„Saving Grace“

Robert Plant: Vom Rockstar zum Elder Statesman

Musik
29.09.2025 13:00

Corona-bedingt hat Robert Plant mit seiner Band sechs Jahre lang am neuen Album „Saving Grace“ gearbeitet. Die zehn Tracks, allesamt im Original von anderen Musikern, zeigen den einstigen Rockgott im höheren Alter von 77 Jahren aber so sanft und songdienlich wie selten zuvor. Ein Album für die gute Tasse Tee an einem verregneten Herbsttag.

kmm

Gerade im pop- und rockmusikalischen Sektor gibt es viele Beispiele von Musikern, deren nicht enden wollende Jugendlichkeit irgendwann selbst bei den treuesten Fans zur Fremdscham führen. 70-Jährige in Spandexhosen sind halt - all der glorreich-hedonistischen Vergangenheit zum Trotz – irgendwann doch nicht mehr angenehm anzusehen. Dann gibt es jene, die den umgekehrten Weg gehen und so gut altern wie ein guter Wein. Robert Plant ist dahingehend das derzeit markanteste Aushängeschild. Spielte er in den späten 60er- und 70er-Jahren als lockenbemähnter Superrocker den Vorzeige-Sexgott und ließ nichts aus, was das auslaufende Jahrzehnt der freien Liebe auf dem Weg so anbot, hat er sich musikalisch über die letzten Jahrzehnte zu einem Elder Statesman mit Würde und Liebe zur hemdsärmeligen Musik entwickelt.

Lieber daheim am Landsitz
Die beiden Alben „Lullaby… And The Ceaseless Roar” (2014) und „Carry Fire” (2017) mit seiner Band, den Sensational Space Shifters, überzeugten im höheren Altern nicht nur Kritiker und Fans, sondern eroberten auch recht mühelos respektable Chart-Plätze und sicherten dem alternden Rockgott noch einmal gut gefüllte Arenen. Die Ruhe nach dem Sturm hat bei Plant schon nach den 80er-Jahren Einzug gehalten, mittlerweile lässt er den teuren Privatjet aber endgültig lieber am Boden, um stattdessen Freunde und talentierte Musiker auf seinem ausufernden Landsitz in der britischen Diaspora einzuladen, um sich gegenseitig auszutauschen, zu jammen oder bestenfalls ein Album aufzunehmen. Unter dem Bandnamen Saving Grace versammelte Plant schon 2019 Musiker aus seiner Region, um zu schauen, wohin die Inspiration sie trägt.

Nach den mühseligen Corona-Jahren hat das „Saving Grace“ genannte, gemeinsame Album nun insgesamt sechs Jahre verschlungen. Dem mittlerweile 77-jährigen Plant steht die vergangene Zeit vielleicht aber noch besser zu Gesicht, weil das samt und sonders aus nicht allzu bekannten Klassikern bestehende Werk richtig gut zum Spätherbst seines mittlerweile sehr beruhigten Lebens passt. Die zehn Songs nehmen sich Zeit zum Atmen, klingen verspielt und experimentell, weichen dabei aber nicht von einer gemütlichen Zugänglichkeit ab, die den Liedern eine besondere Zeitlosigkeit attestiert. Man mäandert geschickt und grenzenlos zwischen viel Folk, etwas Blues, Gospel und Country und lehnt sich an all jene Subgenres, die das amerikanische Songbook hergibt, um sich imaginär in den Wilden Westen zu träumen, der nicht zuletzt auch immer ein Sehnsuchtsort für den Kosmopoliten Plant war.

Durch den Roots-Music-Gemüsegarten
Dass ein Album in dem Sinn eigentlich gar nicht geplant war, lässt die Songs frisch und ungezwungen erklingen. Man spürt bei Nummern wie dem zarten „I Never Will Marry“ oder dem ausladenden „As I Roved Out“ zu jeder Zeit, dass man ohne Kalkül, aber mit sehr viel Spielfreude ans Werk ging. Viele der auf dem Album befindlichen Songs haben Plant-Fans auch schon live gehört, an eine Umsetzung auf einer Platte dachte dann erst das Label Nonesuch Records, als die Saving-Grace-Mannschaft samt Plant und Sängerin Suzi Dian nach den Covid-Jahren ernsthafter am Material arbeitete. Man hört Songs von Künstlern wie Memphis Minnie, Blind Willie Johnson oder Bob Mosley, aber auch eine berührende Version von „Everybody’s Song“, das von Alan Sparhawk und der leider verstorbenen Mimi Parker der düsteren Slowcore-Band Low geschrieben wurde.

Wie man es vom alternden Plant gewohnt ist, verlässt er sich auf „Saving Grace“ nicht auf die Strahlkraft seines Namens, sondern sieht die Umsetzung der Songklassiker als Bandprojekt, bei dem sich jeder Musiker frei entfalten und seine Stärken in den Topf werfen kann. Das ist auch der Grund, warum die Instrumentierung in vielen Fällen seine sanft-brüchige Altersstimme übertönt und sich nicht brav hinter dem Chef des Projekts verstecken muss. Die gemeinsame Liebe zur Roots Musik, zu den Künstlern der Originalversionen und dem gemeinsamen Musizieren steht zu jeder Zeit über etwaige Ego-Ausritte, wie man sie bei Kalibern seiner Generation an anderen Stellen oft erwarten oder - besser – befürchten muss. Für die Aufnahmen ging man in eine knarzende Scheune, hing Mikrofone über Äste und ließ der Liebe zur Musik freien Lauf. In gewisser Weise waren die ruhigen Corona-Jahre positiv mitentscheidend für die bewusste Ruhe, die „Saving Grace“ vermittelt.

Keine Lust auf große Hallen
Einen wichtigen Anteil an der guten Doppelgesangsleistung zwischen Plant und Dian auf diesem Album hatte Plants langjährige Projektpartnerin Alison Krauss. „Sie hat mir so viel beigebracht“, erklärte er vorab, „es war ein wundervolles Zusammenkommen von zwei radikal unterschiedlichen Stimmen, die aber eine gemeinsame Harmonie erreichten. Ich bekam einen Crashkurs im Zuhören bei einer anderen Singstimme – das war für mich als Sänger ein elementarer Moment in meinem Leben.“ Das von ihr gelehrte Wissen, sich selbst zurückzustellen und dem weiblichen Part den Vortritt zu lassen, lässt sich auf „Saving Grace“ immer wieder gut umsetzen. Dass sich mit diesem Album keine großen Stadien füllen lassen, ist Plant bewusst. Anstatt, wie Kollege Page, auf eine allerletzte Reunion mit Led Zeppelin zu hoffen, konzentriert sich der Sänger lieber auf seine untrügliche Liebe zur puren, handgemachten, zurückgelehnten Musik. Zum Leidwesen der Zeppelin-Fans, aber zur Freude jener, die Plants musikalischen Ausbrüchen seit Dekaden treu folgen.

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