Die Risikodebatte hat den alpinen Skisport dieser Tage fest im Griff. Der fatale Unfall von Matteo Franzoso im September war nicht der einzige Tod der jüngeren Vergangenheit. Unisono fordern Aktive beim Thema Trainingssicherheit ein Umdenken. „Wir können nicht warten, bis Leute sterben, bis wir etwas tun“, meinte der rekonvaleszente Norweger Aleksander Aamodt Kilde. Beim Verbot der umstrittenen Carbon-Schützer ortet ÖSV-Sportdirektor Mario Stecher „Augenauswischerei“.
Der Italiener Franzoso starb nach einem Sturz im Sommertraining im chilenischen La Parva. Im Oktober 2024 war die Südtirolerin Matilde Lorenzi nach einem Trainingssturz verstorben, der Franzose David Poisson im November 2017 im Training in Kanada. Alle Unfälle ereigneten sich jeweils im Training für die Abfahrt.
Ein Problem besteht darin, dass es nur wenige permanente Trainingsstrecken gibt, die allen Anforderungen gerecht werden und auch die Weltcup-Sicherheitsstandards erfüllen. Es fehlt mitunter an Equipment, etwa an den adäquaten Netzen, Infrastruktur bei Rettungsmaßnahmen sowie Know-how in Sachen Präparierung.
Murisier ist Trainingsvorteil „egal“
Der Weltverband FIS will die Maßnahmen verschärfen und etwa ein Ausbildungsprogramm für lokale Trainer und Veranstalter ins Leben rufen. „Wir entwerfen strengere Richtlinien für die Verbände, damit sie viel mehr Informationen und Klarheit darüber haben, was sie zu tun haben, um die Sicherheit zu gewährleisten. Außerdem gehört dazu, die Leute auszubilden, die die Trainings organisieren, damit sie die richtige Ausrüstung, die richtigen Netze haben“, erklärte FIS-Präsident Johan Eliasch vor Kurzem.
„Irgendwann müssen einfach die Nationen zusammenarbeiten“, rief der Schweizer Justin Murisier die Verbände in die Pflicht. Der bisherige Weg ist, dass gewisse Nationen, wenn sie ein Skigebiet exklusiv nutzen können, dies auch tun. Die Schweizer in Zermatt auf dem Theodulgletscher – für Murisier ist das der Holzweg. „Ich brauche keinen Vorteil, dass ich besser trainiere als die Österreicher oder die Franzosen. Das ist mir egal“, sagte der Routinier. „Man muss es so organisieren können, dass wir Sicherheit haben auf drei Pisten in Südamerika, drei, vier in Europa, zwei in den USA, und nur dort wird Abfahrt trainiert. Das wäre wahrscheinlich die einzige Möglichkeit.“
Zahlreiche Schlupflöcher für Carbon-Einlagen
Doch folgenschwere Stürze passieren auch im Weltcup, nicht nur im Training. Es gibt etliche Ansätze, das „Paket“ aus Ski, Bindung, Schuh, Anzug und Helm sicherer zu machen. Doch gravierende Änderungen sind in der Praxis schwierig umzusetzen, benötigen eine lange Vorlaufzeit. Sie alle widerstreben dem grundsätzlichen Drang, schneller werden zu wollen. Zudem kommt, dass man dafür auch die Arbeit der Skifirmen reglementieren müsste.
Verpflichtend ist ab dieser Saison das Tragen eines Airbags in den Speed-Disziplinen sowie von schnittfester Unterwäsche. Was die FIS ebenfalls bereits in den Regeln implementiert hat, ist das Verbot von festen Schienbein-Einlagen etwa aus Carbon. Bei einer medizinischen Indikation kann allerdings um eine Ausnahme angesucht werden – und dass die Schienbeine angegriffen sind, ist bei einem Profis schnell einmal der Fall. Wenn die Einlagen aus einem etwas weicheren Material sind oder fest mit dem Schuh verbunden, ist das erlaubt. So verwenden zahlreiche Aktive die zusätzlichen Elemente weiterhin.
ÖSV-Sportdirektor Stecher widerstrebt das. Der Verband war ein starker Befürworter des Verbots, da die Carbon-Platten die Wahrscheinlichkeit für Stürze erhöhen würden. „Es ist kurz vor Olympia, wir können das jetzt nicht ändern, man macht es wieder in einer abgespeckten Version. Dann muss ich schon ein bisschen den Vorwurf erheben, dass hier einiges nicht ganz richtig läuft“, sagte Stecher im Talk auf ServusTV.
„Das gehört jetzt gleich verboten“, meinte der Steirer und sagte, es gehe dabei auch um Kinder, die die Tricks und Kniffe beim Material nachahmen würden. Diese könnten mit den erhöhten Kräften noch weniger umgehen als die Erwachsenen.
Hoffnung auf Wandel
Für Athleten und viele Beobachter steht jedenfalls fest, dass man die erhöhte Aufmerksamkeit für das Thema Sicherheit im Moment nutzen müsse. Murisier ist sich nicht sicher, dass dies gelingen wird. „Bis jetzt ist es immer so gewesen, nach dem Fall David Poisson war es so. Es war immer so, dass alle laut sind und auf einmal nimmt es wieder ab“, erinnerte der 33-Jährige an die Vergangenheit. „Ich hoffe wirklich, dass wir es schaffen, hier zusammenzuarbeiten.“
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