„Krone“-Kommentar

Ein Feiertag? Nein, zum Feiern ist es noch zu früh

Tirol
18.09.2025 15:07

Markus Gassler, Chef vom Dienst der „Tiroler Krone“, stellt sich die Frage, ob der Durchschlag beim Brenner Basistunnel wirklich ein Feiertag ist.

Nach 17 Jahren war es am Donnerstag endlich so weit: Nord- und Südtirol sind wieder verbunden – und zwar unterirdisch durch den Brenner Basistunnel. Mit einer Länge von 64 Kilometern ist er somit der längste Eisenbahntunnel der Welt. Wobei: Bis die ersten Züge durch den Tunnel rollen werden, wird noch viel Wasser den Inn bzw. die Sill hinunterfließen. Frühestens in sieben Jahren, also 2032, können die ersten Züge durch den Tunnel rollen. Die Betonung liegt auf frühestens, denn auch Planung und Bau haben bereits länger gedauert als geplant.

Idee reicht bis ins Jahr 1847 zurück
Die Idee eines Scheiteltunnels durch den Brenner reicht übrigens bis ins Jahr 1847 zurück, in den 1970er-Jahren wurde die Idee dann wieder aufgegriffen, ehe es 1989 erste Machbarkeitsstudien zum Projekt gab. Der vorerst nur symbolische Spatenstich fand 2006 statt, die offiziellen Arbeiten begannen schließlich 2008. Ab diesem Zeitpunkt wurde dann zwar eifrig gebohrt und betoniert, doch der Zeitpunkt der Fertigstellung wurde immer und immer wieder nach hinten datiert.

Markus Gassler ist Chef vom Dienst der „Tiroler Krone“.
Markus Gassler ist Chef vom Dienst der „Tiroler Krone“.(Bild: Krone KREATIV/stock.adobe.com, Krone KREATIV)

Ähnlich verhält es sich auch mit den Kosten. Diese wurden ursprünglich mit 4,5 Milliarden Euro angegeben. 2006 ging man dann bereits von sechs Milliarden aus. Später wurden sie auf 8,4 Milliarden erhöht und tatsächlich sollen sie – Stand heute – am Ende 10,5 Milliarden Euro betragen. Wobei da wohl noch die eine oder andere Million oder gar Milliarde dazukommen wird.

Es braucht eine Verlagerungsgarantie auf die Schiene
Seit Donnerstag sind die beiden Erkundungsstollen zwischen Nord- und Südtirol jedenfalls verbunden. Das wurde auch entsprechend gefeiert und zelebriert. Vor allem von den Politikern, die aus allen Teilen Österreichs und Europas zusammengekarrt wurden. Ob es tatsächlich ein Feiertag ist, kann aber heute noch nicht final beurteilt werden. Denn was nützt uns der schönste Tunnel, wenn am Ende des Tages keiner durchfährt? Wenn es nämlich keine von der EU verordnete Verlagerungsgarantie bzw. Verlagerungspflicht von der Straße auf die Schiene gibt, dann bringt der Brenner Basistunnel rein gar nichts. Dafür müssen dringend die Rahmenbedingungen entsprechend geändert werden. Zurzeit läuft nämlich alles darauf hinaus, dass die Straße immer attraktiver und die Bahn im Gegenzug immer noch unattraktiver wird. Die aktuellen Zahlen belegen das glasklar: Während der prozentuelle Anteil des Güterverkehrs über den Brenner seit 1960 auf der Straße von damals 12,5 auf nunmehr 75 Prozent gestiegen ist, ist jener auf der Schiene von 88 auf heute 25 Prozent gesunken.

Das nächste Problem sind die Zulaufstrecken – hier sind sowohl Italien als auch Deutschland säumig. Wenn der Zulauf hinten und vorne nicht passt, dann bringt auch ein toller Tunnel dazwischen wenig bis gar nichts.

Freier Warenverkehr wichtiger als Gesundheit
Dann ist da noch die bereits eingebrachte Klage Italiens gegen die österreichischen Transit-Schutzmaßnahmen. Vor allem den italienischen Politikern ist das Recht auf den freien Warenverkehr noch immer wichtiger als die Gesundheit der Anrainer an den Transitstrecken. Diese Tatsache wird mit Sicherheit auch nicht dazu beitragen, dass der Donnerstag als ein Feiertag in Erinnerung bleiben wird.

Bundeskanzler Stocker und Italiens Ministerpräsidentin Meloni
Bundeskanzler Stocker und Italiens Ministerpräsidentin Meloni(Bild: Johanna Birbaumer)

Was bleibt, ist die Hoffnung, dass der Brenner Basistunnel am Ende des Tages wirklich das bringt, was der Bevölkerung von Beginn an suggeriert und versprochen wurde: eine Entlastung vom Transitverkehr. Die Hoffnung stirbt zuletzt.

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