Iza Van Holen:

„Dieser Dialekt hat mich sofort angezogen“

Vorarlberg
12.11.2023 11:05

Der Vorarlberger Dialekt hat viele Gemeinsamkeiten mit dem Flämischen, meint Iza Van Holen. Wegen der Ähnlichkeiten der Sprache, aber auch wegen der Menschen lebt die gebürtige Belgierin gerne im Ländle.

„Die Belgier schreiben das „Van“ vor dem Namen groß, die Niederländer klein. Das ist der feine Unterschied. Ich würde meinen Mädchennamen niemals aufgeben. Er ist das Einzige, was mir von Belgien geblieben ist. Eine Zeit lang überlegte sogar mein Mann, diesen Namen anzunehmen.“ Die Belgierin Iza Van Holen, junge Mutter von drei Kindern, Cellistin und Musikpädagogin, lebt gerne in Vorarlberg. „Vielleicht, weil es ein ähnlicher Menschenschlag ist“, vermutet sie. „Die Leute in dem Kleinstädtchen Stekene an der flandrisch-holländischen Grenze, wo ich herkomme, ticken ähnlich wie hier. Herzlich, aber nicht mit der breiten und weltmännischen Geste wie die Niederländer. Eher still, zurückhaltend und unkompliziert“, erzählt die sehr zierliche Frau, der man kaum mehr anhört, dass sie gar nicht von hier ist.

„Dieser Dialekt hat mich sofort angezogen. Innerhalb von drei Monaten sprach ich fließend Vorarlbergisch. Vielleicht, weil das Flämische dem Vorarlberger Dialekt gar nicht so unverwandt ist. Wir haben beispielsweise auch keine Lautverschiebung mitgemacht. Bei uns gibt es auch die vielen Diminutive, die Verniedlichungen.“

Der einjährige Leopold, ihr jüngstes Kind, beäugt mich kritisch. Das rot blinkende Aufnahmegerät hat es ihm angetan. Ich schiebe es sicherheitshalber aus der Gefechtslinie. Einige Augenblicke später hält er mir ein Kinderbuch unter die Nase. Es ist in flämischer Sprache geschrieben.

Bereits im Alter von sechs Jahren wusste die Wahl-Vorarlbergerin, dass sie Cello spielen wollte. Doch das Erlernen des Instruments war an der Musikschule zunächst nicht möglich. (Bild: Mathis Fotografie)
Bereits im Alter von sechs Jahren wusste die Wahl-Vorarlbergerin, dass sie Cello spielen wollte. Doch das Erlernen des Instruments war an der Musikschule zunächst nicht möglich.

Robert Schneider: Alle deine Kinder sprechen auch Flämisch? 
Iza Van Holen: Ja, das ist mir wichtig.

Auch dein Mann, der ja Österreicher ist? 
Ein wenig. Aber er spricht es nur, wenn wir im Urlaub in Belgien sind.

Was ist das für eine Gegend, dieses Flandern, aus der du kommst? 
Weit und endlos flach. Unser Dorf liegt abgelegen und gerade mal drei Meter über dem Meeresspiegel. Direkt an der Grenze zu den Niederlanden. Viel, viel Wald, Weidenbäume und endlose Wiesen. Und eine Autobahn, die alles durchschneidet. Unser Grundstück war etwa einen Hektar groß. Wir hatten da Enten, Hühner, Kaninchen. Ein Viertel davon machte unser großer Gemüsegarten aus.

Iza Van Holen wuchs an der Grenze zu den Niederlanden auf. Um sie herum gab es viele Wälder, Wiesen und Tiere. (Bild: Mathis Fotografie)
Iza Van Holen wuchs an der Grenze zu den Niederlanden auf. Um sie herum gab es viele Wälder, Wiesen und Tiere.

Du stammst aus einem durch und durch musikalischen Haus. 
Mein Vater studierte Musikwissenschaft. Aber davon konnte er keine Familie ernähren, also hat er auf einer Pädagogischen Hochschule Musikerziehung unterrichtet. Meine Mutter war Musikpädagogin und Chorleiterin. Als dann ihr drittes von vier Kindern auf die Welt kam, hat sie den Beruf an den Nagel gehängt.

Ihr habt in der Familie sehr viel musiziert, Kammermusik gemacht. Dein jüngster Bruder ist Fagottist beim weltberühmten Concertgebow-Orchester in Amsterdam. Du bist Cellistin geworden. Weil es der Papa so wollte? 
Der Papa wollte uns Kinder gerne an das Klavierspielen heranführen. Aber ich wusste schon mit sechs Jahren ganz genau, dass ich Cello spielen wollte. Kein anderes Instrument. Das war damals auf der Musikschule gar nicht möglich, so jung Cello zu lernen. Meine Eltern haben das dann gemeinsam mit dem Direktor durchgesetzt. Musik hatte in meinem Elternhaus wirklich absolute Priorität. Nun waren wir nicht betucht, dennoch hat mein Papa alles Geld, das er verdiente, in die Hand genommen, um uns Kindern gute Instrumente zu kaufen.

Im Mittelpunkt des Lebens der Belgierin stand schon seit ihrer Kindheit die Musik. (Bild: Mathis Fotografie)
Im Mittelpunkt des Lebens der Belgierin stand schon seit ihrer Kindheit die Musik.

Du wolltest auf dem Cello eine Jacqueline du Pré werden oder eine Sol Gabetta? 
So groß habe ich gar nicht gedacht. Ich habe auch erst mit siebzehn beschlossen, das Konzertfach zu wählen, und zwar deshalb, weil ich plötzlich einen wirklich guten Cello-Lehrer hatte. Da habe ich ganz aus mir heraus zwei, drei Stunden am Tag Cello geübt. Außerdem wollte ich immer auch etwas mit Musiktherapie machen, etwas Soziales. Diese Prägung kommt von der Mama. Die hat sich Zeit ihres Lebens für Menschen eingesetzt, die dringend der Hilfe bedurften - für Flüchtlinge etwa. In unserem Haus lebte jahrelang ein Iraner, und wir haben uns sehr um eine Musiker-Familie aus dem Irak gekümmert. Sie wurden für uns wie eine Familie.

Du hast dann ein Erasmus-Stipendium erhalten, was dich schließlich an die Kunstuniversität nach Graz gebracht hat. Und dort lief dir ausgerechnet ein junger, gut aussehender Kontrabass-Student aus Vorarlberg über den Weg? 
Nein, Marcus studierte damals noch in Linz an der Uni. Wir sind uns erst später anlässlich einer Akademie für zeitgenössische Musik bei den “Klangspuren" in Schwaz im Tirol begegnet.

Dich in deinem Fach auf die Alte Musik zu verlegen, hat dich nie interessiert, also auf Darmsaiten zu spielen? 
Nein. Ich fand die zeitgenössische Musik viel interessanter und auch aufregender. Manchmal richtig abgefahren. Das machte mir großen Spaß und tut es heute noch. Die tiefste Prägung war jedoch immer das Erarbeiten und Aufführen von Kammermusik. Da fühle ich mich ganz zuhause. Das ist Familie.

War das nicht eine schwierige Zeit für dich, als du Mutter geworden bist? Du musstest ja dein Instrument immer mehr hintan stellen. 
Das stimmt. Ich habe da lange mit mir gerungen. Bei den ersten beiden Kindern habe ich noch versucht, ganz intensiv dran zu bleiben, habe alles gespielt, was nur möglich war. Als dann Leopold kam, wusste ich, dass beides auf die Dauer nicht geht. Das tut noch manchmal weh, aber immer weniger, weil ich mich ganz für die Kinder entschieden habe. Außerdem müssen wir ja auch von Etwas leben. Ich habe eine volle Stelle als Cello-Lehrerin in Dornbirn, und mein Mann unterrichtet ebenfalls und spielt sehr viele Konzerte.

Könntest du dir vorstellen, wieder in Flandern zu leben? 
Überhaupt nicht. Das Einzige, was ich vermisse, ist vielleicht das Meer und ganz besonders die Nähe zu meiner Familie dort. Aber morgen kommen ja die Mama und der Papa wieder und besuchen uns.

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