Album-Rezension

Ed Sheeran: Per Weltreise zurück ins schöne Leben

Musik
12.09.2025 06:00

Jahrelang befand sich der britische Pop-Superstar Ed Sheeran in einem Lebenstief, das von vielen privaten Rückschlägen begleitet war. Auf einer zwanglosen Weltreise fand er wieder die Lust am Leben – viel davon hat er auf seinem neuen Album „Play“ verarbeitet, auf dem er klassisch Balladeskes mit globalem Technicolor-Pop verbindet.

kmm

Einen genauen Karriereplan zu haben und sich zu überlegen, was man wann und wie erreichen möchte, schadet im Prinzip nicht. Wenn man dann in der absoluten Champions League der Popwelt angekommen ist, dann lassen sich die Überlegungen für den weiteren Lebensverlauf noch etwas entspannter gestalten. Die britischen Stadion-Musiker Coldplay etwa wissen schon, nach wie vielen Alben sie in die musikalische Frühpension eintreten wollen, was so manch altgedienter Fan angesichts der Austauschware der letzten Jahre mit einem erleichternden Seufzer begleitet hat. Unlängst hat aber auch Ed Sheeran klar definiert, wann es zumindest mit den Studioalben reichen soll. Nachdem seine ersten drei Werke mit mathematischen Zeichen gestaltet wurden, startet der 34-Jährige auf seinem neuen Album „Play“ nun in eine neue Ära. In Jimmy Fallons „Tonight Show“ verriet er schon im März, dass dem aktuellen noch „Pause“, „Fast Forward“, „Rewind“ und „Stop“ folgen sollen, bevor dahingehend Schicht im Schacht sein wird.

Reaktion auf die dunkelste Zeit
Nach zwei akustischen und zutiefst melancholischen Alben vor zwei Jahren hat „Everybody’s Darling“ Sheeran auf „Play“ jedenfalls wieder die Lebensfreude gefunden – das gab er schon in einem Statement vor dem Album-Release bekannt. „,Play‘ entstand als direkte Reaktion auf die dunkelste Zeit meines Lebens. Nachdem ich all das hinter mir gelassen hatte, wollte ich einfach nur Freude und Farbe in die Welt bringen – und die Kulturen der Länder entdecken, durch die ich tourte.“ Ehefrau Cherry Seaborn hatte einen inoperablen Tumor, sein bester Freund starb und Sheeran hatte in seinen düstersten Phasen sogar Suizidgedanken. Aus diesem Strudel kämpfte er sich nicht nur mithilfe seiner Familie und der Liebe seiner Fans heraus, sondern auch durch die Kraft der Musik und die Freude daran, die er fand, als er mit seiner Frau durch die Welt tourte und die Öffentlichkeit für eine Zeit lang bewusst aus seinem Leben ausschloss.

Die bunte Vielseitigkeit von Sheerans jüngerer Vergangenheit hört man am deutlichsten im programmatisch betitelten Eröffnungssong „Opening“. „There’s a long way up from rock bottom“ besingt er seinen Schritt zurück ins Licht, „I have cried tears at my brother’s grave, I have shaking hands with my wife’s surgeon” geht er bezüglich der zuvor angesprochenen Krisen auch inhaltlich näher ins Detail. Nach einem akustisch-gemütlichen Beginn leitet er in einen astreinen Rap über und führt damit das weiter, was er in den letzten Jahren gerne forciert hat. „Play“ ist eine interessante Mischung aus dem alten und dem neuen Sheeran. In Songs wie dem loungig-rhythmischen „A Little More“, der zurückgelehnten Piano-Ballade „In Other Words“ oder „The Vow“, wo er seiner Angetrauten in gemütlicher Atmosphäre die ewige Liebe schwört, hört man noch sehr viel vom Ed Sheeran der letzten Jahre, in anderen Tracks strömt aber die dazugewonnene Internationalität durch, mit der er dieses neue Kapitel in seinem Leben einschlägt.

Globales Musikverständnis
Zwei hervorstechende Singles kannte man dabei schon vorher. Das im indischen Goa mit dem dortigen Star-Sänger Arijit Singh aufgenommene „Sapphire“ ist eine zuckerlbunte Klangexplosion, bei der sich Völkerverständigung und kulturelle Zusammenkunft die Hand geben, während er auf der Debütsingle „Azazim“ ins Persische geht und – inspiriert von der köchelnden Liebe zu seiner Frau – westliche und östliche Tonleitern erfolgreich verknüpft. Das ist von Sheeran und seinem Team natürlich ein kluger Schachzug, denn damit erschließt man nicht nur neue Klangwelten, sondern auch kommerzielle Märkte in einem Gebiet, das man in unserer westlichen Popwelt oft sträflich vernachlässigt. Die Themenbereiche auf den 13 Songs beziehen sich auf nostalgische Erinnerungen („Old Phone“), die verschiedenen Facetten von Liebe und Gemeinschaft („Symmetry“, „For Always“) oder propagieren das Durchhaltevermögen in düsteren Zeiten („Don’t Look Down“). Dieser Song vermischt große Pop-Klänge mit sanfter Elektronik und einem überraschenden Crescendo.

„Für mich steckt in dem Album alles, was ich an Musik liebe“, erzählte Sheeran im Vorfeld, „der Spaß, die Freiheit, aber auch der Punkt, an dem ich gerade im Leben stehe – als Mensch, als Partner, als Vater. Schon zum Start der Kampagne habe ich mir gesagt, dass alles Spaß machen muss und spielerisch sein soll. Deshalb bauen wir Pubs für Folk-Jams, spielen Gigs in offenen Bussen und singen mit rosa Cowboyhüten in Bars. Je älter ich werde, desto mehr will ich die Dinge einfach genießen – und die verrückten, chaotischen Momente auskosten.“ Gerade durch den Schritt in die hochglanzproduzierte Pop-Weltmusik versucht sich Sheeran am Coldplay-Trick: Am besten alles vereinen und vermischen und damit ein Gefühl der allumfassenden Liebe projizieren. Das macht er durchaus sympathisch, aber auch so großspurig, dass man bei den vielen Tempo- und Stilwechseln leicht den Überblick verlieren kann. Nummern wie das getragene „Slowly“ und der mit viel Autotune versetzte Closer „Heaven“ zünden aber nicht und bleiben in der Beliebigkeit stecken.

Überraschungen im überschaubaren Rahmen
Die Plattenfirma bezeichnet „Play“ als „Technicolor-Pop“ und liegt damit gar nicht so falsch. Die dreiviertelstündige Achterbahn-Fahrt im Leben eines am Boden gebliebenen Weltstars ist eine zutiefst menschliche und wird gerade deshalb wieder den Nerv der Hörer treffen. Was Ed passiert, kann uns allen passieren und wenn man die Kleinigkeit von ein paar hundert Millionen mehr am Konto wegdenkt ist der blasse Brite auch nicht anders als wir alle. Dass er dieses Gefühl der ehrlichen Bescheidenheit trotz seines Status noch immer so mühelos aufrechterhalten kann, muss man ihm jedenfalls hoch anrechnen. Nach knapp 15 Jahren im Rampenlicht ist Ed Sheeran zu einer gereiften Persönlichkeit mit vielen Narben auf der Seele herangereift. Dass er sich dabei musikalisch aber so gerne von zig Produzenten eine kongruente Linie versalzen lässt, ist dann wohl doch dem Drang zur allumfassenden Beliebigkeit geschuldet. Wenn Sheeran überrascht, dann nur in einem sehr überschaubaren Rahmen, aber es hat auch kaum jemand so ein Händchen für Hits und Emotionen.

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