Mit Bunny Lake revolutionierte Teresa Rotschopf in den 2000er-Jahren den österreichischen Elektropop. Für ihr neues Soloalbum „Currents And Orders“ begab sich die Salzburgerin in eine steirische Topfsteinhöhle. Warum sie das tat und wie sie das bewerkstelligte, erzählt sie uns im großen Interview. Live stellt sie das Album heute Abend (11. September) live im ORF Radiokulturhaus in Wien vor.
Stellen Sie sich vor, Sie sind der Obmann des Österreichischen Höhlenvereins und an einem ganz normalen Bürotag mit Parteienverkehr klopft eine Musikerin an ihre Tür und eröffnet Ihnen, dass sie gerne ein Album in einer Höhle aufnehmen würde. So passiert ist das in der Realität vor etwa drei Jahren, als die Salzburgerin Teresa Rotschopf die zu einem gewissen Teil bereits ausgearbeiteten Songs für ihr neues Soloalbum „Currents And Orders“ im richtigen Rahmen umsetzen wollte. War ihr Solodebüt „Messiah“ 2018 mit sakralen Orgelklängen noch stark von ihrer ländlichen Heimat Tamsweg in Salzburg beeinflusst, ging die 41-Jährige dieses Mal bewusst einen ganz anderen Weg. Die nur vier, teils überlangen Songs auf ihrem experimentellen Pop-Album flirten mit Jazz- und Ambient-Anleihen und schaffen das Kunststück, sie gleichermaßen im heimischen Fauteuil bei einem Glas Rotwein mit Kopfhörern genießen zu können, als auch mit voller Bandbesetzung als Livekonzert in einer akustisch gut ausgemischten Location.
Suche nach der richtigen Akustik
„Für mich stellten sich bei dem Projekt viele Fragen“, erzählt Rotschopf im gemütlichen Gespräch mit der „Krone“, „wie klingt Musik in einer Höhle? Was macht eine Höhle mit meiner Musik und warum geht man überhaupt in eine Höhle?“ Zu den wichtigsten Ausgangspunkten für die eigene Umsetzung zählte ein Podcast über die Höhle als Instrument und eine persönlich langgehegte Faszination dafür. Das Bezwingen von Klaustrophobie oder Platzangst habe dabei aber nur eine minimale Rolle gespielt. „Ich habe prinzipiell immer ein besonderes Interesse an Akustik. Natürlich hätte man das Album auch in einer Holzhütte aufnehmen können, aber das wäre klanglich nicht dasselbe gewesen.“ Höhlenvereins-Obmann Lukas Plan half ihr nach der ungewöhnlichen Anfrage schnell bei der Suche nach der richtigen Lokation. Gefunden hat man sie dann in der Nähe der oststeirischen Stadt Weiz. Im Juni 2023 wurde die im Privatbesitz befindliche und öffentlich zugängliche Höhle Rotschopf und ihrer sechsköpfigen Band für drei Tage zur Verfügung gestellt.
„Wir hatten dort unten das Gefühl von totaler Geborgenheit. Man ist immer von etwas umgeben. Ich habe diese Höhle als warmen und beschützenden Ort empfunden. Wir haben die Mikrofone in teilweise acht Meter Höhe aufgebaut, wahnsinnig viele Kabel verlegt und eine ganze Tonanlage hinein transferiert“, lacht die Musikerin, „und im Ergebnis hört man viele Details. Etwa, wie im Hintergrund eine Fledermaus durchfliegt. Das war schon eine ganz spezielle Atmosphäre.“ Die Songs standen schon im Vorfeld fest, mit Ko-Produzent und ihrem langjährigen „Partner in Crime“, Patrick Pulsinger, kämpfte sich Rotschopf zum gewünschten Ergebnis. „Er hatte manchmal ein etwas anderes Bild vom Sound als ich, aber das ist in einer Zusammenarbeit ganz normal. Wir haben es, denke ich, gut geschafft, dass die vier Songs trotz ihrer Länge eine gute Dynamik haben und gleichzeitig leicht hörbar sind. Wenn es um Entscheidungen geht, bin ich der Advocatus Diaboli, weil ich von einer klassischen Musikproduktion wegwollte.“
Zeit für ein echtes Ritual
Die Vermischung aus modern-elektronischen Klängen und der total ursprünglichen Höhlenatmosphäre macht „Currents And Orders“ zu einem ganz speziellen Experimentalpop-Album. „Wenn man Stunden und Tage in einer Höhle verbringt, verändert sich der Klang der Instrumente und man spielt anders. Das ist eine ganz eigene Energie, die sich aus dem Prozess entwickelt. Ich wollte bei diesen Liedern den Rahmen bewusst offenlassen, um zu schauen, was passiert und wie die Nummern klingen, wenn man sie ungefiltert drinnen in der Höhle aufnimmt.“ Für Rotschopf hatte die Arbeit noch einen zusätzlichen, besonderen Aspekt. „Die Höhle stand immer als Ort für bestimmte Rituale und jetzt wollte auch ich ein Ritual machen. Ich tendiere als Künstlerin ohnehin dazu, lieber ein paar Extrameter zu machen, um zu dem Ergebnis zu kommen, das mich zufriedenstellt. Anfangs hatte ich überhaupt keine Ahnung, wo die Reise hingehen soll.“ Durch die spezielle Situation war auch die Produktion sehr aufwändig. „Man muss das Album vom Anfang bis zum Ende durchhören. Es ist eine ganz spezielle Reise und eher nicht Spotify-tauglich.“
Im Großen und Ganzen kann das finale Werk als eine Auseinandersetzung mit den Gezeiten verstanden werden. „Manchmal ist es extrem laut und intensiv, dann wieder ganz klar und leise. Wo du jeden einzelnen Tropfen hörst. Das Album hat eine Struktur und fließt, aber es häutet sich immer wieder und ist losgelöst von allem. Ich habe im Produktionsprozess früh bemerkt, dass sich daraus ein Eigenleben entwickelt und nichts zu glatt wird. Eine catchy Pop-Nummer zu schreiben ist große Kunst, aber das hat mich hier gar nicht interessiert. Man muss sich darauf einlassen und das macht es aus.“ In den 2000er- und frühen 2010er-Jahren war Rotschopf als Hälfte von Bunny Lake Amadeus-Gewinnerin und Popstar im heimischen Elektropop-Sektor. Seit geraumer Zeit konzentriert sie sich vornehmlich auf Soundtracks, Film- und Auftragsarbeiten und steckt den Rest der kargen Zeit in ihre ambitionierten Solopläne. „Ich muss mich zum Glück auch bei den Auftragsarbeiten nicht einengen und kann mich sehr frei bewegen. Das eine befruchtet dann das andere.“
Live im Radiokulturhaus in Wien
Nach diesem fast schon monumentalen Produktionsprozess würde es Rotschopf aber gerne wieder simpler angehen. „Das nächste Album entsteht in meiner derzeitigen Vision schnell und unkompliziert. Vielleicht nur ich alleine mit einem Synthesizer im Studio – als bewusster Gegenpol zu ,Currents And Orders‘, das wirklich viel abverlangt hat.“ Zuvor stellt sie ihr neues Baby aber heute Abend (11. September) live im ORF Radiokulturhaus in der Wiener Argentinierstraße vor (es gibt noch Karten an der Abendkassa). „Natürlich wäre es schön, ein Höhlenkonzert zu veranstalten, aber das wird mit Komponenten wie einem Publikum und der gesamten Organisation dann schon etwas schwieriger“, lacht sie, „das Schöne an der Musik ist aber, dass man sie überallhin transportieren kann. Die Frage ist immer, ob die Form den Inhalt oder der Inhalt die Form bestimmt. So toll das Setting für die Aufnahme des Albums auch war, die Höhle ist nicht notwendig, um es live zu spielen.“ Wer in die Klangwelten von Teresa Rotschopf eintauchen will, muss heute also nicht in die steirische Diaspora reisen …
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