Neues Album & Wien-Gig

Ghostwoman: Eine Band, aus dem Zufall geboren

Musik
10.09.2025 09:00

Aus einem wurden zwei und aus zwei wurde eine Band, die seitdem nicht mehr aus der psychedelisch angehauchten Garage-Rock-Szene wegzudenken ist. Dieser Tage veröffentlichen Ghostwoman ihr viertes Album „Welcome To The Civilized World“, das sie bald live in Wien vorstellen. Evan Uschenko und Ille van Dessel sprachen mit der „Krone“ über ihr spezielles Kennenlernen, die Unwichtigkeit von Texten und wieso es auch mal härter sein darf.

kmm

Das Schicksal schreibt im Leben oft die allerbesten Geschichten. Dass wir die zumeist roh und ursprünglich musizierende Combo Ghostwoman in dieser Form hören dürfen, haben wir dem Zufall zu verdanken. Frontmann Evan Uschenko, zuvor lange Multiinstrumentalist für diverse Bands, hat die beiden ersten Alben 2022 in einem Farmhaus in Alberta aufgenommen und sich schlichtweg seiner eigenen Ziellosigkeit hingegeben. Nachdem er ein paar motivierte Mitstreiter gefunden hatte, ging es 2022 über den großen Teich, um in Europa zu touren. Beim Levitation Festival in Frankreich kam es dann zur verhängnisvollen Begegnung zwischen Uschenko und der belgischen Schlagzeugerin Ille van Dessel, die beider Leben für immer verändern sollte. „Ich habe in einem angrenzenden Hotel gerade einen Mordskater auskuriert, als ein Kumpel sagte, dort spiele gleich eine Band namens Ghostwoman, die sollte ich sehen“, erinnert sich van Dessel im gemeinsamen „Krone“-Gespräch noch gut zurück, „sie haben ihr Set mit dem Cover ,Wild Thing‘ beendet, richtig cool. Dann sind Evan und ich uns später über den Weg gelaufen.“

Zwei Seelen wurden zu einer
Aus einem ersten Kennenlernen und Beschnuppern wurde eine Kreativbeziehung, die bis heute anhält. So, als hätten sich zwei Suchende endlich gefunden, ohne überhaupt Wert darauf gelegt zu haben, zu suchen, um sich zu finden. „Ich hatte relativ kurz nach diesem Festival irgendwann ein Mädelswochenende ausgemacht, ansonsten sind wir seit damals unzertrennlich und haben eigentlich keinen Tag ohne einander verbracht.“ Uschenko ergänzt schmunzelnd: „Und all das, obwohl Ille anfangs nicht einmal einen meiner eigenen Songs mochte.“ Wenn man den beiden Bandmitgliedern von Ghostwoman gegenübersitzt, spürt man eine besonders neckische Vertrautheit, die weit über das bloße Musizieren hinausgeht. Hier hat sich eine Seele in zwei verschiedenen Körpern vervollständigt. Mit ihrem ersten gemeinsamen Album „Hindsight 50/50“ (2023) zeigten sich Ghostwoman erstmals von ihrer ganz neuen Seite. Zu den alten Alben hört man vielleicht nicht allzu viele Unterschiede raus, aber van Dessels simples und doch rhythmisches Drumming hat den Sound doch stark verändert und vor allem verbessert.

„Am Anfang bestand das Projekt einfach nur aus mir und purem Spaß an der Musik“, analysiert Uschenko, „der Spaß ist noch immer derselbe, aber es fühlt sich alles ernster und besser an. Wir sind jetzt unsere eigene Einheit und können uns bis heute nicht erklären, wie sich das mit uns so ergeben hat. Es hat sich aber ergeben und funktioniert hervorragend.“ Nur mit dem Bandnamen musste sich die Schlagzeugerin länger vertraut machen. „Hätte ich eine Band gestartet, wäre dort niemals das Wort ,Woman‘ im Titel vorgekommen. Das ist mir zu stark darauf projiziert und hervorgehoben, aber wenn man sich mit einem Namen schon mal ein bisschen etabliert hat, wäre es auch nicht klug, wieder bei null anzufangen. Ich habe meinen Frieden damit gemacht, es ist okay so.“ So ungezwungen und locker sie am Vorgänger arbeiteten, arbeiteten die beiden am mittlerweile vierten Ghostwoman-Studioalbum „Welcome To The Civilized World“, das – man muss für die Erkenntnis beileibe keinen Doktortitel besitzen - natürlich ironisch bis sarkastisch gemeint ist und vielmehr das Durchhalten in einer Welt voller Kriege, Ängste und Unsicherheiten propagiert.

Soundtrack zur Apokalypse
Gewohntermaßen zwischen Kanada und Belgien, den beiden Heimaten der Musiker, pendelnd, hat man die Songs überall dort eingespielt und aufgenommen, wo man gerade war. Im Studio eines guten Freundes, auf einer Hütte in den schneeverwehten belgischen Ardennen oder auf einem Vierspur-Bandgerät unterwegs. Diese ungepflegte und imperfekte Rohheit des Aufnehmens hat sich in hervorragenden Garage-Rock-Songs wie dem Titeltrack, „That Jesus“ oder dem nach Uschenkos geliebten Hund benanntem „Levon“ manifestiert. Tracks wie „Anhedonia“ zeigen, dass man sich dieses Mal bewusst stärker in die psychedelische Ecke fallen ließ, die Single „Alive“ wiederum zeigt Ghostwoman so eingängig und zugänglich wie nie zuvor. Ein buntes Panoptikum trockener Liedkunst, deren raue Coolness über alle Maßen herausragt. Das Album ist eine einzige Durchhalteparole, die allein schon deshalb einen besonders ernsten Geschmack hat, weil van Dessel in den letzten Jahren gleich mehrere Freunde an Suizid verlor.

Als Duo funktionieren Ghostwoman am besten. Überlegungen, die Band aufzustocken, gibt es für bestimmte Live- oder Festivalshows immer wieder, doch die pure Kraft von Schlagzeug, Gitarre, Gitarreneffekten und Stimme reicht dem Duo, um nicht zu weit vom markanten Signature-Sound abzuweichen. „Es ist alles so unkompliziert. Man hüpft zu zweit in den Van, hat kaum Equipment, muss sich mit niemandem abreden oder darauf hoffen, dass Leute pünktlich sind und Terminvorgaben einhalten. Wir schaffen es auch so, dass sich der Sound auf der Bühne nach einer fünfköpfigen Band anhört, obwohl wir nur zu zweit sind. Das ist absolut ausreichend.“ Auch das Songwriting ist im Duo wesentlich einfacher zu bewerkstelligen. „Zumeist startet alles mit einem Drumbeat von Ille und ich baue mich dann ein. Wir experimentieren und jammen viel herum, die Songs entstehen organisch und ungezwungen.“

Ausritte sind möglich
Wenig Wert legt man im Hause Ghostwoman übrigens auch auf die Texte, die keine besondere Rolle spielen. „Das taten sie noch nie“, lacht der Frontmann, „die meisten der älteren Alben habe ich überhaupt schon vergessen, also improvisiere ich bei Konzerten. Wir haben auch ein paar Instrumentalsongs, aber so ganz ohne Gesang funktioniert das Konzept der Band auch nicht.“ Musik ohne Gesang könnten sich die beiden aber in einem anderen Projekt vorstellen. Seit geraumer Zeit sind sie harscher Industrial-, Noise- und Drone-Musik verfallen und hegen durchaus Ambitionen, dahingehend in die Offensive zu gehen. „Warum nicht? Bislang sind wir noch nicht so weit, aber diese Welt fasziniert uns. Warten wir ab.“ Bis dahin bündeln sie aber ihre Vorliebe für den rockigen 60er-Sound New Yorks (van Dessel) und der psychedelischen Schlagseite der 60er- und 70er-Jahre an der amerikanischen Westküste (Uschenko) zu ihrem ganz eigenen Gebräu, das sich immer stärker weiterentwickelt, ohne dabei die eigene Ecke zu verlassen.

Live in Wien
Am 15. November stellen Ghostwoman ihr famoses neues Album „Welcome To The Civilized World“ vermischt mit den Songs aus der Vergangenheit übrigens im Wiener The Loft vor. Tickets für die Show sind noch zu haben.

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