„Krone“-Interview

Warum Tierliebe nicht durch den Magen gehen sollte

Tierecke
24.10.2025 16:08

Die Zahl übergewichtiger Hunde und Katzen steigt alarmierend. Doch die wenigsten Besitzer bemerken es. „Mei, der is halt guad beinand“, denken viele beim Blick auf die Fellnase. Doch der liebevoll gemeinte Speckmantel verdeckt oft ernsthafte Gesundheitsprobleme. Tierernährungsberaterin Julia Brunhofer erklärt im „Krone“-Gespräch, wie Sie Dickmacher entlarven und Ihr Liebling gesund abnimmt.

Jeder zweite Hund und jede zweite Katze trägt zu viel Gewicht mit sich herum. Die Folgen ähneln denen beim Menschen: Diabetes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Gelenkprobleme. Während Übergewicht beim Menschen offen diskutiert wird, herrscht bei Haustieren leider noch oft kollektive Verdrängung. Drei Viertel der Tierhalter glauben, das Gewicht ihres Lieblings sei „genau richtig“. Die Wahrheit liegt meist einige Kilogramm darüber.

Unterschätzte Dickmacher
Was viele nicht wissen: Schon ein Prozent zu viel Energie am Tag reicht, damit das Tier auf Dauer zunimmt. Beispielsweise entspricht ein Hundekeks für einen Chihuahua in etwa einer ganzen Packung Kekse für Menschen! Was als liebevolle Geste gedacht ist, wird so zur Kalorienbombe. Besonders gefährdet sind Katzen zwischen dem dritten und siebten Lebensjahr, bei Hunden steigt das Risiko mit dem Alter. Füttern ist oft auch Seelentrost. 40 Prozent aller Tierhalter greifen täglich zu Snacks.

Der schmale Grat zwischen Liebe und Tierquälerei
Die Grenze zwischen Zuwendung und Vernachlässigung ist schmal – juristisch wie moralisch. In Österreich gilt: Wer sein Tier derart überfüttert, dass es Schmerzen oder Folgeschäden erleidet, riskiert bis zu 7.500 Euro Strafe. Tierquälerei aus Liebe bleibt Tierquälerei. Wenn ein Hund nicht mehr springen kann oder eine Katze kaum noch den Kratzbaum erklimmt, handelt es sich nicht um „ein bisschen mollig“, sondern um ein medizinisches Problem.

„Die Wuffilogin“ gibt Tipps
So schrumpft das Gewicht, ohne die Liebe zu kürzen

Wie der Weg vom übergewichtigen Couchpotato zum fitten Vierbeiner gelingt, welche Rolle das richtige Leckerli-Management spielt und warum auch eine ausgewogene Fütterung allein nicht ausreicht – darüber hat die „Krone“-Tierecke mit Tierernährungsberaterin Julia Brunhofer („Die Wuffilogin“) gesprochen.

„Krone“: Welche Ursachen gibt es für Übergewicht bei Haustieren?
Julia Brunhofer:
 Es gibt viele Risikofaktoren. Nach einer Kastration neigen Tiere oft leichter zu Gewichtszunahme, auch bestimmte Medikamente können das begünstigen. Einige Rassen sind anfälliger, ältere Tiere bewegen sich weniger, und hormonelle Probleme wie eine Schilddrüsenunterfunktion spielen ebenfalls eine Rolle. Deshalb ist es wichtig, mögliche Ursachen immer beim Tierarzt abklären zu lassen. Kann man diese ausschließen, liegt die Hauptursache meist in einer einfachen Kombination: Das Tier bekommt mehr Energie, als es verbraucht – also zu viel Futter und zu wenig Bewegung.

Aus dem ersten eigenen Hund „Emma“ wurde die treibende Kraft hinter „Die Wuffilogin“, Julia ...
Aus dem ersten eigenen Hund „Emma“ wurde die treibende Kraft hinter „Die Wuffilogin“, Julia Brunhofer. Sie bietet fundierte Beratungen, maßgeschneiderte Futterpläne und alles rund um die Ernährung von Hunden und Katzen.(Bild: Atelier Rußkäfer)

Wie erkennt man, dass es Zeit für eine Diät ist?
Von beginnendem Übergewicht spricht man bereits ab zehn Prozent über dem Idealgewicht. Bei einem zehn Kilo schweren Hund bedeutet das lediglich ein Kilogramm! Ein Tier ist zu dick, wenn beim Blick von oben oder von der Seite keine Taille erkennbar ist. Die Bauchlinie sollte von Brustkorb/Bauch nach oben Richtung Wirbelsäule verlaufen. Möchte man die Rippen ertasten, sollte man die mit der flachen Hand seitlich gut spüren können, ohne fest bohren zu müssen. Geht das nicht, ist bereits zu viel Fettgewebe da.

Werden kleine Belohnungen, sogenannte Leckerlies, unterschätzt?
Ja, sehr oft! Viele sind wahre Kalorienbomben, die man nicht auf dem Schirm hat. Beispielsweise haben 100 Gramm Ochsenziemer bereits 500 Kilokalorien. Zum Vergleich: eine Karotte liefert 30 kcal. Viele Leckerlis sind sehr eiweiß- und fettreich – das sind besonders Kaustücke wie eben Ochsenziemer oder Schweineohren. Hier ist es wichtig, ehrlich zu sich selbst zu sein und alles zu notieren, was das Tier tagsüber zusätzlich bekommt.

Drei Schritte

  • 1. Überblick verschaffen: Einen Tag (oder gerne auch eine Woche) lang alles genau notieren – Hauptfutter, Leckerlis, Tischstückchen. Ehrlich bleiben!
  • 2. Kalorienbomben entlarven: Snack für Snack abwiegen und dokumentieren, um versteckte Energiefallen zu erkennen.
  • 3. Bewegung einbauen: Ernährung bildet die eine Säule, Bewegung die andere. Schritt für Schritt steigern, realistische Ziele setzen und das Tier nicht überfordern.

Ist es ratsam, die Futterrationen zu kürzen?
Wer das Gewicht seines Tieres kontrollieren möchte, sollte das Futter nicht einfach halbieren. Eine zu starke Reduktion kann zu Nährstoffmangel und im schlimmsten Fall zu Muskelabbau führen. Besser ist ein langsames, schrittweises Abnehmen. So passt sich der Körper an die geringere Energiezufuhr an, ohne dass Dauerhunger oder Jojo-Effekt auftreten. Als Richtwert gilt: maximal etwa 100 Gramm Gewichtsverlust pro Woche.

Und was ist mit Leckerlies zwischendurch?
Ganz auf Belohnungen muss ein Tier nicht verzichten. Am besten entschärft man die Kalorienbomben, indem man auf leichte Snacks zurückgreift: kleine Apfel- oder Gurkenstücke, ein Stück Karotte oder ein gekochter Brokkolistrunk eignen sich gut. Alternativ kann man einen Teil der täglichen Futterration als Belohnung einsetzen. Auch Trockenfleisch oder gefriergetrocknetes Muskelfleisch sind kalorienarme Leckerlies.

Herzhaft, gesund und selbstgemacht: Mehr Snack-Tipps von Julia Brunhofer gibt es auf ihrem ...
Herzhaft, gesund und selbstgemacht: Mehr Snack-Tipps von Julia Brunhofer gibt es auf ihrem Instagram-Kanal „diewuffilogin“.(Bild: Die Wuffilogin/Julia Brunhofer)

Haben Sie einen persönlichen Tipp aus der Küche, der satt macht und trotzdem diättauglich ist?
Ein selbstgemachtes, getrocknetes Muskelfleisch-Leckerli ist ideal: Das Muskelfleisch in möglichst dünne Streifen schneiden und bei 80-90 Grad im Backrohr dörren. Das ist knusprig und wird sehr gerne angenommen. Auch kleine Kekse aus Karottenpüree, Kartoffelstärke und Ei lassen sich schnell auf einer Backmatte zubereiten und haben viel weniger Kalorien.

Welche Rolle spielt die Bewegung?
Bewegung ist für den Erfolg genauso wichtig wie die Ernährung – für Mensch und Tier gleichermaßen. Sie bildet die zweite Säule der Gewichtsreduktion. Am besten startet man langsam und steigert Dauer und Intensität Schritt für Schritt, immer passend zum Tier. Ausgedehntere Spaziergänge sind ein einfacher Anfang: Schon eine Minute mehr pro Tag summiert sich innerhalb einer Woche auf sieben zusätzliche Minuten. Realistische Ziele und Geduld sind entscheidend. Idealerweise geht eine Diät langfristig in eine ausgewogene Ernährungsumstellung über, begleitet von regelmäßiger Bewegung.

„Die Wuffilogin“

Mag. Julia Brunhofer
Tierärztlich geprüfte Ernährungsberaterin für Hunde und Katzen. Erstellung bedarfsdeckender, alltagstauglicher Fütterungspläne für alle Altersklassen, Fütterungsformen (Fertigfutter, BARF/Rohfütterung, Kochen) und Lebenslagen.
Für Tierschutzorganisationen und Tierheime besteht die Möglichkeit der ehrenamtlichen Zusammenarbeit, um die Vermittlungschancen von Tieren mit speziellen Ernährungsbedürfnissen (z. B. Allergien, Diabetes, Alter) zu verbessern!
Monatliche Kolumnistin in der „ORF nachlese“ und auf Sendung bei Radio Vorarlberg.

Kontakt:
E-Mail: dieWuffilogin@gmail.com
Telefon: 0699 11 58 91 76
Website: www.dieWuffilogin.at
Instagram: www.instagram.com/diewuffilogin

Was ist Ihr wichtigster Appell an besorgte Tierhalter?
Jedes Tier ist einzigartig und hat einen individuellen Energiebedarf. Am sichersten ist es daher, einen maßgeschneiderten Reduktionsplan gemeinsam mit einem Ernährungsexperten oder Tierarzt zu erstellen. Besonders wichtig: Welpen und heranwachsende Hunde sollten niemals eine Diät machen oder abnehmen – hier ist fachkundige Beratung unbedingt erforderlich, um Wachstum und Gesundheit zu schützen. Katzen dürfen niemals fasten. Ihre Leberenzyme sind auf eine kontinuierliche Nahrungszufuhr angewiesen, und sie können nicht auf ein alternatives Energiesystem ausweichen.

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