Jerich bei den 99ers

Das sind die Pläne und Visionen des neuen Bosses

Steiermark
06.12.2023 06:15

Mit Saisonende beginnt bei Eishockeyklub Graz99ers eine neue Zeitrechnung: Nach 25 Jahren als Präsident tritt Jochen Pildner-Steinburg ab. Sein Nachfolger steht mit Herbert Jerich fest. Im großen Doppel-Interview standen beide Rede und Antwort und gaben interessante Einblicke.

„Krone“: Herr Pildner-Steinburg, nach 25 Jahren im Amt treten Sie ab. Warum ist das so? 
Jochen Pildner-Steinburg: Ich war damals einer der Gründer der 99ers. Nun ist es an der Zeit, das zu übergeben. 25 Jahre sind genug. In der ganzen Szene bin ich schon fast 60 oder 65 Jahre, weil ich selbst auch gespielt habe. Es reicht mir. Ich glaube, dass wir etwas aufgebaut haben. 

Und Herbert Jerich folgt Ihnen nach. Warum ist er der richtige Mann für die 99ers?
Pildner-Steinburg: Er hat schon einmal mit uns gearbeitet, war mein Vize für geraume Zeit, hat Eishockey-Luft geschnuppert, seine Begeisterung gefunden und auch gezeigt, dass er diese hat. Herbert ist motiviert, kennt sich aus und ist als erfolgreicher Geschäftsmann schon immer ein begeisterter Sportsponsor gewesen. Der Sport liegt ihm am Herzen. Es gibt keinen besseren Nachfolger! In vielen Gesprächen hat er sich dafür qualifiziert, uns Konzepte vorgelegt und bewiesen, dass er der richtige Mann ist, hier was weiterzuführen.

Herr Jerich, Sie waren bereits Vize-Präsident. Was hat den Ausschlag für Ihre Rückkehr gegeben?
Herbert Jerich: Ein Anruf vom Klub, dass ich mir was überlegen könnte, ich in der Zukunft der 99ers eine Rolle spielen sollte. Das habe ich mir zu Herzen genommen. Dass ich ein Faible für den Klub gehabt und noch immer habe, hat die Verpflichtung von Thomas Vanek gezeigt. Mich hat es damals schon sehr gereizt. Das Sponsoring damals war für mein Unternehmen ein positiver Verlauf, es hat mir viel positives Feedback gebracht. Weil man der Stadt Graz und den Fans einiges zurückgeben kann. Ich habe lange überlegt, und seit ich die Entscheidung getroffen habe, bekomme ich jedes Mal Herzrasen, wenn ich an die 99ers denke. Weil wirklich viele Emotionen drinnen sind. Nach Gesprächen mit Jochen habe ich mir die Frage gestellt, da es ja sein Klub ist, ob ich damit leben kann, wie er sich das vorstellt. Um es ehrlich zu sagen: Ja! Ich glaube, dass ich dem Klub helfen kann - mit der richtigen Mischung aus Emotionen, finanziellen Möglichkeiten und der Flamme, die bei mir entfacht worden ist.

Wie leicht oder schwierig ist es, den Klub herzugeben und zu sagen: Das ist jetzt nicht mehr meiner?
Pildner-Steinburg: Ich bin relativ emotionslos, was das betrifft. Ich habe 25 Jahre lang meinen Job erledigt. Es waren durchaus 25 erfolgreiche Jahre Klubgeschichte. Natürlich kann man das nicht einfach so wegwischen. Es ist ein großer Teil meines Lebens gewesen. Und ich habe in der Persönlichkeitsbildung viel gelernt beim Eishockey. Es ist aber an der Zeit, abzutreten und alles in jüngere Hände zu übergeben. Außerdem bin ich ja nicht weg, ich gehe ja weiterhin zuschauen. 

Herr Jerich, was muss man nun ändern? 
Jerich: Es wird schwer sein. In der Theorie kann man viel ändern und das Beste versuchen. Ob es dann aber Erfolg hat, wird man sehen. Wenn ich etwas gelernt habe in meiner Karriere als Unternehmer oder mit Sport-Teams, dann, dass man absolute Spezialisten braucht. Darum verstärken wir uns auf den richtigen Posten. Es wird ganz klare Strukturen geben und wie bereits bekannt ist, werden wir nächste Saison einen Sportdirektor haben. Dieser muss sich dann zu 100 Prozent für das Sportliche im Klub verantworten. Und im sportlichen Rahmen auch General Manager Bernd Vollmann entlasten. Da braucht man einen Kapazunder. Den haben wir gesucht und gefunden. Alles Weitere wie Kaderplanung oder den Trainerposten entscheidet dann der Sportdirektor.

Soll man sich schon jetzt freuen, dass es eine Wunderlinie kommt? Oder ist die Integration der Jugend das Ziel?
Jerich: Die Kampfmannschaft ist ein Teil des Business, da kommt auch das meiste Geld in die Kassen. Aber man darf die Jugendarbeit nicht vergessen. Im Gespräch war auch eine Damenmannschaft, ein Para-Team haben wir schon. Das sind alles wichtige Faktoren. Mann muss aber dazusagen: Dafür habe ich einen Manager, der das bearbeitet. Ich werde mich mehr auf die Kampfmannschaft konzentrieren, in der die Jugend ein großer Teil ist. Vor allem mit den Statuten, in denen Österreicher das Um und Auf sind. Es ist wichtig, gute österreichische Spieler zu haben. Wenn die Jugendarbeit stimmt, kannst du aus dem Vollen schöpfen. Ein Spieler allein gewinnt keine Meisterschaft, kein Spiel. Wir müssen eine große, gute Mannschaft haben.

Identifikationsfiguren sind laut den Fans abhanden gekommen. Muss man da ansetzen?
Jerich: Wir haben etliche Spieler gehabt, die sich mit den 99ers identifiziert haben. Sturm hat früher einen Ivica Vastic gehabt. Es ist gut, wenn solche Namen dabei sind. Und wenn man so einen Spieler bekommt, ist es gut für alle: den Spieler, die Fans und auch den Klub. Wichtig ist, dass viel Herz dabei ist. Die Emotionen sind neu entfacht. Und der Zusammenhalt in einem Teamsport sind das Um und Auf. Da ist es ganz wichtig, dass die Klubführung das schafft. Ich hoffe, ich spreche da auch in deinem Sinne.
Pildner-Steinburg: Natürlich. Aber von Galionsfiguren braucht man nicht zu träumen. Man braucht eine breite Mannschaft, das ist die Philosophie. Unser Trainer Johan Pennerborn geht genau in diese Richtung. Ein Spieler allein entscheidet kein Spiel. Wenn man so eine Galionsfigur einkauft und diese sich dann verletzt, ist sie auch weg. Man braucht vier komplette Reihen, die möglichst gleich stark sind. Ein Daniel Oberkofler oder Kevin Moderer haben die Spiele auch nicht allein entschieden. Wir brauchen die Breite. Das ist die große Aufgabe, daran zu arbeiten und dies auch zu schaffen. Das ist mit der Akademie seit Jahren im Gange. Da kann man Spieler wie Paul Reiner, Jakob Engelhart oder Clemens Krainz nennen. Diese wurden hochgezogen und bringen eine Breite, die wir mit Imports ergänzen. Das Wesentliche ist, junge Spieler zu entwickeln.
Jerich: Wie man heuer sieht, muss das Niveau der Kampfmannschaft höher sein. Wir wissen alle, wovon wir reden. Die Importspieler sind sicher nicht die Besten. Erhöht sich das Niveau, ist es zwar härter für die Jugend, hinauf zu kommen. Aber dann gibt es mehr Konkurrenzdenken und -kampf in der Jugend und man bringt bessere Spieler raus. Daher ist es eindeutig die Aufgabe, das Niveau der Mannschaft zu erhöhen.

Wie sehen Sie überhaupt das Potenzial für Eishockey in Graz?
Pildner-Steinburg: In der ganzen österreichischen Szene hört man, dass es in Graz einen tollen Fan-Kern gibt. Man sieht es ja auch jetzt. Die Fans sind taktisch gut ausgebildet und sehen, dass die Mannschaft kämpft. Und sie kommen trotzdem ins Stadion, obwohl wir ein bisserl hinten nach sind.

Graz als Sportstadt ist generell ein hartes Pflaster, was Fans betrifft. Es wird sehr schnell kritisiert, Rauswürfe oder Spieler-Verlängerungen gefordert.
Pildner-Steinburg: Suderanten wird es immer geben, die Kritiker. Die immer alles besser wissen. Diese gibt es im Fußball auch, in jedem Sport. Der alte ATSE hat großartiges Eishockey gespielt. Aber man vergisst ganz einfach, dass es diesen leider Gottes nicht mehr gibt. Man vergisst, dass es einen EC Graz gegeben hat, der Konkurs gegangen ist. Man vergisst alle Fehler, die gemacht wurden. Man lässt aber nie stehen, dass es einen Eishockeyverein gibt, der seit 25 Jahren lebt. Dem man vorausgesagt hat, dass er im dritten Jahr tot sein wird. Ein Klub, der immer noch da steht, ohne wirtschaftliche Schwierigkeiten und der gute Arbeit leistet. Ebenso haben wir nicht immer, wie behauptet wird, die Mannschaft gewechselt, sondern die Importspieler. Oder Akteure, die wegen Verletzungen oder ihres Alters aufgehört haben. Aber die Suderanten sollen weiter sudern, so viel sie wollen. Wir gehen unseren Weg weiter! Den wird auch Herbert weitergehen.

Die 99ers sind ein Fan-Phänomen: Wenn etwas passiert und man orientiert sich nach oben, ist die Halle voll. Ist das die Vorschau darauf, dass es dann schnell gehen kann?
Jerich: Die Vergangenheit hat gezeigt, was eine Galionsfigur zusammenbringt. Mit Thomas Vanek war jede Halle in Österreich voll.
Pildner-Steinburg: Aber gewonnen haben wir auch nicht viel. (lacht)
Jerich: Das ist egal. Aber die Stadien waren voll - auswärts und daheim. Ich sehe es als meine neue Verantwortung, dass der Klub Erfolg hat. Ich bin jetzt an der Spitze und werde meine Vision verfolgen.

Böse Zungen würden behaupten, in Österreich kann man sich Erfolg erkaufen. Wie viel Geld wäre da?
Jerich: Gerade im Eishockey kann man sich nichts erkaufen, das wäre rausgeschmissenes Geld!  Das Wichtigste an der ganzen Frage ist, dass Jochen Pildner-Steinburg mit GAW Sponsor bleibt, sonst wäre es nur ein Austausch. Und die 99ers haben mit meiner Firma einen Sponsor gewonnen.

Welcher Typ sind Sie als Präsident?
Jerich: Mein Charakter wird sich nicht ändern. Ich bin schon sehr emotionsgeladen. Am Anfang meiner längeren Reise, die ich zugesagt habe, sind die Emotionen noch größer. Ich bin ein sehr zugänglicher Präsident, werde den Kontakt zu den Spielern suchen, aber auch nicht übermäßig. Das ist, glaube ich, ein großer Unterschied zwischen Jochen und mir. Ich bin der Meinung, und das werde ich auch so leben, dass die Kampfmannschaft für jemanden spielt. Für einen Verein, hinter dem Leute stehen und in den sie wirklich viel Herzblut reinstecken. Diese Emotionen werde ich den Spielern vermitteln. Und diese sollen sie dann aufs Eis übertragen.

Gibt es eine Art Mission, wie sie andere Vereine ausgerufen haben? Rapid zum Beispiel ist einst an der Mission 33 zerbrochen.
Pildner-Steinburg: So etwas finde ich nicht schlau. Unsere Mission war es, Eishockey in Graz zu etablieren. Das ist uns im Großen und Ganzen gelungen. Auch wenn es sportlich momentan nicht so gut läuft. Graz ist eine Nummer in der Liga. Und auch als Spielort attraktiv. Sonst hätte man nicht einen Trainer Pennerborn holen können, auch wenn er bis dato seinen Stil noch nicht ganz durchgebracht hat. Natürlich will jeder sportlich erfolgreich sein und Meister werden. Ich sage Ihnen aber ganz ehrlich: Was ist nach dem Meistertitel?  Ich kann ihnen viele Beispiele gescheiterter Präsidenten zeigen. Die sind Meister geworden und dann abgestürzt. Nicht nur sportlich, auch finanziell. Ich warne jeden, mit aller Gewalt Meister werden zu wollen. Es geht nur über Kontinuität und gute Arbeit.

Herr Jerich, Sie sagen, es ist eine Reise über einen längeren Zeitraum. Was darf man sich darunter vorstellen?
Jerich: 25 Jahre will ich nicht ausschließen (lacht), in der Öffentlichkeit aber auch nichts fixieren. Es kann sein, versprechen tue ich es aber nicht. Das kommt auch auf die nächsten 25 Jahre an.

Was werden Ihre ersten Schritte sein?
Jerich: Den Sportdirektor haben wir schon angesprochen, danach einen Kader suchen, sobald das in trockenen Tüchern ist. Wir werden schauen, ob wir den ein oder anderen guten Österreicher am Markt nach Graz lotsen können. Mit den Imports haben wir noch Zeit. Für den wirtschaftlichen Bereich bleibt Bernd Vollmann zuständig, da verlasse ich mich zu 100 Prozent auf ihn. Und ich werde in meinem Bekanntenkreis auch auf Sponsorensuche machen. Damit wir dementsprechend auch ein Budget für einen besseren Kader haben. Es gibt da zwei Wege: Behält man den skandinavischen Weg oder geht man den nordamerikanischen? Das obliegt dann auch der Entscheidung des neuen Vorstandes, den es auch schon gibt.

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