"Versteckte Steuer"

Gerichtsgebühren: Scheidung, Klagen massiv verteuert

Wirtschaft
28.09.2012 11:31
Nur das Kopieren von Akten bei Gericht ist in den letzten vier Jahren billiger geworden, die Gerichtsgebühren allgemein sind massiv gestiegen, wie ein aktueller Vergleich der Rechtsanwaltskammer zeigt: Scheidungen wurden um ein Drittel teurer, ein Privatankläger muss für seinen Antrag auf ein Strafverfahren heute 244 Euro bezahlen, während es 2008 noch 90 Euro waren. Auch im Zivilverfahren haben sich bei höheren Streitwerten die Gebühren mehr als verdoppelt. Beim österreichischen Anwaltstag am Freitag kritisierten Juristen die Gebühren als "versteckte Steuer".

Der Präsident des österreichischen Rechtsanwaltskammertages, Rupert Wolff, bezeichnete beim Anwaltstag den Zugang zum Recht in Österreich als "dornig und voller schwer überwindbarer Hindernisse". Die Gebührenlast sei groß, zugleich würden aber Serviceleistungen zurückgefahren. Dass sich die Justiz auf ihrer Website selbst als "Großunternehmen" bezeichnet, missfällt dem Präsidenten der Rechtsanwälte: "Die Justiz ist kein auf Profit ausgerichtetes Unternehmen und darf dies auch nicht anstreben."

Eine Studie des Europarates habe gezeigt, dass Österreichs Justiz 110 Prozent ihrer Ausgaben aus Gerichtsgebühren finanziert. Der europäische Durchschnitt liege bei 22 Prozent. Damit werde von der Justiz eine "versteckte Steuer" kassiert. Denn wer sich in Österreich "vor Gericht gegen eine überhöhte Handyrechnung wehrt, einen Besuchsrechtsantrag einbringt oder einen Grundbuchsauszug benötigt", bezahle hohe Gerichtsgebühren - die ins allgemeine Budget fließen, um Löcher im Staatshaushalt zu stopfen, kritisierte Wolff.

Scheidung teurer, nur Kopien wurden günstiger
Die Rechtsanwaltskammer hat viele Beispiele für Gebührensteigerungen: Die einvernehmliche Scheidung kostete 2008 noch 198 Euro, heute sind 266 Euro für ein getrenntes Leben zu zahlen. Für ein Besuchsrechtsverfahren fielen 2008 gar keine Gebühren an, heute müssen 122 Euro bezahlt werden. Das Zivilverfahren wurde vor allem durch die Verschiebung der Streitwertgrenzen teurer: Bei einer Forderung von 3.500 Euro stieg die Gebühr nur von 140 auf 155 Euro, bei 3.600 Euro gleich von 140 auf 285 Euro.

Die zuletzt stark angehobenen Kosten für Kopien aus dem Akt mussten nach einem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes hingegen wieder reduziert werden. Sie stiegen schon 2009 von 0,40 auf einen Euro pro Seite und 2011 noch einmal auf 1,20 Euro. Für selbst angefertigte Kopien musste man zunächst nichts und 2011 schließlich 0,60 Euro pro Seite berappen. Nach dem VfGH-Erkenntnis werden jetzt 0,60 Euro für vom Gericht bzw. 0,30 Euro für Do-it-yourself-Kopien verlangt.

Massive Verteuerung bei Grundbucheintragungen
Auch Serviceleistungen wie etwa Grundbuchauszüge sind teurer geworden - statt neun Euro 2008 sind mittlerweile 13 Euro zu bezahlen. Bei der Eintragung ins Grundbuch droht laut ÖRAK eine enorme Verteuerung in Folge eines VfGH-Erkenntnisses.

Die Bemessungsgrundlage muss geändert werden, statt dem dreifachen Einheitswert soll sie - sieht ein Gesetzesentwurf vor - künftig auf Basis des Verkehrswertes berechnet werden. Damit wären für die Eintragung eines neuen Eigentümers einer 120-Quadratmeter-Wohnung in Wien rund 5.300 Euro zu zahlen statt bisher 490 Euro.

Vier Staatsanwälte pro 100.000 Einwohner
Kammertagspräsident Wolff bemängelte überdies, dass die Justiz personell massiv unterbesetzt sei. Im europäischen Durchschnitt kommen laut der Studie auf 100.000 Einwohner elf Staatsanwälte, in Österreich vier, von denen jeder jährlich 1.602 Fälle zu bearbeiten habe, während es im Europa-Durchschnitt 615 seien. Auch bei den Richtern sei Österreich "Nachzügler" mit 18 pro 100.000 Einwohnern gegenüber den 23 im Europa-Durchschnitt.

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