Katja Sieper (39) ist neue Leiterin der Krisenhilfe Oberösterreich. Bei der Organisation rufen täglich bis zu 120 Oberösterreicher an, oft mit Suizidgedanken oder anderen psychischen Problemen. Im „Krone“-Interview verrät die neue Chefin, wie sie damit umgeht.
Ihr Masterstudium „Soziale Arbeit“ führte die gebürtige Bayerin und Krankenpflegerin Katja Sieper nach Oberösterreich, wo sie „hängenblieb“ und nun die Leitung der Krisenhilfe OÖ übernahm.
„Krone“: Frau Sieper, Sie haben die Krisenhilfe seit dem Jahr 2016 mitaufgebaut und waren auch bei Einsätzen aktiv. Wird sich das jetzt ändern?
Katja Sieper: Wenn Sie meinen, ob ich mich im Chefsessel zurücklehne und die anderen vorschicke - sicher nicht. Ich bleibe weiter im Einsatzdienst, will wissen, womit es meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu tun haben.
Sie schreiben, dass die Krisenhilfe ein wichtiges Kompetenzzentrum für Suizidprävention in Oberösterreich werden soll - ist das Thema denn so groß?
Wenn man bedenkt, dass es immer noch dreimal mehr Suizid- als Verkehrstote gibt und die Zahlen sich kaum verändern, ist noch viel Luft nach oben.
Mit dem Thema beschäftigen sich viele Organisationen, beziehungsweise bieten Unterstützung in Krisen an.
Deshalb haben wir die wichtigsten Player in diesem Sektor - pro mente, Exit-sozial, Rotes Kreuz, Telefonseelsorge OÖ und Notfallseelsorge - zur Krisenhilfe zusammengeführt. Wir sind sozusagen das Dach und schauen, dass Hilfesuchende so schnell wie möglich zur richtigen Stelle kommen.
Damit ersparen sich Betroffene viele Anrufe.
Wer sich in einer Krise aufrappelt und anruft, der darf nicht herumgeschickt werden. Alles muss rasch und unkompliziert gehen, dafür sorgen wir.
Wie oft klingelt bei der Krisenhilfe das Telefon?
Wir hatten schon Tage mit 120 Anrufen. Im Jänner waren es gezählte 2036 Telefonate, dazu 200 mobile Betreuungen vor Ort und viele Reaktionen auf unser Online-Angebot, wie Chats.
Wenn Sie selbst zum Einsatz ausfahren, wie gehen Sie mit den oft dramatischen Erlebnissen um?
Mich berührt viel, aber ich versuche, nichts mit nach Hause zu nehmen. Da helfen die Supervision, das Gespräch mit Kollegen oder einfach nur die Dokumentation. Denn was ich niederschreibe, muss ich mir nicht merken. Aber ich weiß: An dem Tag, an dem mich Schicksale nicht berühren, höre ich auf.
Flüchtlingswelle, Corona, Ukraine-Krieg, Teuerung - und dazwischen viel anderes Ungemach. Wir stecken gefühlt seit Jahren im Krisenmodus fest.
Auch wenn vieles an einem abperlen mag, hinterlässt doch alles Spuren. Wenn dann noch persönliche Probleme - und davon vielleicht gleich mehrere - aufpoppen, kann selbst der Ausgeglichenste und Coolste unter uns ins Wanken geraten. Wir dürfen nur nicht zu stolz sein, es uns auch selbst einzugestehen, wenn’s ohne Hilfe nicht mehr geht.
Unserer Seele verlangen wir viel mehr ab als unserem Körper. Doch wir müssen auf beides schauen, sind Seele und Körper doch untrennbar - zumindest im irdischen Leben - miteinander verbunden.
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