Erneut haben Lehrer, Eltern und Schüler in Vorarlberg gegen die Notengebung protestiert. Die „Krone“ war vor Ort.
„Noten sind nur ein Symbol der Bildungsmisere“, kritisiert Birgit Sieber-Mayr die Bildungspolitik im Land scharf. „Noten lösen in den Familien Stress, Frustration und hohen Druck aus. Es stehen nicht die Stärken der Kinder im Vordergrund, sondern ihre Schwächen.“ Noten würden somit das Selbstbewusstsein der Kinder schwächen und ihre Motivation am Lernen bremsen. Sogar „Einserschüler“ hätten nachweislich Prüfungsangst. „Kinder brauchen für ihre Arbeiten dringend Rückmeldungen. Noten bringen ihnen aber wenig, viel sinnvoller sind Rückmeldungen in Form von Gesprächen über Lernfortschritte und Ziele“, ist die Pädagogin und Obfrau des Montessori-Vereins Vorarlberg überzeugt.
Gemeinsamer Protest gegen das Noten-Korsett
Einen Tag vor Semesterschluss haben deshalb Lehrer, Eltern und Schüler des reformpädagogischen Zweiges der Volksschule Kirchdorf in Lustenau und der „Schule am See“ in Hard zu einer „Schauplatzaktion“ geladen. Mit einer Theateraufführung der Lehrer wurde auf die Situation der Kinder aufmerksam gemacht. „Wir wollten erneut ein Zeichen für die freie Beurteilungsform setzen“, so Sieber-Mayr. Gefordert wird, dass zumindest jede Schule weiterhin selbst entscheiden kann, ob es Noten gibt oder nicht. Auch die verantwortlichen Politiker im Land wurden eingeladen. Gekommen ist allerdings niemand.
Ähnlich ernüchternd würden die Gespräche mit der Landesregierung über ein generelles Noten-Aus verlaufen. „Die Gegensätze sind zu groß.“ Es werde stets darauf verwiesen, dass Elterngespräche ja ohnehin schon möglich seien. „Dass jede Note aber jedes Rückmeldegespräch untergräbt, sehen die Verantwortlichen nicht ein“, ärgert sich Sieber-Mayr.
Frustrierte Lehrpersonen, akuter Personalmangel
Die Enttäuschung und der Frust in der Lehrerschaft wächst - und zwar nicht nur aufgrund der Notengebung. „Viele ausgezeichnete Pädagogen wechseln in andere Berufe.“ Das liege laut Sieber-Mayr daran, dass im Bildungssystem nichts weitergehe. „Der akute Personalmangel in Kindergärten und Schulen zeigt, wie wenig Voraussicht und Planung in der Bildungspolitik herrschen.“ Für eine qualitativ hochwertige Bildung brauche es zudem mehr Ganztagesformen und eine gemeinsame Schule - auch im Sinne der Eltern, für die Beruf und Familie kaum zu vereinbaren seien.
Die Aufteilung der Kinder nach „Leistung“ hält Sieber-Mayr ebenfalls für falsch: „Wir müssen uns vom Segregationswahn verabschieden. Von den Vorschulklassen, den Deutschförderklassen, den Sonderschulen, der Trennung von mittelschul- und gymnasialreifen Schülern und vom Sitzenbleiben.“ Kein Kind dürfe zurückgelassen werden: „Kinder brauchen gute Bildung so viel mehr als fünf Noten!“
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