„Krone“-Talk in Wien

Last Dinner Party: „Bedeutung zu haben ist schön“

Musik
26.02.2024 23:29

Mit ihrem Debütalbum „Prelude To Ecstasy“ eroberten The Last Dinner Party Platz eins der britischen Albumcharts. Nun machte der Hype des Jahres Montagabend erstmals als Headliner in Wien Station - die Grelle Forelle war dafür schon wochenlang ausverkauft. Die beiden Bandgründerinnen Abigail Morris und Georgia Davies rekapitulierten im „Krone“-Talk vor dem Gig noch einmal den Karriere-Kickstart, der ursprünglich in der ruhigen Pandemie begann.

(Bild: kmm)

Zwei Freundinnen beschließen 2020 kurz vor Ausbruch der Pandemie bei ein paar weinseligen Abenden im Raucherhof, nach diversen musikalischen Projekten endlich ernst zu machen. Drei weitere Damen stoßen wenig später dazu und daraus entsteht schlussendlich The Last Dinner Party. Zwischen Gründung und erstem Konzert vergehen fast zwei Jahre, danach folgen Gigs mit den Rolling Stones, Lana Del Rey und am Glastonbury Festival und eine Tour im Vorprogramm von Hozier, die sie vergangenen Dezember erstmals nach Wien führte.

Montagabend spielten Abigail Morris, Georgia Davies und Co. ihre erste Österreich-Headliner-Show in der seit Wochen restlos ausverkauften Grellen Forelle in Wien. Vor vornehmlich weiblichem und ungemein begeistertem Publikum spielte man sich durch die Songs des in England auf die Eins gegangenen Debütalbums „Prelude To Ecstasy“, das The Last Dinner Party zur derzeit größten Hype-Rockband der Welt macht. Nach nicht einmal einer Stunde war alles gesagt und jeder Anwesende wusste sofort - in so einem Rahmen sieht man die Band hier nie wieder. Vom Hype lassen sich die Powerfrauen aber nicht beeindrucken.

(Bild: Andreas Graf)

„Krone“: Abigail, Georgia - euer Wien-Debüt fand im Dezember des Vorjahres als Vorband von Hozier statt. Wie habt ihr diesen Tag in Erinnerung?
Georgia Davies:
Es lag überall wahnsinnig viel Schnee und in unserem Bus versagte die Heizung. Diesen Tag vergessen wir nicht mehr. (lacht) Aber wir haben auch Glühwein getrunken, waren beim Stephansdom und haben die Lipizzaner besucht. Das Touristenprogramm ging sich ganz gut aus. Wien gehört zweifellos zu den schönsten Städten, die wir je gesehen haben und wir sind froh, noch einmal hier zu sein - dieses Mal bei bestem Frühlingswetter. Für uns ist das alles neu und wir wollen so viel wie möglich von den Orten sehen, an denen wir sind. Ich meine: Wir sind hier in Wien, um zu arbeiten. Was kann man noch mehr wollen? Wir schauen uns alles an, was möglich ist.

Im Gegensatz zu dieser Tour sind die Fans damals nicht für euch, sondern für Hozier gekommen. War das für euch eine schwierigere Situation?
Davies:
Seine Fans sind unglaublich nett. Der Großteil sind jüngere Frauen und das ist bei uns auch so - die Demografie ist sehr ähnlich. Die Leute waren in ästhetischer Art und Weise sehr offen für uns und die Kombination der Tour machte schon Sinn.

Ihr habt die Band 2020 gegründet, bevor die Pandemie ausbrach …
Abigail Morris:
Georgia, unsere Gitarristin Lizzie Mayland und ich waren dauernd im bekannten Londoner Pub „The Windmill“. Wir trinken einfach gerne und oft. (lacht) Wir haben dann draußen im Raucherbereich oft darüber gesprochen, dass wir gerne eine Band gründen möchten. Und wie sie oft wird aus Schnapsideen, die man im Pub hat, die Realität - gut für uns. Wir alle haben schon unterschiedliche Erfahrungen in der Musik gemacht und wollten endlich etwas richtig Ernsthaftes angehen. Ich habe dauernd Songs geschrieben, die später zu unserem Debütalbum wurden. Georgia und ich haben über eine Band gesprochen, dann kam Lizzie und wir waren eine Zeit lang zu dritt. Es war lange nur Gerede und wir nahmen ein paar Demos auf, aber über einen gemeinsamen Freund lernten wir Emily kennen. Später noch Aurora. Wir haben monatelang im Proberaum verbracht, weil Lockdown war, aber da konnten wir unsere Songs schärfen und üben. Es hat sich aber schon ordentlich lange gezogen.
Davies: Von der ersten Idee bis zum ersten Konzert sind fast zwei Jahre vergangen. Das ist schon eine gewaltige Zeitspanne. (lacht)

Derzeit seid ihr die vielleicht am meisten gehypte Band der Rockwelt und spielt eine Tour nach der anderen. Führt ihr das Leben, das ihr immer führen wolltet?
Morris:
Heute kommen natürlich viel mehr Leute zu unseren Konzerten. Wir haben die Band immer ernst genommen und uns voll hineingeworfen, aber wir merken jetzt natürlich vermehrt, dass es sich auch auszahlt. Wir haben all unsere Zeit und Energie in die Band gesteckt. Egal, ob das ein Festivalauftritt war, die Tour mit Hozier oder jetzt unsere Headliner-Tour. Heute können viele Leute mitsingen und wir haben echte Fans - das ist manchmal noch ziemlich verrückt, weil es so schnell ging. 
Davies: Wir haben noch viel weniger Freizeit als früher. Wenn wir mal freihaben, dann sind das einzelne Tage auf Tour. Wie unlängst in Mailand oder letztes Jahr in Wien - was wesentlich besser ist, als den Tag in North London zu verbringen. (lacht)

Wird das Songwriting unter euch in der Band aufgeteilt?
Morris:
Die meisten Songs auf dem Album entstanden aus Piano-Demos und die anderen Mädels haben den Sound dann mit ihren Instrumenten erweitert. Das wird in Zukunft definitiv anders ablaufen. Wir gehen mittlerweile wesentlich kollaborativer vor und werfen die Ideen öfter hin und her. Wir schreiben in unterschiedlichen Kombinationen. An dem Tag, als unsere Single „Nothing Matters“ herauskam, saßen wir alle zusammen und schrieben gemeinsam einen Song, weil wir uns davor fürchteten, wie die Nummer aufgenommen werden würde. Dieser Song ist noch nicht veröffentlicht und klingt definitiv anders und ziemlich abgedreht.

Ihr seid mittlerweile unterschiedlichste Größen von Shows gewohnt. Wo fühlt ihr euch am wohlsten?
Davies:
Eigentlich bei so mittelgroßen wie hier in der Grellen Forelle, wenn alles bis hinten voll ist. Bei den großen Hallenkonzerten mit Hozier sahen wir nicht mal nach hinten bis zu den Leuten in den letzten Reihen. Kleine Gigs können schnell zu eng werden. Ich will damit aber nicht sagen, dass Stadien deshalb keinen Spaß machen.

Ihr habt es schon angesprochen - nach der Pandemie wart ihr gut eingespielt, aber dann ging es so richtig los. Glastonbury, Shows mit den Rolling Stones und Lana Del Rey …
Davies:
Wir haben vorher schon sehr viele kleine Konzerte gespielt, um uns die Hörner abzustoßen. Wir waren aber schnell bereit für die großen Bühnen. Diese Shows haben uns dabei geholfen, das Selbstvertrauen zu steigern und zu sehen, dass wir bereit für solche Events sind, ohne dabei auszuflippen.

Einen wichtigen Aspekt nimmt bei euch die Mode ein. Ihr legt sehr viel Wert darauf und strahlt dabei große Vielseitigkeit aus.
Morris:
Das liegt daran, dass wir unheimlich viel Spaß daran haben. Der Stil ist sehr expressiv und so ist auch unsere Klanglandschaft. Wir ziehen uns sowieso immer schick an und auf der Bühne spiegeln wir damit nur unsere Persönlichkeiten wider. Wir tragen jeden Abend bei Konzerten etwas anderes.

(Bild: Andreas Graf)

Ist der visuelle Aspekt für euch so wichtig wie die Musik? Nicht nur die Kostümierung, sondern auch die Videos und die bildliche Aufbereitung?
Morris:
Absolut. Ich würde sagen, das ist tatsächlich 50/50 bei uns gewichtet. Ich persönlich visualisiere meine Songs nicht, denke zumindest nicht daran, wie das Musikvideo dann dazu aussehen soll. Unsere Musik ist rein von den Texten her sehr genau beschrieben und visualisiert. Die Musik dazu ist sehr cineastisch und die Mischung daraus ergibt unsere eigene Art und Weise, wie wir Kunst verstehen. Die Musik kommt definitiv immer als Erstes, aber die Ästhetik drumherum ist uns auch sehr wichtig.

Euer Debütalbum „Prelude To Ecstasy“ landete gleich einmal auf Platz eins der britischen Albumcharts. Der Titel klingt sehr hedonistisch, wie reflektiert er denn die Songs und den Inhalt?
Davies:
Hedonistisch ist ein sehr gutes Wort für die gesamte Vision, die wir mit der Band von Anfang an hatten. Wie der Name schon sagt, geht es bei uns zu einem sehr großen Teil um Party. Der Albumtitel spielt ein bisschen mit den extremen und gegensätzlichen Positionen von Emotionen. Wenn du etwa für etwas eine unglaubliche, intensive Freude verspürst, dasselbe Thema aber auch extremen Schmerz verursachen kann. Es ist ein bisschen so, wie wenn man etwas voller Demut und Vorfreude, aber auch Unsicherheit beäugt.

Fällt es euch leichter, traurigere und schwerere Songs zu schreiben als leichtfüßige?
Morris:
Auf jeden Fall. Je stärker dein Herz gebrochen ist und du Schmerz im Leben verspürst, umso leichter geht dir ein Lied darüber von der Hand. Ich glaube, das haben die meisten Künstler gemein. „Nothing Matters“ ist der einzig wirklich fröhliche Song auf dem Album.
Davies: Es ist auch irgendwie lustig, dass genauer dieser Track am meisten Erfolg hat.
Morris: Auf dem nächsten Album wird es mehr Freude geben. Es wird prinzipiell positiver und etwas optimistischer sein als „Prelude To Ecstasy“. Ich will aber noch nicht zu viel verraten. Als Künstlerin muss ich lernen, über schönere und spielerische Dinge zu schreiben. Je älter ich werde, umso stärker ändert sich meine Perspektive auf bestimmte Dinge. Wenn mich zum Beispiel jemand ignoriert und ghostet - noch vor zwei Jahren hätte ich nach so einem Erlebnis eine herzzerreißende, vor Schmerz triefende Ballade geschrieben. Heute würde ich wahrscheinlich einen Country-Song mit Jerry-Lee-Lewis-Referenzen verfassen. Ich wäre noch immer wütend, aber würde meine Wut anders kanalisieren.

Die Musik ist also ein guter Weg, um euch von negativen Emotionen freizumachen. Würde es ansonsten schnell gewalttätig werden?
Davies:
Wer weiß? (lacht) Ich denke, jeder Musiker weiß um das Glück, die Musik als Ventil für Wut und Enttäuschung zu haben. Das ist bei uns natürlich nicht anders.
Morris: Wäre ich nicht Frontfrau dieser Band, wäre ich wahrscheinlich schon im Gefängnis. (lacht)

(Bild: Andreas Graf)

Hat euch die Arbeit an diesem Album als Musikerinnen und auch Kolleginnen nähergebracht?
Morris:
Diese Frage muss ich in zwei Teilen beantworten. Ja, wir sind uns näher als je zuvor. Man muss sich verletzlich und offen zeigen, um eine ehrliche und enge Beziehung zu führen. Wenn man einen schmerzenden Text schreibt, ist das Lied ja nicht mit dem ersten Take eingespielt. Du experimentierst, arrangierst, schraubst und immer wieder wird dieser persönliche, vielleicht schmerzhafte Text an die Oberfläche gespült. Das kann man nur machen, wenn man eine gute Dynamik hat.

Die zweite Antwort: Texte müssen aus dem Innersten kommen. Ich kann diese Frage nicht beantworten, ohne die legendäre Journalistin und Schriftstellerin Joan Didion aus ihrem Essay „Why I Write“ zu zitieren: „Wenn ich wüsste, wer ich bin und mich kennen würde, dann würde ich nicht schreiben“. Man schreibt deshalb, weil man sich kennenlernen möchte. Das ist ein konstanter Weg des Entdeckens. Ich hoffe, dass man sich im Leben niemals richtig kennenlernt, denn dann forscht man immer weiter und entdeckt stets neue Facetten.

Abigail, wird es mit jedem geschriebenen Text für dich leichter, dich in deinen Texten zu enthüllen?
Morris:
Ich war schon immer eine Prostituierte der Musik. (lacht) Für mich war es nie schwierig, mich zu öffnen. Eine Änderung kam da erst mit den Fans. Wenn du Leute siehst, die selbst mitsingen oder man Nachrichten bekommt, weil man Menschen mit dem Song erreicht - das gibt einem eine ganz neue Bedeutungsebene. Man hat dann einen Einfluss auf Leute und das ist etwas ganz anderes, als ihn aus einer Laune heraus ins Nichts zu schreien. Ich finde das aber wunderschön.

Gibt es auch Grenzen, die du in Texten nicht überschreiten willst?
Morris:
Das weiß ich gar nicht. Ich nenne keine Namen in Songs und habe noch nie einen Diss-Track geschrieben. (lacht) Aber es kann natürlich sein, dass sich so mancher in den Songs wiedererkennt.

Ihr schreibt also schon fleißig an neuen Songs für ein zweites Album? Der Fokus scheint komplett auf der Band zu liegen?
Davies:
Wir wollen weiter touren und live spielen so gut es nur geht, aber derzeit haben wir wieder Lust, etwas stärker in den Schreibprozess zu gehen. Die Kreativität kommt und geht, aber auf Tour ist es zugegeben ziemlich schwierig.
Morris: Wenn ich schreibe, dann muss ich mich verkriechen wie ein Hund. Im Bus einen Computer oder ein Keyboard hervorzuholen, um darauf herumzuklimpern ist irgendwie nicht so das, was sich als bevorzugte und sinnvolle Arbeitsweise erwiesen hat. (lacht)
Davies: Die Band ist mittlerweile ein Full-Time-Job. Wir haben schon vor zwei Jahren alle Jobs gekündigt.

The Last Dinner Party begann als ein Projekt unter guten Freundinnen und wurde schlussendlich zu eurem Job und eurer Haupteinnahmequelle, mit der ihr euren Lebensunterhalt finanziert. Macht das was mit euch und der Band?
Davies:
Es ist natürlich alles ganz anders als vorher. Früher sind wir wo hingefahren, haben die Gitarren eingestöpselt und Songs gespielt. Jetzt haben wir eine Crew, ein Label und eine Plattenfirma. Es geht so viel mehr Arbeit mit einher, aber am Spaß hat sich für mich überhaupt nichts verändert.

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