären Umfeld – und fast immer ist der Täter männlich.“ In der Politik sieht Caldonazzi dringenden Nachholbedarf: Zwar habe der Vorarlberger Landtag erstmals gleich viele weibliche wie männliche Abgeordnete, doch viele Frauen würden die männliche Klublinie vertreten. „Eine wirklich feministische Perspektive hört man selten.“ Damit Frauen wirklich frei entscheiden könnten, brauche es folglich andere politische Rahmenbedingungen.
Im Global-Gender-Gap-Index sind wir vom 21. auf den 49. Platz abgerutscht. Viele Frauen ruhen sich auf den Lorbeeren vergangener Errungenschaften aus – dem Wahlrecht, der Gleichstellung von Müttern, der Strafbarkeit der Vergewaltigung in der Ehe. Sie stört diese Ungleichbehandlung viel zu wenig.
Cornelia Caldonazzi
Jung und Alt gemeinsam
Besonders wichtig ist der Aktivistin die Solidarität zwischen den Generationen. Bei der Aktion in Dornbirn wirkten auch viele junge Menschen mit. „Das ist ein gutes Zeichen“, findet Caldonazzi. „Wir Omas haben in den 1970ern den gesellschaftlichen Wandel erlebt – die Familienrechtsreform, den Zugang zu Bildung, neue Freiheiten. Wir wussten, dass das hart erkämpft wurde und weiter verhandelt werden muss.“ Sie sieht Parallelen zu den Kämpfen der Jüngeren: „Sie fordern eine gerechte Aufteilung der Care-Arbeit, Kinderbetreuungsplätze, Wiedereinstiegsmöglichkeiten. Und sie bringen neue Themen ein, etwa LGBTQIA+-Rechte. Das ist wichtig.“
Positive Reaktionen auf Aktion in Dornbirn
Was Caldonazzi äußerst kritisch sieht, sind aktuelle Trends wie „Tradwives“ oder „Stay-at-home-Girlfriends“ in den Sozialen Medien: „Dass Frauen offenbar wieder in die Abhängigkeit vom Partner gedrängt werden, halte ich für gefährlich.“
Die Aktion in Dornbirn hat gezeigt: Es bleibt viel zu tun. Viele Passantinnen blieben stehen, hörten zu, diskutierten, nickten zustimmend. „Wir wollen Mut machen, aufzustehen“, sagt Caldonazzi. „Für eine neue Solidarität – quer durch Generationen und Lebensrealitäten.“ Und an die Frauen in Island richtet sie den freundschaftlichen Gruß: „Danke, dass ihr vorangegangen seid! Ihr habt gezeigt, dass sich Gesellschaft verändern lässt.“
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