Zehn Jahre mit ihrer Klangkantine feiert Rapperin/Sängerin Yasmo mit dem vierten gemeinsamen Album „Augen auf und durch“. Einmal mehr vermischt sie Statements und Ansichten mit leichtfüßig-musikalischem Spaß – bald auch live in ganz Österreich. Wir sprachen mit ihr über das neue Album und das gute Leben.
Autorin, Slam-Poetin, Kuratorin, Rapperin und ganz allgemein Vollblutmusikerin – wenn man sich für die einheimische Kulturszene interessiert, kommt man an Yasmin Hafedh aka Yasmo schon seit knapp zwei Dekaden nicht vorbei. Mit „Keep It realistisch“ (2011) und „Kein Platz für Zweifel“ (2014) startete ihre Musikkarriere solo fulminant, eine Heimat fand sie aber in der Zusammenarbeit mit der Wiener Hip-Hop-Jazz-Band Klangkantine. „Augen zu und durch“ ist das vierte gemeinsame Album in einem knappen Jahrzehnt und legt den Finger wieder auf die Wunden der modernen Gesellschaft. Es geht um die großen und kleinen Themen des Alltags. Um die nicht enden wollenden faschistischen Umtriebe im Land, um den permanenten Leistungsdruck. Darum, wie Social-Media-Plattformen unsere Welt und unser Zusammenleben verändern und wie man mit einer gehörigen Portion Hoffnung auch durch die größten Krisen des Lebens steuern kann. Das Grundstatement lautet: wach bleiben, hinschauen, nicht ausweichen. Eben „Augen auf und durch“ und nicht andersrum, wie man es oft von klein auf eingebläut bekommt.
Sich mit dem Leben konfrontieren
„Ich habe vollstes Verständnis dafür, wenn man gerne die Augen zumacht in dieser Gesellschaft“, erklärt uns die Musikerin im „Krone“-Gespräch, „aber das Ding ist: Wir müssen sowieso durch. Und da glaube ich, dass es gescheiter ist, wenn man es mit offenen Augen macht.“ Yasmo selbst hat diese Einstellung über die Jahre auch erst erlernen müssen. „Wenn ich ganz ehrlich bin, dann fiel es mir schon immer leicht dann was zu sagen, wenn es gerade gut möglich war – ansonsten habe ich oft geschwiegen. Es ist aber wichtig, sich mit der Realität und den Themen des Alltags zu konfrontieren. Je älter ich werde, umso besser gelingt mir das.“ Dass sich die Menschen heute lieber einigeln und die Realität ignorieren, liegt nicht zuletzt an den elektronischen Kommunikationsmöglichkeiten. „Man wird von Nachrichtenmeldungen bombardiert, auf allen möglichen Ecken und Enden – es herrscht ein totaler Overload. Man weiß auch nicht mehr, wem man wie vertrauen kann. Wo hat die KI etwas erzeugt und wo nicht? Die Menschen sind rundum überfordert, das hat natürlich gesellschaftliche Auswirkungen.“
Der Faktor Zeit zieht sich in vielfacher Hinsicht durch das neue Album. Wie nützen wir sie am besten? Was macht sie mit uns? Was bedeutet die Zeit? „Wir stehen alle ständig unter Leistungsdruck und haben den Neoliberalismus mit der Muttermilch aufgesogen - man vergisst völlig, dass sich auszuruhen etwas Produktives ist. Manchmal starre ich in meinem Wohnzimmer bewusst Löcher in die Wand. Kein Netflix, kein Handy, kein Buch, aber aus dieser Langeweile kann ganz viel entstehen, weil endlich die Gedanken kreisen. Das ist ein schöner Prozess.“ In gewisser Weise muss sich Yasmo dafür aber selbst überlisten. „Es liegt in meinem Wesen, dass ich ständig etwas zu tun haben muss. Mittlerweile schreibe ich aber morgens eine To-do-Liste und da ist auch immer eine Stunde dabei, wo ich nichts mache, außer spazieren gehen oder aus dem Fenster schauen.“
Dort, wo das Leben perfekt ist
Eine besonders schöne Nummer auf dem Album ist „Das gute Leben“, das für jede Person anders aussieht. „Für mich findet es an einer ganz bestimmten Strandbar in Triest statt. Dort gibt es den besten Aperol Spritz, dazu gute Chips und einen atemberaubenden Sonnenuntergang, während Reggae gespielt wird. Als ich von dort zurückkam, habe ich mit meinem Songwriter-Kollegen Tobias Vedovelli darüber nachgedacht und den Song geschrieben. Es floss richtiggehend aus mir raus und das Lied war in wenigen Stunden fertig.“ Dieses Lied ist auch ein gutes Beispiel dafür, dass bei Yasmo auch Songs abseits von Polit-, Sozial- oder Gesellschaftskritik entstehen können. „Ich kam aus dem Urlaub, war extrem gechillt und ich fand nichts, über das ich mich aufregen konnte.“ Trotz diverser kritischer Themen ist „Augen auf und durch“ vor allem musikalisch ein rundum positives und wohlklingendes Album geworden. „Ich bin eine trotzige Person, aber mein Ansatz ist immer positiv. Nach zehn Jahren mit der Klangkantine haben wir intern einen neuen Ansatz gefunden – der Spaßfaktor wird immer wichtiger.“
Frei nach dem Motto „Hurra, die Welt geht unter“ fokussiert sich Yasmo trotz aller Kritikpunkte lieber auf die guten Seiten des Lebens. Nicht zuletzt, weil sich Yasmo & Die Klangkantine in erster Linie als Liveband verstehen. „Es klingt fürchterlich, das zu sagen, aber wir sind eine der fettesten Livebands des Landes. Der Bläserkorpus und die Rhythmusgruppe sind top und wir sind für die Bühne geboren. Deshalb kommt bei diesen Songs wahrscheinlich auch der Live-Charakter so gut rüber.“ Songwriting ist für Yasmo eine magisch funktionierende Freude. „Manchmal gelingen mir Zeilen, die ich einfach geil finde“, lacht sie sympathisch, „noch schöner ist natürlich, wenn die Freundinnen das so sehen. Diese Magie kann man nicht immer abrufen, aber manchmal gelingt sie.“ Die Themenpalette auf dem Album ist vielseitig. „Friends“ ist eine Hymne darauf, dass man sich für seine Lieben mehr Zeit im Leben nehmen sollte, „Carousel Ride“ ein kritischer Social-Media-Song.
Die Ambivalenzen der Gegenwart
„Ich sehe zunehmend Menschen, die ihr Handy in die Hand nehmen und in die Kamera heulen und diese Momente mit der Öffentlichkeit teilen. Vielleicht liegt es am Generationsunterschied, aber es schwingt auch immer die Botschaft mit, dass man mit Tränen den Social-Media-Auftritt kapitalisiert. Der Narzissmus von jüngeren Menschen ist heute höher, aber man muss auch überall um Aufmerksamkeit kämpfen. Wenn ich von jemandem ein Ratgeberbuch gegen Depressionen kaufen kann, wird mich das nicht spontan heilen. So wird ein ernstes Thema zum Geschäft gemacht.“ Das Alter spielt auch bei „Growing Pains“ eine Rolle. „Bei der Nummer stellte ich mir die Frage, was ich meinem Kind fürs Leben mitgeben würde. Jeder soll und darf auf die Schnauze fallen dürfen, aber wenn ich gebraucht werde, bin ich da. Die besten Erfahrungen macht man aus Rückschlägen, aber es ist gut zu wissen, dass man auf jemanden bauen kann. Egal, was passiert.“
Auf dem mit Deichkind-Partysounds unterlegtem Song „Laut genug“ wird Rechtsextremismus angeprangert. „Es gibt im Leben auch Grenzen und rote Linien, die nicht überschritten werden dürfen. Faschismus ist keine Meinung, deshalb muss man da nicht diskutieren. Ansonsten versuche ich schon immer mit Menschen, die andere Meinungen pflegen, ins Gespräch zu kommen. Es gibt im Leben immer so viele Wahrheiten im Raum wie Menschen dort sind.“ Diese Offenheit hat Yasmo mit den Jahren gelernt. „Ich war früher sicher radikaler, zum Beispiel in meinem Feminismus. Feminismus lese ich so, dass er für alle ist. Es geht mir um eine gleichgestellte Gesellschaft, in der niemand Diskriminierungserfahrungen machen sollte. Dass auch Männer davon betroffen sein können, habe ich mit 20 sicher nicht so gut verstanden wie heute.“ Musikalisch versucht Yasmo jedenfalls auch schwierige Themen mit möglich viel Spaß und Leichtfüßigkeit zu durchziehen. Das macht „Augen auf und durch“ zu einem frischen und zeitgemäßen Album, das mahnende Worte niemals mit Belehrung verwechselt. Heutzutage ein rares Gut.
Tour durch Österreich
Mit dem neuen Album gehen Yasmo & die Klangkantine auch auf große Österreich-Tour. Zu sehen ist die Band am 21. November im OKH Vöcklabruck, am 28. November in den Kammerlichtspielen Klagenfurt, am 29. November im Grazer Dom im Berg, am 12. Dezember in der Arena Wien, am 17. Dezember im Salzburger Rockhouse, am 18. Dezember in der Remise Bludenz und am 19. Dezember im Treibhaus Innsbruck. Unter www.yasmo-klangkantine.com gibt es alle weiteren Informationen, Termine und die Links zu den Tickets.
Willkommen in unserer Community! Eingehende Beiträge werden geprüft und anschließend veröffentlicht. Bitte achten Sie auf Einhaltung unserer Netiquette und AGB. Für ausführliche Diskussionen steht Ihnen ebenso das krone.at-Forum zur Verfügung. Hier können Sie das Community-Team via unserer Melde- und Abhilfestelle kontaktieren.
User-Beiträge geben nicht notwendigerweise die Meinung des Betreibers/der Redaktion bzw. von Krone Multimedia (KMM) wieder. In diesem Sinne distanziert sich die Redaktion/der Betreiber von den Inhalten in diesem Diskussionsforum. KMM behält sich insbesondere vor, gegen geltendes Recht verstoßende, den guten Sitten oder der Netiquette widersprechende bzw. dem Ansehen von KMM zuwiderlaufende Beiträge zu löschen, diesbezüglichen Schadenersatz gegenüber dem betreffenden User geltend zu machen, die Nutzer-Daten zu Zwecken der Rechtsverfolgung zu verwenden und strafrechtlich relevante Beiträge zur Anzeige zu bringen (siehe auch AGB). Hier können Sie das Community-Team via unserer Melde- und Abhilfestelle kontaktieren.