Verein verboten

D: Razzien gegen Salafisten in sieben Bundesländern

Ausland
14.06.2012 13:55
Mit groß angelegten Razzien sind Polizei und Justiz am Donnerstag in vielen Teilen Deutschlands gegen radikale Salafisten vorgegangen. Polizisten durchsuchten insgesamt 70 Objekte in sieben Bundesländern, um u.a. Beweismaterial für mögliche Vereinsverbote - das erste wurde bereits ausgesprochen - sicherzustellen. Im Zentrum der Razzien steht offenbar auch der Wiener Islamist Mohamed M.

Razzien gab es in Hamburg, Schleswig-Holstein, Niedersachsen, Berlin, Hessen, Nordrhein-Westfalen und Bayern, bestätigte der deutsche Innenminister Hans-Peter Friedrich. Mehrere Hundert Polizeibeamte waren beteiligt. Betroffen waren unter anderem ein Moscheenverein in Solingen (Nordrhein-Westfalen) und die Gruppe "Dawa FFM" in Frankfurt am Main. Auch Räume des Netzwerks "Die wahre Religion" um den radikalen Prediger Ibrahim Abou Nagie wurden durchsucht. Der Kölner Salafist hatte mit kostenlosen Koran-Verteilungsaktionen in mehreren deutschen Städten für Aufsehen gesorgt (siehe Infobox).

Erster Verein bereits verboten
Nur wenige Stunden nach den Razzien teilte Friedrich mit, dass die salafistische Vereinigung "Millatu Ibrahim" in Solingen verboten wurde. Gegen das Netzwerk "Die wahre Religion" und die Gruppe "Dawa FFM" wurden zudem Ermittlungsverfahren mit dem Ziel eines Verbots eingeleitet, wie Friedrich am Donnerstag ergänzte.

"Millatu Ibrahim" richte sich laut dem Innenminister gegen den Gedanken der verfassungsrechtlichen Ordnung und der Völkerverständigung. Beim Verbot der Vereinigung spielte laut Behörden auch der Fund einer Sprengstoffweste eine Rolle. Bereits im Mai hätten Polizisten bei einer Durchsuchung in Berlin die "Vorkonzipierung" einer solchen Weste sichergestellt, wie aus der offiziellen Verbotsverfügung des Innenministeriums hervorgeht.

Wiener Mohamed M. als Kopf des Netzwerks
Als Kopf der Vereinigung gilt der Wiener Mohamed M., der mittlerweile in Ägypten lebt und von dort aus via Internet salafistische Propaganda betreiben soll. Das österreichische Innenministerium wollte zu Mohamed M. und möglichen Kontakten nach Österreich nichts sagen. Die Szene der radikalen Islamisten in Deutschland sei in jedem Fall nicht mit jener in Österreich zu vergleichen, die deutsche Szene sei etablierter, größer und besser organisiert, betonte Ministeriumssprecher Karl-Heinz Grundböck. Jedoch gebe es "vereinzelt Bestrebungen von Gruppen in Deutschland, auch in Österreich aktiver zu werden", erklärte Grundböck.

Nach Angaben der Sicherheitsbehörden gibt es in Deutschland derzeit rund 130 sogenannte Gefährder, denen islamistische Anschläge zugetraut werden. Darunter seien 24 Salafisten. Friedrich plädierte zuletzt gar dafür, Sozialleistungen für salafistische Gewaltprediger auf den Prüfstand zu stellen. Zugleich kündigte er an, salafistische Vereine deutschlandweit schnell zu verbieten. "Über Vereinsverbote reden wir nicht, die machen wir. Aber seien Sie sich sicher, dass wir alle Instrumente und Möglichkeiten ausschöpfen werden", sagte Friedrich gegenüber der Tageszeitung "Die Welt".

Salafisten verstärkt im Visier der Behörden
Salafisten verstehen sich als Vertreter des wahren Islam und orientieren sich radikal am Koran. Sie stehen seit vergangenem Jahr verstärkt im Visier der deutschen Sicherheitsbehörden. Im März 2011 erschoss ein islamistischer Einzeltäter am Frankfurter Flughafen zwei US-Soldaten - es war der erste erfolgreiche islamistisch motivierte Anschlag auf deutschem Boden. Der Attentäter hatte sich über salafistische Propaganda im Internet selbst radikalisiert.

Streit mit rechtsextremer "Pro NRW" eskaliert
Zuletzt hatten sich Salafisten und Mitglieder der rechtsextremen Partei "Pro NRW" gegenseitig angestachelt. "Pro NRW" hatte sich den Hass der Islamisten zugezogen, weil Aktivisten der Splitterpartei vor der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen provokativ islamkritische Karikaturen gezeigt hatten. Die Sicherheitsbehörden waren besonders alarmiert, seitdem ein Islamist in einer Video-Botschaft zur Ermordung von "Pro NRW"-Anhängern und Journalisten aufgerufen hatte.

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