





Geschätzte 49,7 Prozent der Weltbevölkerung sind weiblich. Und ja: Frauen menstruieren. Alles normal? Eh. Doch den wenigsten Menschen ist bewusst, dass nach wie vor viele Mädchen und Frauen keinen Zugang zu Binden und Co. haben. Was aber steigt, ist der weltweite Umsatz mit Damenhygieneprodukten. Apropos: Welche Wirkung hatte eigentlich die „Tampon-Steuer“ in Österreich?
Das Geschäft mit der Regel ist eine wahre Goldgrube: Der weltweite Umsatz mit Damenhygieneprodukten lag laut Statista im Jahr 2023 bei rund 43,8 Milliarden Euro und soll bis 2029 auf geschätzte 58,59 Milliarden Euro ansteigen. Wen wundert’s? Immerhin ist rund die Hälfte der Weltbevölkerung in ihrem Leben geschätzte 450-mal auf entsprechende Hygieneprodukte angewiesen, wissen die Ökonomen Klara Kinnl und Ulrich Wohak von der Wirtschaftsuniversität Wien.
Binden, Tampons, Menstruationstassen, Periodenunterwäsche und Co. sind dabei nicht nur wichtig für die Gesundheit, sondern auch essenziell, um auch während der Regel am öffentlichen Leben teilnehmen zu können.
Doch das ist auch heutzutage noch nicht allen Mädchen und Frauen auf der Welt möglich: „Geschätzte 500 Millionen Menstruierende haben keinen Zugang zu Periodenprodukten“, weiß die gelernte Archäologin und Sozialanthropologin Ines Kohl, Geschäftsführerin der österreichischen NGO „The Rain Workers“: „Eines von 1000 Mädchen weltweit muss deshalb sogar die Schule abbrechen.“
Wir wollen, dass Frauen und Mädchen alle Informationen haben, um selbstbestimmt Entscheidungen über ihren Körper treffen zu können – in Bezug auf ihren Zyklus, sexuelles Verhalten, Familienplanung und Verhütung.
Dr. Ines Kohl, Geschäftsführerin „The Rain Workers“
Bild: Ines Kohl/The Rain Workers
Was Österreichs Steuersenkung brachte
Aber nicht nur im Ausland, sondern auch innerhalb der EU ist der Zugang zu Wissen und Aufklärung rund um den weiblichen Zyklus sowie zu Hygieneprodukten oft nicht niederschwellig genug. Deshalb haben in den vergangenen Jahren mehrere europäische Länder die Umsatzsteuer auf Periodenprodukte gesenkt – so auch Österreich: Seit 2021 sind es bei uns zehn statt bis dahin 20 Prozent auf Einlagen usw.
Dabei hat die Steuersenkung den Konsumentinnen auch tatsächlich etwas gebracht: Sie führte zu niedrigeren Preisen – allerdings: „Der Zugang zu Periodenprodukten verbesserte sich nur minimal“, heißt es in der Studie aus 2023.
Die zwei Forscher haben die Situation anhand von Österreich, Deutschland, Belgien und Frankreich analysiert. Ergebnis: Die Preise sanken ein Jahr nach der Steuerreduktion je nach Land um zehn bis 14 Prozent – was einer kompletten Weitergabe der Senkung an die Konsumentinnen entspricht.
Billiger, aber nicht spürbar
Hierzulande waren es durchschnittlich zehn Prozent. Heruntergebrochen auf den einzelnen Einkauf dürfte das aber für die Österreicherinnen nicht groß zu spüren sein: Kostete eine Packung Tampons Ende 2020 noch fünf Euro, war sie Ende 2021 im Schnitt 50 Cent billiger – die Inflation nicht mitberechnet.
Doch gab es eine Änderung im Kaufverhalten: „Haushalte im niedrigen Einkommensbereich kauften nach der Steuersenkung mehr Periodenprodukte“, heißt es: „Die Maßnahme wirkte also offenbar bei den Personen, für die sie gedacht war.“ Außerdem wurde nach der Steuersenkung eher zu Markenprodukten bzw. Artikeln mit vermeintlich besserer Qualität gegriffen.
Warum nicht mehr gekauft wird
Insgesamt gesehen blieb der Absatz von Periodenprodukten in den untersuchten Ländern dennoch etwa gleich – für die Forscher keine Überraschung. „Binden, Tampons usw. sind Produkte, bei denen man unabhängig vom Preis die Menge kauft, die man eben braucht“, erklärt Kinnl, „so käme ja auch z.B. bei Toilettenpapier oder Taschentüchern kaum jemand auf die Idee, mehr davon zu verbrauchen, weil sie gerade günstiger sind.“
Die Studie zeigt also, dass die Steuersenkung tatsächlich bei den Konsumentinnen ankommt. Dennoch: Um den Zugang zu Hygieneprodukten für einkommensschwache Personen nachhaltig zu verbessern, „braucht es zielgerichtetere Maßnahmen“, erklärt Kinnl – etwa mehr Aufklärungsarbeit und das Verteilen von Periodenprodukten in Schulen.
Warum es Frauen in anderen Ländern mehrfach trifft
Davon ist auch die österreichische NGO „The Rain Workers“ überzeugt – auch wenn sie im Ausland tätig ist. Vor allem in ärmeren Gebieten der Welt trifft es Mädchen und Frauen mehrfach, nicht nur durch fehlende Periodenprodukten.
So hat ein Großteil der Mädchen und Frauen etwa in Ländern wie Niger, Kenia oder Uganda auch keinen Zugang zu ausreichend sauberem Wasser und zu medizinischer Versorgung – was für jedes und jede einzelne katastrophal enden kann.
„Viele Frauen in unseren Einsatzländern wissen oft auch gar nicht, was sich in ihrem Körper während eines Monats oder Lebens verändert“, berichtet Kohl, die u.a. auch ehemalige ÖAW-Forscherin und Afrika-Reiseführerin ist.
Doch das sei auch Basis dafür, dass Frauen ihr Leben selbst gestalten und Verantwortung dafür übernehmen können: „Dass sie selbstbestimmt und geplant schwanger werden und selbst entscheiden, ob sie überhaupt Kinder bekommen möchten“, führt Kohl aus, „denn eine Frau ist immer vollwertig und muss sich nicht über Heirat oder Kinder definieren.“
Wie eine „Babykette“ in Afrika hilft
Auch hilft das Wissen, sich vor Gewalt schützen zu können; außerdem trägt Familienplanung ja auch zur Armutsbekämpfung bei. Deshalb bildet die Organisation in Ländern West-, Ost- und des südlichen Afrikas sogenannte Rain Worker aus, die sexualpädagogische Aufklärung direkt in ihren Gemeinschaften und in ihrer lokalen Sprache niederschwellig vermitteln.
Etwa mit der „Babykette“: Sie veranschaulicht anhand 30 unterschiedlich gefärbter Perlen den weiblichen Zyklus.
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