Nationalpark Kalkalpen

Eine Bergtour in ein verbranntes Paradies

Bergkrone
19.06.2025 06:26

Ein Blitz, ein Feuer und 14 Hektar Bergwald standen im Sengsengebirge (OÖ) in Flammen. Zwei Jahrzehnte später zeigt sich, was passiert, wenn Natur sich selbst überlassen bleibt.

Eine Wanderung mit Biologe und Zoologe Erich Weigand, zu einem Ort , an dem Vielfalt aus der Asche wächst. Denn bei der lehrreichen und interessanten Bergtour mitten im Nationalpark Kalkalpen merkt man schnell: Die Natur ist kein statisches Bild, sie ist ein ständiger Prozess.

Veränderung, Zerstörung, Erneuerung – all das gehört dazu. Unser Tourenziel ist eine wirklich besondere Stelle im Sengsengebirge: eine Brandfläche, die im August 2003 nach einem Waldbrand 14 Hektar Bergwald vernichtete.

Im August 2003 wurden 14 Hektar Bergwald im Nationalpark Kalkalpen vernichtet.
Im August 2003 wurden 14 Hektar Bergwald im Nationalpark Kalkalpen vernichtet.(Bild: Rubra)

Für Erich ist dieser Ort in den Bergen nicht nur ein Forschungsprojekt, sondern eine echte Herzensangelegenheit und er hat hier Erstaunliches entdeckt.

Denn der Waldbrand veränderte das Gebiet tiefgreifend. „Damals dachten wir, das wächst bald wieder zu“, erklärt mir Erich.

Doch weit gefehlt. Fast 20 Jahre lang waren Lärchen und Kiefern hier nicht mehr heimisch. Stattdessen kamen andere – und zwar schneller, als gedacht: Brandmoose, Brandmorcheln, Pionierpflanzen wie die Brennnessel – und vor allem: spezialisierte Insekten.

Manche von ihnen, wie die Brandkäfer nehmen Brandgeruch über Kilometer hinweg wahr. Erich: „Sie fliegen gezielt solche Flächen an. Für sie ist das hier ein Lebensraum – eine ökologische Nische, die es sonst kaum mehr gibt.“

Der Wandweg auf den Hohen Nock führt fast direkt zur Brandfläche.
Der Wandweg auf den Hohen Nock führt fast direkt zur Brandfläche.(Bild: Hannes Wallner)
Unterwegs findet man die Bärenriedlau, wo einst Erzherzog Franz Ferdinand jagte.
Unterwegs findet man die Bärenriedlau, wo einst Erzherzog Franz Ferdinand jagte.(Bild: Hannes Wallner)
Von der Jagdhütte führt der Wanderweg weiter bergauf – teils auf allen Reitenwegen.
Von der Jagdhütte führt der Wanderweg weiter bergauf – teils auf allen Reitenwegen.(Bild: Hannes Wallner)
Eine Wanderung in den Kalkalpen ist ein imposantes Berg- und Naturerlebnis.
Eine Wanderung in den Kalkalpen ist ein imposantes Berg- und Naturerlebnis.(Bild: Hannes Wallner)
Selfie beim Warten: Die „Bergkrone“ unterwegs im Nationalpark Kalkalpen.
Selfie beim Warten: Die „Bergkrone“ unterwegs im Nationalpark Kalkalpen.(Bild: Hannes Wallner)

Denn was hier erforscht wird, kann man in kaum einem anderen Gebiet so beobachten: Natur, die sich selbst überlassen wird.

Katastrophen wie Windwurf, Lawinen oder Borkenkäfer werden im Nationalpark Kalkalpen nicht bekämpft – sie sind Teil eines natürlichen Kreislaufs.

„Für uns Menschen ist ein Feuer eine Katastrophe“, sagt der Biologe. „Für die Natur die Chance, das natürliche Gleichgewicht wieder herzustellen.“

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In einem Nationalpark regelt sich die Natur selbst und oft besser, als wir es je könnten – das ist ihr größer Vorteil.

Dr. Erich Weigand

Besonders beeindruckend ist aber, was unter der Oberfläche passiert. Unmittelbar nach dem Brand wurden Bodenfallen aufgestellt, die bis heute betreut werden – eine der längsten Studien ihrer Art im Alpenraum. Untersucht wurden vor allem Käfer, die als Indikatoren für Biodiversität gelten. Das Ergebnis: Mehr als 200 Arten wurden auf der Brandfläche gefunden – viermal so viele wie auf anderen Vergleichsflächen im Nationalpark.


Wildnis lässt sich nicht planen
Die Brandfläche auf der Südseite des Sensgengebirge ist ein Paradebeispiel dafür, wie dynamisch Wildnis funktioniert. Die Rückkehr des Waldes ist kein linearer Prozess. Mal kommt etwas, mal verschwindet es wieder. Latschen, die zunächst verbrannt waren, sind nun vereinzelt zurück. Lärchen und Kiefern – hitzetoleranter als andere Baumarten – schlagen wieder Wurzeln. Aber ob sie bleiben? Ungewiss.

Dr. Erich Weigand inmitten der Brandfläche im Sengsengebirge.
Dr. Erich Weigand inmitten der Brandfläche im Sengsengebirge.(Bild: Hannes Wallner)

„Wildnis lässt sich nicht planen“, sagt Erich. „Das ist das Spannende – und das Schwierige für uns Wissenschaftler.“

Die Fläche ist natürlich auch für jeden zugänglich. Erich: „Auch der Mensch ist ein Teil der Natur!“

Abstecher, der sich nicht nur wegen Aussicht lohnt
Wer dem Wanderweg zum Hohen Nock, dem mit 1963 Metern höchsten Gipfel des Sengsengebirges folgt, kommt fast direkt daran vorbei – ein Abstecher, der sich nicht nur wegen der Aussicht lohnt.

Unterwegs passiert man die 300 Jahre alte Jagdhütte Bärenriedlau, wo einst Erzherzog Franz Ferdinand seinen 1000. Gams erlegte.

Die Vegetation wechselt während der Wanderung spürbar, der Boden wird steiniger – und plötzlich öffnet sich der Blick auf eine Bergfläche, die auf den ersten Blick kahl wirkt, aber voller Leben steckt.

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Wildnis beginnt dort, wo der Mensch zurücktritt. Bei uns erlebt man, wie aus Zerstörung wieder Leben wächst.

Franz Sieghartsleitner, Nationalpark Kalkalpen

Der Nationalpark Kalkalpen zeigt auf eindrucksvolle und erlebenswerte Weise, wie wichtig es ist, der Natur ihren Lauf zu lassen. Was für uns Menschen wie Zerstörung aussieht, ist oft der Beginn von Vielfalt. Feuer, Käfer, Windwurf oder Lawinen – sie alle sind keine Bedrohung, sondern Teil eines uralten Systems, das sich immer wieder selbst in Balance bringt.

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