Fast vier von zehn Wahlberechtigten sind dem Wiener Urnengang am Sonntag ferngeblieben. Sie haben der Politik den Rücken gekehrt. Wie holt man diese Menschen wieder ins Boot? Experten hätten ein paar Vorschläge.
Diese Grafik (siehe unten) sollte allen Politikern zu denken geben. Von den 1,1 Millionen Wahlberechtigten in Wien haben knapp 430.000 den Urnengang am 27. April (Gemeinderatswahl) boykottiert. Das sind fast 40 Prozent! Damit stellen Nicht-Wähler die mit Abstand größte „Partei“ dar.
Die Gründe ihres Fernbleibens: „Viele sehen eine Politik, die sich mehr mit sich selbst als mit tatsächlichen Problemen beschäftigt – von der Migration, über Bildung bis zur hohen Neuverschuldung. Wer das Gefühl hat, dass Probleme lieber verwaltet als gelöst werden, bleibt daheim“, erklärt Franz Schellhorn von der Denkfabrik Agenda Austria.
Enttäuschung und Frust
Ganz ähnlich argumentiert Markt- und Meinungsforscher Christoph Haselmayer (IFDD). Er sieht darüber hinaus noch spezifische Gründe: Etwa 20.000 FPÖ-Anhänger blieben daheim, aus Enttäuschung, weil Herbert Kickl nicht Kanzler geworden ist. Auch unter roten Fans gebe es Frust über die Bundesregierung, weshalb sie ihr Kreuzerl verweigert hätten.
Und SOS-Mitmensch warnt: „Noch nie in der Zweiten Republik hat der Wiener Gemeinderat seine Macht auf einer so dünnen Wählerschaft-Basis aufgebaut.“
Ja, Wien ist eine lebenswerte Stadt. Aber wenn die Politik der Bevölkerung nicht schlüssig erklären kann, was zu tun ist, damit das so bleibt, wird die Wahlbeteiligung nicht steigen. Die Menschen bleiben desillusioniert zu Hause.
Franz Schellhorn, Agenda Austria-Direktor
Bild: Markus Wenzel
Weniger PR, mehr Problemlösung
Wie können die Frustrierten zurück Boot geholt werden? Für die Experten ist klar: Mehr Bürgerbeteiligung, mehr Mitsprache, welche Projekte umgesetzt werden und wofür das Geld eingesetzt werden soll.
Schellhorn: „Die Politik muss aufhören, sich die Lage mit Marketingsprüchen schönzureden. Weniger Plakate, mehr Substanz. Weniger PR, mehr Problemlösung.“ In Dänemark etwa ist die Wahlbeteiligung durchwegs hoch. „Das kommt nicht von ungefähr: dort funktioniert der öffentliche Sektor effizient, transparent und korruptionsfrei. Wo Leistung zählt und Steuergeld sinnvoll eingesetzt wird, wählen die Leute auch“, so die Agenda Austria.
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