Eine blaue Walze pflügt durch die Grüne Mark! Etwa 35 Prozent der Steirer haben sich bei der Landtagswahl am Sonntag trotz Spesenaffäre für die Freiheitlichen entschieden. Die Verliererparteien ÖVP und SPÖ suchen derweil eifrig nach Schuldigen für die historische Schlappe ...
Als die Hochrechnung die FPÖ mit 35,4 Prozent vorne sah, brach ein ohrenbetäubendes „Jaaa“ über die blaue Parteizentrale im Alexander-Götz-Haus herein. Landesgeschäftsführer Stefan Hermann: „Das ist ein historisches Ergebnis, aber unsere Hand ist ausgestreckt.“ Man werde sehen, wie es Christopher Drexler (ÖVP) und Anton Lang (SPÖ) mit dem Miteinander halten werden. Die sind allerdings mit der Suche nach Schuldigen beschäftigt.
Bei den Sozialdemokraten wurden unüberwindbare Entwicklungen ausgemacht, sagte Landesgeschäftsführer Florian Seifter in einer ersten Reaktion im Gösser Bräu in Graz, wo die SPÖ die ersten Hochrechnungen verfolgte. Als Ursache machte er einen nationalen und globalen Trend aus, der bereits bei der Nationalratswahl zu beobachten gewesen sei.
Bei den Sozialdemokraten ist man mittlerweile mit wenig zufrieden: Immerhin sei es gelungen, gegenüber dem Ergebnis bei der Nationalratswahl vor acht Wochen, als die SPÖ in der Steiermark nur 18,59 Prozent erreicht hatte, „noch etwas draufzulegen“, so Seifter.
Kritik an „Stalin-Versteher“ Babler
Rudi Fußi, Bewerber um den SPÖ-Parteivorsitz, wurde noch deutlicher und griff seinen internen Konkurrenten Andreas Babler an. „Die Menschen wollen keine Stalin-Versteher an der Spitze der Bundes-SPÖ.“ Die Steirer Sozialdemoraten um Spitzenkandidat Toni Lang seien „brav gelaufen“.
„Doch bergauf laufen gegen einen desaströsen Bundestrend kann man nicht. Damit setzt sich eine Negativserie fort: Die ÖVP zerlegt es, die SPÖ profitiert davon nicht einmal und landet auf einem historischen Tiefpunkt“, so Fußi in einer Aussendung, die zum Zeitpunkt der ersten Hochrechnung veröffentlicht wurde. Der Bundesparteivorstand stehe in der Verantwortung und müsse diesem „peinlichen Schauspiel“ endlich ein Ende bereiten.
Spitzenkandidat Anton Lang sah auch Bundeseinflüsse, aber „es war eine steirische Wahl mit mir als Spitzenkandidat und das ist auch meine Verantwortung“. Lang war sichtlich bewegt, als er vor diversen Medien die Zahlen der Landtagswahl zu kommentieren hatte.
Drexler: „Großes Dankeschön nach Wien“
Bei der Volkspartei ist der Schuldige schnell gefunden: Alexander Van der Bellen. Landesrat Werner Amon wurde zuerst vor die Mikrofone geschickt. Bundespolitische Themen seien entscheidend gewesen. Die Vorgangsweise von Bundespräsident Alexander Van der Bellen, nicht die stimmenstärkste Partei mit der Regierungsbildung zu betrauen, „hat uns nachweisbar schweren Schaden zugefügt“, so Amon. An Glaubwürdigkeit habe es der Wahlkampagne in der Grünen Mark nämlich nicht gemangelt.
ÖVP-Landeschef Drexler beteuerte, alles gegeben zu haben. Er sehe sich als „Bauernopfer der Republik“. Er sendete in einer ersten Reaktion süffisant ein „großes Dankeschön nach Wien“. Drexler war sichtlich angegriffen und erkannte am eigenen Wahlkampf keine Fehler. Für ihn persönlich sei es eine schwere Niederlage. Eigentlich hätte er den Eindruck gehabt, eine „produktive Landesregierung“ anzuführen. Er werde nun die Vertrauensfrage stellen.
Hängende Köpfe bei den Grünen
„Das Ergebnis tut einfach nur weh“, sagte der Landesgeschäftsführer der steirischen Grünen, Timon Scheuer, in einer ersten Reaktion. „Offensichtlich hat die Zuspitzung auf das Rennen um Platz eins eine Situation geschaffen, in der es uns nicht gelungen ist, mehr Menschen zu überzeugen,“ so Scheuer.
„Es ist bitter, aber wir werden mit dem Ergebnis leben müssen.“ Angesprochen auf die noch ausständigen Ergebnisse der Landeshauptstadt Graz, wo die Grünen traditionell stärkere Ergebnisse erzielen, sagte er, auf Wunder brauche man nicht mehr zu hoffen. Das hochgerechnete Ergebnis für die FPÖ bezeichnete Scheuer als „erschreckend“.
Teuerung essenziell für Wähler
In der Steiermark herrscht vermehrt die Ansicht vor, dass sich das Bundesland zum Negativen entwickelt hat. 38 Prozent der Befragten gaben bei einer Wahlbefragung von Foresight und ISA für den ORF an, in den vergangenen fünf Jahren eine eher negative Entwicklung wahrgenommen zu haben.
Eines der wichtigsten Wahlkampfthemen war für die Befragten die Teuerung: 42 Prozent gaben an, im Wahlkampf „sehr häufig“ darüber diskutiert zu haben. 43 Prozent meinten zudem, dass sie sich wegen der Teuerung sehr oder ziemlich im Alltag einschränken mussten. Regelmäßig diskutierten 38 Prozent auch über Gesundheit und Pflege, darauf folgen die Themen Zuwanderung (35 Prozent), Kriminalität und Schutz vor Terrorismus (27 Prozent) sowie Wirtschaft und Budget (25 Prozent).
Zehn Prozent der Steirer haben ihre Wahlentscheidung laut der Wahlbefragung erst in den letzten Tagen getroffen. 77 Prozent haben sich schon vor längerem entschieden, zwölf Prozent vor zwei bis drei Wochen.
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