Spurensicherung

Die neue First Lady an Wiens Tatorten

Österreich
23.11.2013 17:00
Charmantes Lächeln, geschmackvolle Kleidung, perfekt manikürte, rot lackierte Fingernägel und eine blonde Löwenmähne - es ist wohl nicht das erwartete Bild einer Frau, die an der Spitze der Wiener Tatortgruppen steht. Und auch der Job der 48 Jahre alten, gebürtigen Oberösterreicherin Bettina Bogner ist nichts für schwache und sensible Nervenkostüme. Vielmehr ist es ein Arbeitsplatz, der - pardon, liebe Herren - vermutlich selbst für die hartgesottensten Alphatiere eine wahre Herausforderung wäre.

Zu ihrer Arbeit gehört, tagelang in einem Wald herumzustreifen und nach abgetrennten Gliedmaßen zu suchen, mitten in der Nacht auf der Autobahn Leichenteile zu bergen oder auch einen toten Säugling, verpackt in einem Plastiksack, aus dem Gebüsch zu ziehen - ein wahrer Knochenjob, der auch einen hohen Ekelfaktor birgt. Für die alleinerziehende Mutter einer mittlerweile erwachsenen Juristin (28) stellt das jedoch kein Problem dar.

Die 48-Jährige weiß wie keine andere, wie man sich zum Beispiel vor Getier wie Maden schützt, die sich wenige Stunden nach Eintreten des Todes auf einem Mordopfer ansiedeln und sich ihren Weg bis in den hintersten Winkel des Schutzanzuges bahnen können - nämlich mit Spezial-Klebeband an Arm- und Fußgelenken.

Zudem kennt Bogner jedes DNA-Detail vom Wiener "Kannibalen-Mord" (ein Niederösterreicher war 2007 vom Kehlkopf bis zu den Genitalien aufgeschlitzt worden, der Leiche fehlten Teile der Schädelmasse und die Zunge, Anm.) oder der Schießerei im Hindu-Tempel von 2009, bei der ein indischer Guru ums Leben gekommen war. Nicht zu vergessen, dass die 48-Jährige nach dem Krieg im Kosovo vor Ort Getötete ausgrub, um sie für die Angehörigen zu identifizieren.

"Du versitzt den Burschen den Ausbildungsplatz"
Doch welcher Mensch, welche Biografie steckt hinter einer Frau, deren Arbeitsalltag an die schauderhaftesten Plätze führt und die sich ständig in die Psyche von Mördern, Kinderschändern und Vergewaltigern hineindenken muss?

Dass sie sich mehr für Schutzgasschweißen und Maurerarbeiten als für Styling oder Ähnliches interessierte, schien bereits zu Bettina Bogners Jugendzeit auf viele Menschen in ihrem Umkreis befremdlich zu wirken. Auf der HTL für chemische Betriebstechnik musste sie sich selbst von den Lehrern anhören: "Du versitzt hier den Burschen den Ausbildungsplatz. Geh' auf die Hauswirtschaftsschule, wo du hingehörst."

Davon entmutigen ließ sich die heutige Chefin von mehr als 200 Beamten nicht - auch nicht, als sie nach ihrer Ausbildung die Leitung eines Entwicklungslabors in Tirol übertragen bekam und sie ihrem Team kein Bier ausgeben konnte. Denn der Wirt weigerte sich damals, von einem Mädchen eine Bestellung aufzunehmen.

Erste Tatortgruppen-Beamtin Österreichs
Es scheint fast so, als hätten Vorfälle wie diese viel eher zu einer Jetzt-erst-recht-Einstellung bei der unerschrockenen Blondine geführt. Denn nachdem sich die 48-Jährige als Chemie-Koryphäe einen Namen gemacht hatte, meldete sie sich bei der Polizei-Aufnahmeprüfung an, bestand und wurde schlussendlich die erste Tatortgruppen-Beamtin Österreichs. Dass sie nun die Wiener Spurensuche leitet, ist also nur die logische Konsequenz dieses vor Willen und Durchsetzungsvermögen strotzenden Lebenslaufs.

Wer aber nimmt Bettina Bogner in den Arm, wenn dieser Job selbst dem Stärksten zusetzt? Gibt es einen Partner? "Beziehungen ja, fixer Freund nein. Wenn ich mich aussprechen will, dann gehe ich mit meiner Jugendfreundin auf ein Bier", erzählt Bettina Bogner. Allerdings löst die Oberösterreicherin Probleme ohnehin lieber mit Taten statt mit Worten. Geht ihr ein Fall an die Nieren, setzt sie sich lieber so lange ans Mikroskop, bis sie eine Spur findet. Gewaltverbrecher können sich also in Zukunft auf etwas gefasst machen.

Loading...
00:00 / 00:00
play_arrow
close
expand_more
Loading...
replay_10
skip_previous
play_arrow
skip_next
forward_10
00:00
00:00
1.0x Geschwindigkeit
explore
Neue "Stories" entdecken
Beta
Loading
Kommentare

Da dieser Artikel älter als 18 Monate ist, ist zum jetzigen Zeitpunkt kein Kommentieren mehr möglich.

Wir laden Sie ein, bei einer aktuelleren themenrelevanten Story mitzudiskutieren: Themenübersicht.

Bei Fragen können Sie sich gern an das Community-Team per Mail an forum@krone.at wenden.



Kostenlose Spiele