Airport, Bahnhof, ...

Offene Bauprojekte lassen Deutsche verzweifeln

Wirtschaft
08.01.2013 15:01
Wer den Schaden hat, braucht für den Spott nicht zu sorgen, sagt ein Sprichwort. Nachdem der bereits mehrfach verschobene Eröffnungstermin für den neuen Berliner Großflughafen nun abermals geplatzt ist, ergießt sich einmal mehr ein Schwung Häme über die deutsche Hauptstadt. Doch ist der Airport beileibe nicht das einzige Bauprojekt, das in Deutschland bezüglich Zeit- und Kostenrahmen vollkommen ausuferte und den Steuerzahlern die Zornesröte ins Gesicht treibt.

Eigentlich sollten am neuen Hauptstadtflughafen Berlin Brandenburg südöstlich der Stadtgrenze längst Millionen von Passagieren starten und landen. Im vorigen Jahr war schon alles für die Eröffnung Anfang Juni vorbereitet, doch nur drei Wochen vor dem Stichtag wurde der Termin wegen Problemen mit dem Brandschutz abgesagt. Nun ist auch der Termin 27. Oktober 2013 nicht mehr zu halten, wieder wegen des Brandschutzes. Und wann immer der Flughafen fertig wird - er wird mit zuletzt geschätzten 4,3 Milliarden Euro mindestens doppelt so viel kosten wie ursprünglich geplant.

Flughafen als "größtes Pannenprojekt der Nachkriegszeit"
Vom "größten Pannenprojekt der Nachkriegszeit" war am Dienstag in einem Kommentar in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" zu lesen. "Der Pannenairport schädigt das Ansehen des Wirtschaftsstandorts Deutschland", befand die "Südwest Presse" in Ulm. Und die "Bild"-Zeitung legte dem Berliner Bürgermeister Klaus Wowereit den sofortigen Rücktritt nahe und befand, "dass inzwischen die ganze Welt über unsere Hauptstadt lacht".

Hamburger Elbphilharmonie sieben Mal teurer als geplant
Allerdings ist der Hauptstadtflughafen in Deutschland kein Einzelfall. Auch andere Großprojekte hinken den Planungen hinterher und werden immer teurer. Die Hamburger Elbphilharmonie beispielsweise sollte als neues Wahrzeichen der ehrwürdigen deutschen Hafenstadt eigentlich schon 2010 öffnen und 77 Millionen Euro kosten. Doch Ausschreibungen und Planungen liefen auseinander, jahrelang stritten die Stadt und die Baufirma. Am Ende wird der Prachtbau wohl mehr als sieben Mal so teuer wie geplant: Die Elbphilharmonie soll nun 575 Millionen Euro kosten - und erst im Frühjahr 2016 die ersten Musikfreunde empfangen.

Ehrgeiziges Bahnprojekt Stuttgart 21 ein einziges Chaos
Auch beim umstrittenen Bahnprojekt Stuttgart 21 (Bild) werden alle Kostenrahmen gesprengt. Das ehrgeizige Vorhaben, den Hauptbahnhof der baden-württembergischen Landeshauptstadt unter die Erde zu verlegen, wurde im Jahr 1995 auf 2,5 Milliarden Euro kalkuliert. Inzwischen spricht die Bahn von nicht weniger als 5,6 Milliarden, zudem gebe es Risiken von 1,2 Milliarden Euro. Jahrelange Planungen und eskalierende Bürgerproteste verzögerten den Bau immer wieder. Die ersten Züge sollen nach jetzigem Stand erst 2020 oder 2021 im neuen Tiefbahnhof halten.

Zu diesen drei Mega-Baustellen gesellen sich aber auch noch zahlreiche kleinere Projekte, die ihrer Realisierung harren und die Nerven der Steuerzahler strapazieren. So gab es etwa auch beim Bau eines Freizeitparks am Nürburgring eine gewaltige Kostenexplosion. In Berlin wiederum wird die Renovierung der im Jahr 1743 eröffneten Staatsoper Unter den Linden viel länger dauern und bedeutend teurer werden als veranschlagt.

"Kompetenzbündelung" und "klare Entscheidungen" fehlen
Unterdessen diskutieren Experten und Medien, woran es liegt, dass kaum ein öffentliches Bauprojekt im Zeit- und Kostenrahmen bleibt. Der renommierte Städteplaner Albert Speer, Sohn des gleichnamigen NS-Architekten, forderte in einem Interview mit der Zeitschrift "Cicero" eine "Kompetenzbündelung", mit der sich "klare Entscheidungen" treffen ließen. Auch das Planungs- und Baurecht entspreche nicht mehr den gesellschaftlichen Anforderungen von heute. Und oft fehle es an Disziplin. "In der Demokratie sind Großprojekte eben nur dann fristgerecht durchsetzbar, wenn ein konkreter Endtermin feststeht", sagte Speer.

Die "Frankfurter Allgemeine" warf die Frage auf, ob Politiker, die ein teures Vorhaben durchsetzen wollen, im Regelfall die Kosten kleinreden müssen, um das Projekt überhaupt verwirklichen zu können. Das Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" verwies in einem ironischen Kommentar auf das Beispiel des Kölner Doms, der 1248 begonnen und erst 1880 fertiggestellt wurde. "Wer vor dem ersten Spatenstich zaudert, hat schon verloren; ein großes Bauwerk schafft nur, wer Geld- und Zeitpläne forsch ignoriert", schrieb das Blatt.

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