"Bild des Grauens"

F: Vier Tote bei Attentat auf jüdische Schule

Ausland
20.03.2012 07:08
Bei einem blutigen Anschlag auf eine jüdische Schule in Toulouse sind am Montag insgesamt vier Menschen ums Leben gekommen. Unter den Toten befinden sich drei Kinder. Laut Staatsanwaltschaft gibt es ernsthafte Hinweise auf eine Verbindung zu zwei Mordangriffen auf vier Soldaten in der Region, die in der vergangenen Woche stattfanden. Auf dem Schulhof von Toulouse spielten sich schreckliche Szenen ab, der Täter jagte seine Opfer laut Augenzeugen regelrecht über den Schulhof.

Ein Unbekannter hatte Montag früh einen 30-jährigen Religionslehrer, seine beiden drei und sechs Jahre alten Kinder sowie ein Mädchen im Alter von zehn Jahren vor der jüdischen Ozar-Hatorah-Schule in Toulouse erschossen. Ein 17-jähriger Jugendlicher wurde schwer verletzt. Der Schütze habe seine Opfer "quer über den Schulhof gejagt", berichteten Augenzeugen. Weinende Eltern suchten vor der Schule nach ihren Kindern. "Es war ein Bild des Grauens", hieß es.

Die Schüsse kamen aus derselben Waffe, mit der in der vergangenen Woche drei Soldaten getötet und einer schwer verletzt worden waren - ebenfalls in Toulouse sowie in der etwa 50 Kilometer entfernten Gemeinde Montauban. Drei der Soldaten hatten Wurzeln in Nordafrika, einer davon war farbig. Jedes Mal beschrieben Zeugen den Täter als schwarz gekleideten Mann, der auf einem Motorroller geflüchtet war.

Die für Terrorismus zuständige Staatsanwaltschaft in Paris erklärte, sie ermittle wegen des Verdachts des "Mordes und versuchten Mordes im Zusammenhang mit einer terroristischen Vereinigung" in allen drei Fällen. Dies sei aber vor allem wegen des Ausmaßes der Taten geschehen, hieß es in den Ermittlerkreisen.

"Vermutlich rassistischer Militär"
Demnach wird vor allem die These verfolgt, dass es sich bei dem Täter um einen rassistischen Militärangehörigen oder Ex-Militär handeln könnte. Doch auch ein durchgedrehter Einzeltäter oder die Tat einer Terrorgruppe wird nicht gänzlich ausgeschlossen, wobei ein Anschlag einer ausländischen, islamistischen Gruppe wie der Al-Kaida als unwahrscheinlich gilt.

Der Täter benutzte laut Ermittlern eine halbautomatische Pistole vom Kaliber 11,43 Millimeter. Er fuhr in jedem Fall einen schweren Yamaha-Motorroller vom Typ T-MAX, der vor über einer Woche in Toulouse gestohlen worden war. Auch ansonsten folgten die Angriffe demselben Muster: Der Angreifer schoss seine Opfer jeweils am helllichten Tag nieder.

In der Region geht nun die Angst vor weiteren Anschlägen um. Der Bürgermeister von Toulouse, Pierre Cohen, verwies im TV auf die Kaltblütigkeit des Täters. Man sei "extrem beunruhigt". Die Stadt beschloss die Wiederbewaffnung ihrer Ortspolizisten im Tagdienst. Dies geschehe laut Cohen im Zuge der verschärften Sicherheitsmaßnahmen.

Wahlkampf unterbrochen
Wegen des Anschlags unterbrachen die Parteien vorübergehend den Präsidentschaftswahlkampf. Präsident Nicolas Sarkozy reiste noch am Vormittag nach Toulouse. Auch sein sozialistischer Herausforderer Francois Hollande sagte alle Parteitermine ab und informierte sich am Nachmittag am Tatort. Die Anschläge brachten das Thema Innere Sicherheit im laufenden Präsidentenwahlkampf nach oben auf die Tagesordnung. Sarkozy hatte zuletzt rechtspopulistische Töne angeschlagen und vor zu vielen Ausländern im Land gewarnt.

Sarkozy ordnete für Dienstag um 11 Uhr eine Schweigeminute zum Gedenken an die getöteten Kinder in allen Schulen an: "Es sind unser aller Kinder." Der Präsident und Hollande sowie zahlreiche Kabinettsmitglieder und weitere Politiker besuchten am Abend einen Gottesdienst in der Nazareth-Synagoge in Paris. Tausende Menschen nahmen danach noch an einem Schweigemarsch in der französischen Hauptstadt teil.

Die Tat vom Montag gilt als einer der mörderischsten Anschläge auf eine jüdische Einrichtung seit drei Jahrzehnten, als 1982 ein Überfallkommando im jüdischen Viertel in Paris in der Rue des Rosiers in einem Restaurant sechs Menschen tötete. Hinter diesem Anschlag werden Angehörige von Palästinensergruppen vermutet.

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