"Hatte nie Angst"

Oma Hertha zur “Krone”: “Ich würde es wieder tun!”

Österreich
20.10.2012 19:39
Es gibt da eine Szene im Leben von Hertha W., die vielleicht erahnen lässt, wieso die Frau Ungerechtigkeiten so sehr hasst. Die heute 82-Jährige war damals noch ein Kind, geboren im Jahr 1930, und die Familie hauste in einer Halle, weil man sich keine Wohnung leisten konnte, ein Haus schon gar nicht. Ihre Familiengeschichte ist schnell erzählt: insgesamt 16 Kinder, die Mutter früh gestorben, der Vater? "Ach, reden wir nicht darüber", sagt sie und wischt Papas Bild vor ihrem geistigen Auge mit einer schnellen Geste zur Seite.

Jedenfalls litten alle Hunger damals, manchmal mehr, selten weniger. Also ging Hertha mit ihren Geschwistern auf die kahl geernteten Felder, stundenlang sammelten die Kinder die letzten Körner auf, die auf der Erde lagen und für die sich kein Bauer bücken wollte. Es dauerte eine Ewigkeit, bis so ein Sack gefüllt war, und den tauschten sie beim Landwirt gegen ein bisschen Mehl ein, aus dem sie Brot backen konnten für alle. Hertha W. hat also früh gelernt, dass einem nichts geschenkt wird im Leben, dass selbst ein Häferl Mehl harte Arbeit bedeuten kann.

Täter stürmte mit Pistole in die Filiale
Und dann kam da, viele Jahrzehnte später, so ein Flegel in die Bank, wedelte ein bisschen mit seiner Pistole herum und holte sich in wenigen Sekunden 12.000 Euro. Wo sie selbst doch Mindestpensionistin ist, nach einem ganzen Leben voller Plagerei.

Also tat sie, was sie tat und wofür die ganze Welt sie heute liebt. Hertha W., 82 Jahre alt, stellte sich in der Bank in St. Egyden am Steinfeld in Niederösterreich einem Bankräuber in den Weg, einem Mann, der eine Pistole in der Hand hielt und im Sackerl eine Bombe hatte, wie er sagte. Sie riss ihm die Maske vom Gesicht, er setzte sie wieder auf, dann schlug sie ihm die Beute aus der Hand - und da hielt der Täter der Frau die Pistole an den Kopf: "Ich erschieß dich!", brüllte er. Und was machte Oma Hertha? Sie zog ihm abermals die Haube vom Kopf und warf sie durch die Filiale. "Das Geld gehört der Bank!", schimpfte sie.

"Ich hatte noch nie Angst im Leben"
Jetzt ist dieser Räuber nicht einfach nur eine verlorene Seele. Er ist ein Serienstraftäter, 24-mal vorbestraft, gilt als gewalttätig, ist ein Mann, der womöglich seine eigene Großmutter verkaufen würde, geschweige denn eine fremde. Aber Angst kennt die Pensionistin nicht. "Hatte ich nie", sagt sie. Nicht im Krieg ("Reden wir nicht darüber") und nicht, als ihr Ex-Mann damals öfter die Hand gegen sie erhob ("Er ist ja schon tot"). Wenn es Probleme gibt, dann hält sie sich ihr goldenes Kreuz vor den Mund und spricht da hinein wie in ein Mikrofon. Ihr direkter Draht zu Gott eben. Und auch wenn da manchmal niemand zuhört am anderen Ende der Leitung, so weiß sie schon, dass sie großes Glück hatte an jenem Montag in der Bank.

So kann sie fast schon darüber lachen, dass sie an dem Tag in der Filiale ausgerechnet Geld für ihre Sterbeversicherung einzahlen wollte. Und darüber, dass sie jetzt weltberühmt ist wegen ihrer Zivilcourage, die ja schon oft als ausgestorben gilt. In Amerika wurde über sie berichtet, in Shanghai, und auch in Australien. Alles Länder, die sie nie bereiste, weil das Geld nie langte. Sogar Frank Elstner hat bei ihr angerufen. Aber was sagt eine gestandene Niederösterreicherin zu einer Fernsehgröße, die "Wetten, dass..?" erfunden hat? Sie sagt "Nein": "Ich will nicht nach Deutschland." Oma Hertha sagt überhaupt immer, was sie sich gerade denkt. So kann es schon vorkommen, dass sie einem Künstler in der Galerie verbietet, sein eigenes Gemälde zu berühren. Weil Besucher das ja auch nicht dürfen.

Der Tod? "Er hat noch nicht an meine Tür geklopft"
Aber bombastisch ist ihr Leben schon immer gewesen, vielleicht hat das ja auch ein bisschen mit ihrem früheren Beruf zu tun. Die 82-Jährige lötete Sprengköpfe auf Drähte – für den Bergbau. Dass sie Krimis liebt, muss man wohl nicht erwähnen, auch nicht, dass sie öfter vor dem Kommissar weiß, wer der Mörder ist. Und sie sagt: "Das in der Bank würde ich wieder machen. Sofort." Alles an dieser Frau ist geradlinig. Bis auf die Sache mit der Angst? Wirklich niemals Furcht gezeigt? Nicht einmal Angst vor dem Tod? Oma Hertha lächelt nur: "Er hat bislang ja noch nicht an meine Tür geklopft."

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