„Krone“-Interview

Alle Achtung: „Es ist ein Kampf ums Überleben“

Musik
22.11.2025 06:00

An den Riesenerfolg ihrer Single „Marie“ (2020) reichten die steirischen Pop/Rocker Alle Achtung nicht mehr heran, dazu verlor man dieses Jahr auch einen wichtigen Mit-Songwriter und Schlagzeuger. Warum die Band mit dem neuen Album „Radikale Optimisten“ trotzdem durchstartet, warum der Albumtitel auch Lebenseinstellung ist und aus was er von Keyboards im Black Metal hält, das verrät uns Frontmann Christian Stani im sympathischen „Krone“-Interview.

kmm

„Krone“: Stani, euer neuer Albumtitel „Radikale Optimisten“ kann vieles bedeuten. Er kann voller Lebensfreude sein, aber auch eine Trotzreaktion zur weltlich angespannten Situation. Was war für euch bei der Titelgebung ausschlaggebend?
Christian Stani:
 Du hast beides angesprochen, das richtig ist. Radikaler Optimismus ist das, was uns in unserer elfjährigen Bandkarriere immer vorangetrieben hat. Wir hatten in den ersten Jahren völlige Erfolglosigkeit, aber sind trotzdem dabeigeblieben. Dann zeigte die Erfolgskurve steil nach oben, bis 2025 wieder ein schwieriges Jahr für uns war. In solchen Zeiten merkt man, ob man wirklich Optimist ist und stets neu entscheiden kann. Ich bin davon überzeugt, dass es, auch global gesehen, gar keinen anderen Weg geben kann als den, des radikalen Optimismus. Alles andere wäre im Prinzip absolute Dummheit. Im Wortursprung bedeutet radikal, keine Kompromisse einzugehen und wenn auf der Welt irgendetwas die Berechtigung hat, radikal zu sein, dann ist Optimismus.

Auf der Welt herrscht heute eher Radikalismus.
So ist es und wenn es um Ideologien und dergleichen geht, ist der Radikalismus der komplett falsche Weg. Mit Optimismus wirst du immer eine bessere Wahl treffen, eine bessere Lösung finden.

Musst du dir in einem Jahr wie heuer den Optimismus hart erarbeiten?
Natürlich habe ich gerne die rosarote Brille auf. Man kann Dinge immer von verschiedenen Blickwinkeln und Perspektiven sehen, aber Optimismus ist eine Entscheidung, die ich jeden Tag treffen kann. Als radikaler Optimist verschließt man nicht seine Augen vor dem, was schlecht ist. Optimisten sind keine Träumer, sondern Kämpfer.

Braucht man das auch als Songwriter, weil einem die Songs und Erfolge nicht einfach so zufliegen, sondern sie hart erkämpft werden müssen?
Lernen tut man nur aus Misserfolgen. Was wir musikalisch und live auf der Bühne schaffen, geht nur, weil wir es können und auch die andere Seite kennen. Wir hatten auch schon mal null Publikum, mussten Konzerte absagen oder stießen auf gar kein Interesse. Wenn man das kennt, weiß man Erfolge viel mehr zu schätzen. Dranzubleiben ist immer die richtige Entscheidung.

Zu den schweren Dingen 2025 gehört zweifellos der Ausstieg eures Schlagzeugers Patrick …
Das hat uns wirklich durchgerüttelt. Patrick hat so wahnsinnig viel zur Band beigetragen. Natürlich verstehen wir die Entscheidung und bleiben freundschaftlich miteinander verbunden. In solchen Momenten wird einem die Endlichkeit einer Band wieder bewusst, aber der Kern ist da und Gedanken des Aufhörens gibt es noch nicht. Wir hatten vom ersten Tag weg Bewerbungen für den Posten, sogar echte Bewerbungsschreiben. Ich habe nicht damit gerechnet, dass so viele tolle Schlagzeuger bei uns mitmachen wollen.

War der Abschied von Patrick absehbar oder kam er auch für euch überraschend?
Er hat nicht von einem Tag auf den anderen hingeschmissen, es war absehbar. Wenn jemand krank ist und am Ende noch einmal den letzten Weg geht, ist das trotzdem ein Schock.

Gab es nicht mal einen Funken, wo ihr am Fortbestand von Alle Achtung gezweifelt habt? 
Interessanterweise kein einziges Mal. Das Album war da, die Songs waren da - warum aufhören? Die Band hatte in der Vergangenheit auch schon Besetzungswechsel, die alle überstanden wurden.

Gerade in dieser Konstellation habt ihr aber die Höhenflüge erlebt und alle Erfolge gefeiert. Muss man da umso besser überlegen, wer dann in die Band reinpasst, wenn ein Teil rausbricht?
Manchmal tut es gut, wenn frisches Blut kommt. Am Schlagzeug sitzt ab jetzt der Bruder unserer Bassistin Romina. Er kennt die Band, begleitet uns schon lange und sprang auch schon live ein. Gemeinsame Erlebnisse und Erfolge kann man nicht ersetzen, denn man wächst in einer anderen Art und Weise zusammen. Das ist eigentlich ein saublöder Vergleich, aber es ist so, als hätte man gemeinsam Katastrophen überstanden oder wäre im Krieg gewesen. So etwas ist tiefer als jede Form der Kommunikation.

Was habt ihr dann mit all den Bewerberinnen und Bewerbern gemacht?
Die kamen gar nicht zum Zug. Es wäre natürlich interessant gewesen, diesen Weg zu wählen, weil er auch einen neuen Spin gegeben hätte, aber wir haben uns für den sicheren Weg entschieden in einem Jahr, so sonst alles drunter und drüber geht.

Hat Patrick noch an den neuen Songs mitgeschrieben?
Ja und er hat einen großen Teil der Produktion übernommen. Er hat wahnsinnig viel in diese Band eingebracht und es wird sich in weiterer Folge zeigen, wie sich sein Fehlen auf das Songwriting auswirkt. Alle Achtung ist eine Band, wo die Songs immer mit dem momentanen Zustand zusammenhängen. Unsere neue Single „Der Beweis“ ist etwas ganz anderes als „Marie“ – auch inhaltlich. Der Song entstand zu der Zeit, als Patrick beschloss, die Band zu verlassen. Das hatte direkte Auswirkungen auf das Lied.

All die Erlebnisse und Gefühle fließen möglichst ungefiltert in eure Lieder ein?
Das ist wichtig, finde ich. Wir sind keine Band, die 30 Alben abliefert, wo die Themen dieselben sind und immer dieselbe Wäsche gewaschen wird. Zur Bindung der Fans wäre das wahrscheinlich einfacher, aber wir entwickeln uns lieber. Wenn man sich all unsere Alben durchhört, merkt man das massiv. Diese Entwicklung hört nicht auf, sie geht weiter. „Radikale Optimisten“ ist ein neuer Meilenstein in dieser Entwicklung. Man hört gut, wo wir gerade stehen.

Ist es die immerwährende Suche nach dem Kern des eigenen Stils? Oder ist der Kern, dass es keinen Kern gibt?
Wie man klingt und klingen will, ist spannend und beschäftigt alle Musiker. Wenn man sich auf einen Sound festlegt, hat das seine Vorteile. Wir haben Grundelemente, die sich ähnlich sind, aber wir haben alle die Entscheidung getroffen, dass sich bei uns immer viel bewegen soll. Es gibt Menschen, die werden „Marie“ feiern und andere werden die Nummer nicht so mögen. Die mögen lieber andere Songs und freuen sich über die Entwicklung. Wir sind auf der Suche nach „Bandfans“ und nicht nur nach „Songfans“.

Hängt der Erfolg von „Marie“ manchmal wie ein bleischwerer Schatten über eure Karriere?
„Marie“ hat uns so viele Türen geöffnet und ermöglicht, dass wir dem Lied ewig dankbar sein können. Mit dem Song erwischen wir irgendwie alle und live macht er stets großen Spaß. Solange nicht noch drei oder vier Überhits aus dem Nichts kommen, wird man uns immer an dieser Nummer messen. Das ist okay. Es gibt viele Bands und Acts, wo man dazuschreiben muss, wer sie sind. Bei uns ist das noch nicht der Fall, auch weil „Marie“ zu unserer Identität gehört. Ich würde mir hin und wieder wünschen, dass auch andere Songs unsere Identität bestimmen könnten, aber wenn dem so bleibt, dann ist das eben so. Wenn ich irgendwann im Sterben liege und mir geht als DER Song meiner Karriere „Marie“ durch den Kopf, dann kann ich zufrieden sterben.

Mick Jagger hat auch Lieder im Stones-Repertoire, die er nur mehr unter Protest spielen will.
Tausende Bands würden sich einen Song wie „Marie“ wünschen, der von vielen zelebriert und geliebt wird. Der Song wird vielleicht auch mal ein österreichischer Klassiker und es gibt sicher schon 40 Blaskapellen, die ihn fix im Repertoire haben – das ist schon ein Wahnsinnserfolg. Dieses ständige Streben nach mehr taugt mir ohnehin nicht so. Aber natürlich, man braucht die Öffentlichkeit und die Zeitungen brauchen ihre Geschichten. Kann man was toppen – geil. Wenn nicht, ist auch nichts passiert.

Ich habe schon gespürt, dass ihr gerade nach „Marie“ versucht habt, den nächsten Hit zu kreieren. Manchmal vielleicht etwas zu verbissen?
Das ist das Verrückte an einem Hit – man kann ihn weder planen noch messen. Natürlich stehen wir unter Zugzwang und Dinge müssen funktionieren. Wenn ein Song so viele Menschen trifft, will man das Gefühl als Musiker immer wieder erleben. Bei „Radikale Optimisten“ gibt es vielleicht dort und da Potenzial dafür, aber eigentlich ist es wuascht. Hauptsache, das Album gefällt uns, und wir hatten Spaß dabei. Ein Song wie „Kopenhagen“ kann sicher mehr Menschen ansprechen, aber prinzipiell ging es um das Album. Die Songs „Radikale Optimisten“ oder „Antihelden“ sind keine vordergründigen Hits, aber sie taugen uns extrem.

Man spürt, dass du viel mehr mit deiner Gesangsstimme experimentierst, es gibt auch ein paar ziemlich rockige Nummern. Und „Antihelden“ klingt ein bisschen nach Abrechnung mit strengen Kritikern …
Es ist überhaupt kein wütender Song. Wir alle in der Band haben einen Rock- oder Metalbackground, haben auch unser eigenes Label und gaben uns die Freiheit, diesen Song aufs Album mitzunehmen. Wir sind seit fünf Jahren für viele Menschen mit „Marie“ ein One-Hit-Wonder, das ist mir vollkommen bewusst. Für viele sind wir auch eine Partyband, ich kenne all diese Schubladen. Radikal optimistisch zu sein ist auch die Entscheidung, keinen Zwängen nachzulaufen und „Marie“ nicht zu reproduzieren. Ich habe keine Ahnung, ob sich das neue Album gut verkauft, aber der Sound ist eine bewusste Entscheidung.

Zum Optimismus gehört, auch, dass man alle sich bietenden Chancen wahrnimmt. Ihr habt vom Nova Rock über Elektromobilitätstage bis zu Schlagerfesten alles gespielt. Ich bin mir nicht sicher, ob das immer die klügste Entscheidung war, oder passt dir das, dass ihr in alle Extreme ausschert und wirklich überall zu sehen seid?
Das ist eine sehr gute Frage, weil wir uns natürlich Gedanken darüber machen. Kürzlich mussten wir ein Konzert absagen, weil wir zu wenig Karten verkauft haben und da haben wir gemerkt, dass wir in manchen Gegenden offenbar gar keine Fanbase haben. Wie ist das passiert? Haben wir zu wenig gemacht? Oder zu viel? Haben wir uns zu wenig gut vermarktet und zu wenige Kanten gezeigt? Wir haben am Anfang viel mitgenommen und hätten uns sicher einiges sparen können. Damit meine ich nicht, dass wir siebenmal im ZDF-„Fernsehgarten“ waren, das ist schon wieder cool. Aber auch das ist ein Unterhaltungsformat mit klar definierter Zielgruppe – da holst du keine neuen Fans ab. Ich habe es nie als negativ empfunden, dass wir so viel probieren. Wir machen aber wohl Fehler in der Kommunikation. Können nicht klar genug vermitteln, warum wir gewisse Dinge machen oder nicht.

Muss man den Leuten zwingend vermitteln, was man ist und wofür man steht?
Wenn ich streng zu mir selbst bin, kann ich verstehen, dass es manchmal schwierig ist, uns von außen zu folgen. Auf „Radikale Optimisten“ umreißen wir ein paar Grenzen schärfer. Wir stehen für Leidenschaft und Optimismus und das wollen wir auf die Bühne bringen. Wir haben mit viel Herz super Feuerwehrfeste gespielt, aber auch mit gleich viel Herz beim Nova Rock überzeugt. Es geht bei uns nicht so sehr darum, in welchem Genre wir sind, sondern wofür wir stehen. Mit dem neuen Album umreißen wir das klarer.

Durch die Streamingplattformen ist die Genre-Zuteilung heute ohnehin nicht mehr so relevant wie früher.
Das Genre-Denken hat komplett aufgehört. Wir waren der erste österreichische Act am Nova Rock, der eine Woche später bei der „Starnacht“ aufgetreten ist. Inzwischen ist es gang und gäbe, dass heimische Acts am Line-Up sind. Wir befinden uns in einer Zeit, wo Schubladen und Nischen nicht mehr wichtig sind. Und im Black Metal gehen sich die Keyboards auch aus. (lacht)

Wobei Keyboards im Black Metal schon in den 90er-Jahren nicht cool waren …
Das war ein Problem, da hast du recht. Wenn ich mir anschaue, wie mein Sohn heute Musik hört, da ist das alles völlig egal. Das geht von Musical über Rap bis zum Pop. Als Act tut man sich dafür schwerer, Streams zu kriegen, weil die Jungen heute nicht mehr nur die Band, sondern den Song hören. Und von wem der Song ist, ist völlig egal. Als Band entwickelt man sich und schert aus und da kann man nicht immer alle mitnehmen.

Ich gehe noch einmal zurück zum abgesagten Konzert. Ich fand das großartig! Dass oft zu wenig Tickets verkauft werden, weiß man. Die meisten Absagen schieben „produktionstechnische Gründe“ vor, ihr seid offen und ehrlich mit der Wahrheit ans Licht gegangen. Das verlangt Mut.
Natürlich haben wir überlegt, ob diese Entscheidung so klug ist und Sinn macht. Die österreichische Musikszene besteht aus extrem viel Mittelstand und wenigen großen Acts. Wenn du riesig bist, geht quasi alles von selbst, darunter ist es ein Kampf ums Überleben. Konzerte sind momentan die Haupteinnahmequelle von Künstlern, dementsprechend sind die Kartenpreise angestiegen, weil auch alles drumherum immer teurer wird. Ich verstehe, dass Musikhörer selektieren müssen und sich ganz genau überlegen, wem sie Geld geben. Als Alle Achtung sind wir eine Band, wo die Leute riskieren und experimentieren, wenn sie uns sehen wollen. Das ist das Problem der vielen Mittelstandsbands. Man geht dann doch lieber zum Großen, da weiß man, was man kriegt.

Wie kommt man da raus?
Falsch ist auf jeden Fall, irgendwem dafür die Schuld zu geben. Wir als Band müssen darauf schauen, wie wir besser kommunizieren. Warum sollte man zu unseren Shows kommen? Was kriegt man bei uns? Was ist der Mehrwert? Das müssen die Leute wissen, aber es liegt an uns, das zu vermitteln. Wir stellen uns breiter auf und machen etwa kleine Wohnzimmerkonzerte. Akustikshows, total abgespeckt im kleinen Rahmen, weil die Produktionskosten nicht hoch sind und es für alle ein anderes Konzerterlebnis ist. Musiker müssen dahingehend flexibler sein. Ich merke, das wird gut angenommen. Genauso wie die Transparenz in der Kommunikation.

Es ist aber nicht leicht für eine Band, die schon wie ihr gespielt hat, zu sagen: „Okay, mehr kriegen wir gerade nicht hin. Das ist der Rahmen unserer Möglichkeiten und in dem arbeiten wir“.
Natürlich ist Einsicht mit einem gewissen Schmerz verbunden, das muss man sich eingestehen. Das ist aber auch eine Form von Radikaloptimismus, das Gegenteil ist von naivem Optimismus. Man muss sich die Realität eingestehen, denn dann findet man leichter Lösungen und das richtige Level, auf dem man arbeiten kann. Wir sind nicht auf einem Level wie Seiler und Speer und brauchen auch nicht so zu tun als ob. Es ist aber nicht unmöglich, als österreichischer Act ein Stadion auszuverkaufen. Wenn das eine Band kann, heißt das, dass es theoretisch auch für andere möglich ist. Dann muss man darüber nachdenken, wie man das schaffen kann. Wir verkaufen keine Hallen und Stadien aus, sind aber sehr von unserer Musik überzeugt. Wir machen das gern und wissen, dass wir live unfassbar gut sind. Es liegt an uns, wie wir damit umgehen und was wir daraus machen.

Die Schuldzuweisung am Fans ist immer schlecht. Zu Corona gab es Acts, die haben den Menschen ein schlechtes Gewissen eingeredet, wenn sie nicht zu deren Sitzkonzerten kamen. Für die Menschen besteht das Leben aber aus mehr als einem Kulturabend. Da gibt es eine Wahrnehmungsdiskrepanz in der Öffentlichkeit, die sich zu Covid ungut herausschälte. Am Ende entscheidet immer noch der Besucher, warum er wohin kommt.
Den Leuten wird immer eingeredet, sie sollen Karten kaufen und kommen. Ich verstehe den Ansatz aus Musikersicht, aber man darf den Leuten nicht die Verantwortung dafür geben. Man muss ein Programm bieten, dass die Menschen sehen wollen – darum sind wohl auch viele Shows ausverkauft. Wir sind eine Band, die froh ist, wenn auch mal 200 Leute mitfeiern, aber wenn wir dabei alles geben und alle Spaß haben, kann das genauso ein genialer Abend sein. Ich bin selbst großer Musikfan und leidenschaftlicher Konzertgänger – ich überlege mir genau, wie ich mein Budget dafür einteile. Ich bin überzeugt davon, dass viele Leute noch gar nicht wissen, dass sie uns geil finden. Das müssen wir ihnen aber zeigen.

Mit welcher Nummer hat die Reise zu „Radikale Optimisten“ begonnen?
2022 erschien „Liebe und Krawall“, damals waren wir auch noch bei Universal Music unter Vertrag. Songs wie „Kopenhagen“ oder „Mona Lisa“ sind schon sehr früh herumgegeistert und so haben sich peu à peu ungefähr 25 Lieder ergeben. Dann haben wir aussortiert und überlegt, welche Lieder passen und uns eine Identität geben. Es gibt den Volks-Rock’n’Roller, es gibt die Alpen-Barbie oder auch die Alpen-Stones – dann sind wir eben radikale Optimisten. Wir haben kurz überlegt, ob man ein Album so nennen kann, wo ein Lied wie „Antihelden“ drauf ist, aber es hat sich immer richtig angefühlt.

Die Konnotation ist natürlich eine andere. „Antihelden“ wirkt erst einmal wie der bewusste Gegenpart zu „Radikale Optimisten“.
Das hat schon so gepasst und „Radikale Optimisten“ ist nicht nur ein Albumtitel. Das ist ein Lebensgefühl, eine Lebenseinstellung. Es verkörpert uns und vor allem mich. Wir haben dann die Songs rausgesucht, die am besten zu dieser Lebenseinstellung passen. Dazu kamen noch ein paar neue Songs, die neue Facetten aufgezeigt haben. Gefühlvolle, schöne. Am Ende ist die Antwort immer Liebe und Optimismus. Wir haben ganz viel Liebe in dieses Album gesteckt, sie ist überall vorhanden.

Die Liebe ist bei euch ein wiederkehrendes Thema – in all ihren vielen Facetten.
Genau, denn ohne Liebe gibt es weder dich noch mich, noch uns. Ohne Liebe braucht man sich sowieso keine Gedanken mehr zu machen. Dann können wir gleich alle sterben gehen.

Ist es Zufall, dass das Album mit „Kopenhagen“ oder der „Mona Lisa“ mit Paris oft recht geografisch ausgefallen ist?
Das ist witzigerweise ein Zufall, obwohl wir auch noch Hannover draufgekriegt hätten. (lacht) Wir machen Dinge nie aus Berechnung, es passt einfach gerade. In „Mona Lisa“ herrscht die Idee, ein Bild zu heiraten, weil man so vernarrt ist darin. Den Gedanken fanden wir witzig. Dass das Louvre überfallen wurde, wäre ein super Promo-Stunt für uns gewesen, das ging sich leider nicht ganz aus. Unser Gitarrist hat zu Kopenhagen seine ganz persönliche Geschichte, weil er dort seine Frau kennen und lieben gelernt hat. Die geografische Verortung ist aber nicht so wichtig. Es hätte auch Berchtesgaden sein können, statt Kopenhagen.

Es gibt zuweilen erstaunlich viele rockige Elemente auf dem Album. Zwischenzeitlich wart ihr ziemlich im Schlagereck abgestempelt, das hat sich jetzt wieder gedreht.
Wir haben natürlich reflektiert und überlegt und das Schlager-Ding hätte sicher funktioniert, wenn wir da voll reingegangen wären. „Marie“ mehrmals reproduzieren und alles auf eine Karte setzen – nur wären wir damit nicht glücklich gewesen. Erfolg kann man nur richtig genießen, wenn man dabei glücklich ist und die Dinge ehrlich macht. Man muss immer überlegen, was einem wichtiger ist. Uns ist es am Ende das Seelenheil und nicht der Erfolg aus falschen Motiven.

Vor allem trägt man diese falsche, nicht zu einem passende Musik die ganze Karriere lang mit. Das kann auf Dauer nicht gutgehen …
Eine Zeit lang kann man das wahrscheinlich machen, aber auf Dauer macht dich das sicher krank. Das Gefühl, glücklich zu sein, muss immer Priorität haben. Ich mag Dinge, die langsam wachsen und bei Alle Achtung habe ich das schöne Gefühl, dass wir ein Langzeitprojekt sind. Das weiß man alles erst in 40 Jahren, wenn man zurückschaut, aber ich muss nicht immer Turbo-Vollgas geben und es muss nicht alles gleich riesig sein. Ich glaube daran, dass sich Qualität irgendwann durchsetzt.

Das Lied „Im Himmel“ ist eine Zusammenfassung großer Rockstarnamen, die nicht mehr unter uns weilen.
Man stellt sich oft vor, wie es im Himmel aussieht. Bei Musikern denkt man immer daran, dass große Partys gefeiert werden oder sie zusammensitzen - niemand denkt das bei Managern oder Politikern.

Manager kommen doch eher in die Hölle?
Wohl ja. Der Song ist eine Art Anleitung zu einem Langzeitprojekt. Wir arbeiten daran, dass wir über den Tod hinaus im Himmel angenommen werden.

Wie schaut denn deine perfekte Band in der Nachwelt aus?
Als unfassbarer Beatles-Fan würde John Lennon am Mikro stehen. Wobei – ich würde mit ihm eher Songs schreiben, denn zwei Frontmänner auf einer Bühne, das funktioniert eher selten. Auch Jimi Hendrix ist ein Alphatier, das wird also schwierig. Die Leute, die im Song „Im Himmel“ vorkommen, sind sicher meiner Generation geschuldet. Junge Leute heute schauen auf die 80er- und 90er-Jahre zurück und finden das wahnsinnig cool. Bei mir war das die Zeit der Beatles. Lennon, David Bowie oder Jim Morrison – das sind echte Künstler. Mich faszinieren außergewöhnliche Menschen und ich würde von ihnen einfach nur gerne lernen.

„Deutlich lieber“ ist auch eine Nummer, die am Album sehr gut funktioniert.
Der Song ist ein bisschen eine Offenbarung, weil wir uns darin alle öffnen. Dass übrigens der Ort Nestelbach drin vorkommt, hatte einfach den Grund, dass das Wort bei der Aussprache perfekt geklungen hat. Bei einem Konzert kamen übrigens schon mal zwei Damen zu mir, die wirklich aus Nestelbach sind. Die haben einen ganz anderen Zugang und haben sich gefreut, dass es vorkommt. Eine schöne Geste.

Habt ihr für das kommende 2026 bestimmte Ziele und Wünsche?
Im März werden wir eine Tour machen – eben diese Wohnzimmerkonzerte, wo unser Ziel dann wäre, die Zuhörer in fünf Schritten zum radikalen Optimismus zu leiten. Man wird dabei aber kein Mitglied, einer Sekte, tut mir leid. (lacht) In so einem Wohnzimmersetting kann man jedenfalls viel mehr herausholen, als man glaubt. Es ist ein Hybrid aus Rockmusik, wo wir Gas geben, Geschichten erzählen und hinter die Kulissen blicken. Wir versuchen neue Formate zu erschaffen, wo man den Leuten noch etwas Unbekanntes mitgeben kann. Etwas, das sie nicht kennen und wir nicht kennen. Wenn sie dann auch radikale Optimisten sind, haben wir gewonnen. Dann sind ihre Waffen ihre Zunge und ihr Herz.

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